Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.mußte zuweilen auf ihn hinweisen! Die Rolle hatte er sich vor'm Spiegel einstudirt! Er führte sie meisterhaft durch. Seine Gattin verstellte sich weniger. Diese blieb kalt. Wolny, der ihre Briefe nicht verbrannt hatte, stand in ihrer Nähe! Ihre Blicke hüteten sich, den seinigen zu begegnen. Rache! Rache! lag in ihren Mienen. Martha Ehlerdt war nicht erschienen. Ihre Geister waren durch die Frage, die ihr die Commerzienräthin gestellt hatte, noch nicht beruhigt, nicht versöhnt. Bei starken Seelen kann selbst der Tod nicht immer Alles ausgleichen, was zu einer bestimmten Periode ihnen verhängnißvoll und verderblich erschien. Was sollte sie lügen? Sie liebte ja wirklich Wolny! Sie konnte gar kein anderes Wort für das edelste ihrer Gefühle finden. Und ein edles Weib leidet mit, wenn es einen Mann, einen Mann der Pflicht, der Treue, der Liebe, unter den Launen einer Genossin ihres Geschlechts leiden sieht. Wie gern hätte sie ihm geholfen! Wie gern ihm den Glauben an ihr Geschlecht erhalten -! Das sind Empfindungen, die, wenn sie sich zuletzt noch mit Dankbarkeit verbinden müssen, nur das Wonnegefühl der Liebe wecken können. Wolny war der alleinige Erbe seiner Frau. Der Sohn erster Ehe war durch gerichtliche Constatirung, durch die Abschätzung des Vorhandenen, durch den Beweis, daß er seine Ansprüche befriedigt erhalten hätte, abgefunden. mußte zuweilen auf ihn hinweisen! Die Rolle hatte er sich vor’m Spiegel einstudirt! Er führte sie meisterhaft durch. Seine Gattin verstellte sich weniger. Diese blieb kalt. Wolny, der ihre Briefe nicht verbrannt hatte, stand in ihrer Nähe! Ihre Blicke hüteten sich, den seinigen zu begegnen. Rache! Rache! lag in ihren Mienen. Martha Ehlerdt war nicht erschienen. Ihre Geister waren durch die Frage, die ihr die Commerzienräthin gestellt hatte, noch nicht beruhigt, nicht versöhnt. Bei starken Seelen kann selbst der Tod nicht immer Alles ausgleichen, was zu einer bestimmten Periode ihnen verhängnißvoll und verderblich erschien. Was sollte sie lügen? Sie liebte ja wirklich Wolny! Sie konnte gar kein anderes Wort für das edelste ihrer Gefühle finden. Und ein edles Weib leidet mit, wenn es einen Mann, einen Mann der Pflicht, der Treue, der Liebe, unter den Launen einer Genossin ihres Geschlechts leiden sieht. Wie gern hätte sie ihm geholfen! Wie gern ihm den Glauben an ihr Geschlecht erhalten –! Das sind Empfindungen, die, wenn sie sich zuletzt noch mit Dankbarkeit verbinden müssen, nur das Wonnegefühl der Liebe wecken können. Wolny war der alleinige Erbe seiner Frau. Der Sohn erster Ehe war durch gerichtliche Constatirung, durch die Abschätzung des Vorhandenen, durch den Beweis, daß er seine Ansprüche befriedigt erhalten hätte, abgefunden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0061" n="55"/> mußte zuweilen auf ihn hinweisen! Die Rolle hatte er sich vor’m Spiegel einstudirt! Er führte sie meisterhaft durch. Seine Gattin verstellte sich weniger. Diese blieb kalt. Wolny, der ihre Briefe nicht verbrannt hatte, stand in ihrer Nähe! Ihre Blicke hüteten sich, den seinigen zu begegnen. Rache! Rache! lag in ihren Mienen. Martha Ehlerdt war nicht erschienen. Ihre Geister waren durch die Frage, die ihr die Commerzienräthin gestellt hatte, noch nicht beruhigt, nicht versöhnt. Bei starken Seelen kann selbst der Tod nicht immer Alles ausgleichen, was zu einer bestimmten Periode ihnen verhängnißvoll und verderblich erschien. Was sollte sie lügen? Sie liebte ja wirklich Wolny! Sie konnte gar kein anderes Wort für das edelste ihrer Gefühle finden. Und ein edles Weib leidet mit, wenn es einen Mann, einen Mann der Pflicht, der Treue, der Liebe, unter den Launen einer Genossin ihres Geschlechts leiden sieht. Wie gern hätte sie ihm geholfen! Wie gern ihm den Glauben an ihr Geschlecht erhalten –! Das sind Empfindungen, die, wenn sie sich zuletzt noch mit Dankbarkeit verbinden müssen, nur das Wonnegefühl der Liebe wecken können.</p> <p>Wolny war der alleinige Erbe seiner Frau. Der Sohn erster Ehe war durch gerichtliche Constatirung, durch die Abschätzung des Vorhandenen, durch den Beweis, daß er seine Ansprüche befriedigt erhalten hätte, abgefunden. </p> </div> </body> </text> </TEI> [55/0061]
mußte zuweilen auf ihn hinweisen! Die Rolle hatte er sich vor’m Spiegel einstudirt! Er führte sie meisterhaft durch. Seine Gattin verstellte sich weniger. Diese blieb kalt. Wolny, der ihre Briefe nicht verbrannt hatte, stand in ihrer Nähe! Ihre Blicke hüteten sich, den seinigen zu begegnen. Rache! Rache! lag in ihren Mienen. Martha Ehlerdt war nicht erschienen. Ihre Geister waren durch die Frage, die ihr die Commerzienräthin gestellt hatte, noch nicht beruhigt, nicht versöhnt. Bei starken Seelen kann selbst der Tod nicht immer Alles ausgleichen, was zu einer bestimmten Periode ihnen verhängnißvoll und verderblich erschien. Was sollte sie lügen? Sie liebte ja wirklich Wolny! Sie konnte gar kein anderes Wort für das edelste ihrer Gefühle finden. Und ein edles Weib leidet mit, wenn es einen Mann, einen Mann der Pflicht, der Treue, der Liebe, unter den Launen einer Genossin ihres Geschlechts leiden sieht. Wie gern hätte sie ihm geholfen! Wie gern ihm den Glauben an ihr Geschlecht erhalten –! Das sind Empfindungen, die, wenn sie sich zuletzt noch mit Dankbarkeit verbinden müssen, nur das Wonnegefühl der Liebe wecken können.
Wolny war der alleinige Erbe seiner Frau. Der Sohn erster Ehe war durch gerichtliche Constatirung, durch die Abschätzung des Vorhandenen, durch den Beweis, daß er seine Ansprüche befriedigt erhalten hätte, abgefunden.
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