Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Geständniß über alle diese Verhältnisse, die in die traurigsten Details mit Möbel- und Tapetenhändlern gingen, vor dem Freunde zurück. Daß er diesem einst gesagt: Ada liebt ja nur Dich! und daß er sah: Ottomar lebt wirklich unter dem Widerschein des Vergangenen! darüber entfiel ihm jetzt kein Wort mehr. Denn er sah doch zu deutlich, daß Ottomar sein Princip, den Reiz des Weibes nicht früher auf sich wirken zu lassen, als bis er eine Familie zu erhalten im Stande wäre, durch die nähere Berührung mit seiner Braut geändert hatte - und den Grafen drückte sein eigenes Empfinden für Helene! Darum schwieg er über beide Verhältnisse. Beide schieden einsilbig, doch herzlich. Ottomar hatte mit seinem "dritten Examen" zu thun, jener gefahrvollen Klippe, die man nicht umschifft, wenn man sich im Leben zu sehr zerstreuen, den Ideenkreis erweitern, von der Welt der Bücher und geschriebenen Hefte abziehen läßt. Doch was lag nicht schon Alles lastend auf der Brust des jungen Mannes und zog ihn vom Gewöhnlichen ab, vom Herkömmlichen, diesem alleinigen Herrscher in einer Zeit, die durch sich selbst, nicht durch unser Hinzuthun so viel Außerordentliches gebiert! Die Liebe zur Gattin eines Freundes, dieser selbst befangen von dem Bilde seiner Schwester, des weitentrückten Wolny entsagender Schmerz, Marthas Geständniß über alle diese Verhältnisse, die in die traurigsten Details mit Möbel- und Tapetenhändlern gingen, vor dem Freunde zurück. Daß er diesem einst gesagt: Ada liebt ja nur Dich! und daß er sah: Ottomar lebt wirklich unter dem Widerschein des Vergangenen! darüber entfiel ihm jetzt kein Wort mehr. Denn er sah doch zu deutlich, daß Ottomar sein Princip, den Reiz des Weibes nicht früher auf sich wirken zu lassen, als bis er eine Familie zu erhalten im Stande wäre, durch die nähere Berührung mit seiner Braut geändert hatte – und den Grafen drückte sein eigenes Empfinden für Helene! Darum schwieg er über beide Verhältnisse. Beide schieden einsilbig, doch herzlich. Ottomar hatte mit seinem „dritten Examen“ zu thun, jener gefahrvollen Klippe, die man nicht umschifft, wenn man sich im Leben zu sehr zerstreuen, den Ideenkreis erweitern, von der Welt der Bücher und geschriebenen Hefte abziehen läßt. Doch was lag nicht schon Alles lastend auf der Brust des jungen Mannes und zog ihn vom Gewöhnlichen ab, vom Herkömmlichen, diesem alleinigen Herrscher in einer Zeit, die durch sich selbst, nicht durch unser Hinzuthun so viel Außerordentliches gebiert! Die Liebe zur Gattin eines Freundes, dieser selbst befangen von dem Bilde seiner Schwester, des weitentrückten Wolny entsagender Schmerz, Marthas <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0073" n="67"/> Geständniß über alle diese Verhältnisse, die in die traurigsten Details mit Möbel- und Tapetenhändlern gingen, vor dem Freunde zurück. Daß er diesem einst gesagt: Ada liebt ja nur Dich! und daß er sah: Ottomar lebt wirklich unter dem Widerschein des Vergangenen! darüber entfiel ihm jetzt kein Wort mehr. Denn er sah doch zu deutlich, daß Ottomar sein Princip, den Reiz des Weibes nicht früher auf sich wirken zu lassen, als bis er eine Familie zu erhalten im Stande wäre, durch die nähere Berührung mit seiner Braut geändert hatte – und den Grafen drückte sein eigenes Empfinden für Helene! Darum schwieg er über beide Verhältnisse. Beide schieden einsilbig, doch herzlich.</p> <p>Ottomar <ref xml:id="TEXThatteBISthun" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLhatteBISthun">hatte mit seinem „dritten Examen“ zu thun</ref>, jener gefahrvollen Klippe, die man nicht umschifft, wenn man sich im Leben zu sehr zerstreuen, den Ideenkreis erweitern, von der Welt der Bücher und geschriebenen Hefte abziehen läßt. Doch was lag nicht schon Alles lastend auf der Brust des jungen Mannes und zog ihn vom Gewöhnlichen ab, vom Herkömmlichen, diesem alleinigen Herrscher in einer Zeit, die durch sich selbst, nicht durch unser Hinzuthun so viel Außerordentliches gebiert! Die Liebe zur Gattin eines Freundes, dieser selbst befangen von dem Bilde seiner Schwester, des weitentrückten Wolny entsagender Schmerz, Marthas </p> </div> </body> </text> </TEI> [67/0073]
Geständniß über alle diese Verhältnisse, die in die traurigsten Details mit Möbel- und Tapetenhändlern gingen, vor dem Freunde zurück. Daß er diesem einst gesagt: Ada liebt ja nur Dich! und daß er sah: Ottomar lebt wirklich unter dem Widerschein des Vergangenen! darüber entfiel ihm jetzt kein Wort mehr. Denn er sah doch zu deutlich, daß Ottomar sein Princip, den Reiz des Weibes nicht früher auf sich wirken zu lassen, als bis er eine Familie zu erhalten im Stande wäre, durch die nähere Berührung mit seiner Braut geändert hatte – und den Grafen drückte sein eigenes Empfinden für Helene! Darum schwieg er über beide Verhältnisse. Beide schieden einsilbig, doch herzlich.
Ottomar hatte mit seinem „dritten Examen“ zu thun, jener gefahrvollen Klippe, die man nicht umschifft, wenn man sich im Leben zu sehr zerstreuen, den Ideenkreis erweitern, von der Welt der Bücher und geschriebenen Hefte abziehen läßt. Doch was lag nicht schon Alles lastend auf der Brust des jungen Mannes und zog ihn vom Gewöhnlichen ab, vom Herkömmlichen, diesem alleinigen Herrscher in einer Zeit, die durch sich selbst, nicht durch unser Hinzuthun so viel Außerordentliches gebiert! Die Liebe zur Gattin eines Freundes, dieser selbst befangen von dem Bilde seiner Schwester, des weitentrückten Wolny entsagender Schmerz, Marthas
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/73>, abgerufen am 23.07.2024. |