Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Seele läßt sich die ihr zuträgliche nothwendige Nahrung nicht nehmen! Verkürzt man ihr den Werth der Religion, so hat sie das Bedürfniß, sich auf andere Art zu helfen! Nationalruhm ist etwas rasch Verbrauchtes und setzt soviel Gehässigkeit gegen andere Nationen voraus, daß man dessen bald überdrüssig wird! Die Muse, die immer mit Trophäen einherschreitet, sieht bald wie die leibhafte Anmaßung aus! Eine berühmte Siegessäule mit den blinkenden Kanonen, die da oben aufgezogen sind, werden Sie mir doch zugestehen müssen, sieht eher wie ein Denkmal für eine asiatische Nation aus, als für eine gesittete christliche! So oft ich daran vorübergehe, mußte ich an die Ausschmückungsweise der hohen Pforte, der Sultanswohnung, des Serail denken! Das ist keine Erhabenheit. Aber gewiß, die Menschen können nicht immer lachen, können nicht immer oberflächlich sein. Sie wollen verehren, sich selbst adeln durch ihr Gefühl! Es braucht da nicht immer die Kunst zu sein, nicht immer die Literatur, die unser Bedürfniß nach Erhabenheit befriedigt. Es kann auch das Leben selbst sein, das uns hebt, emporträgt, uns groß, geläutert empfinden läßt! Jetzt ist es die Musik! meinte der jüdische Erheiterer des Clubs. Ich rede aber von meinem Abonnement für Beethoven'sche Symphonie-Concerte, nicht von meinem Bayreuther Patronatsschein! Seele läßt sich die ihr zuträgliche nothwendige Nahrung nicht nehmen! Verkürzt man ihr den Werth der Religion, so hat sie das Bedürfniß, sich auf andere Art zu helfen! Nationalruhm ist etwas rasch Verbrauchtes und setzt soviel Gehässigkeit gegen andere Nationen voraus, daß man dessen bald überdrüssig wird! Die Muse, die immer mit Trophäen einherschreitet, sieht bald wie die leibhafte Anmaßung aus! Eine berühmte Siegessäule mit den blinkenden Kanonen, die da oben aufgezogen sind, werden Sie mir doch zugestehen müssen, sieht eher wie ein Denkmal für eine asiatische Nation aus, als für eine gesittete christliche! So oft ich daran vorübergehe, mußte ich an die Ausschmückungsweise der hohen Pforte, der Sultanswohnung, des Serail denken! Das ist keine Erhabenheit. Aber gewiß, die Menschen können nicht immer lachen, können nicht immer oberflächlich sein. Sie wollen verehren, sich selbst adeln durch ihr Gefühl! Es braucht da nicht immer die Kunst zu sein, nicht immer die Literatur, die unser Bedürfniß nach Erhabenheit befriedigt. Es kann auch das Leben selbst sein, das uns hebt, emporträgt, uns groß, geläutert empfinden läßt! Jetzt ist es die Musik! meinte der jüdische Erheiterer des Clubs. Ich rede aber von meinem Abonnement für Beethoven’sche Symphonie-Concerte, nicht von meinem Bayreuther Patronatsschein! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0057" n="51"/> Seele läßt sich die ihr zuträgliche nothwendige Nahrung nicht nehmen! Verkürzt man ihr den Werth der Religion, so hat sie das Bedürfniß, sich auf andere Art zu helfen! Nationalruhm ist etwas rasch Verbrauchtes und setzt soviel Gehässigkeit gegen andere Nationen voraus, daß man dessen bald überdrüssig wird! Die Muse, die immer mit Trophäen einherschreitet, sieht bald wie die leibhafte Anmaßung aus! <ref xml:id="TEXTEineberuemteBISKanonen" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLEineberuemteBISKanonen">Eine berühmte Siegessäule mit den blinkenden Kanonen</ref>, die da oben aufgezogen sind, werden Sie mir doch zugestehen müssen, sieht eher wie ein Denkmal für eine asiatische Nation aus, als für eine gesittete christliche! So oft ich daran vorübergehe, mußte ich an die Ausschmückungsweise der hohen Pforte, der Sultanswohnung, des Serail denken! Das ist keine Erhabenheit. Aber gewiß, die Menschen können nicht immer lachen, können nicht immer oberflächlich sein. Sie wollen verehren, sich selbst adeln durch ihr Gefühl! Es braucht da nicht immer die Kunst zu sein, nicht immer die Literatur, die unser Bedürfniß nach Erhabenheit befriedigt. Es kann auch das Leben selbst sein, das uns hebt, emporträgt, uns groß, geläutert empfinden läßt!</p> <p>Jetzt ist es die Musik! meinte der jüdische Erheiterer des Clubs. Ich rede aber von meinem Abonnement für Beethoven’sche Symphonie-Concerte, nicht von meinem <ref xml:id="TEXTBayreutherPatronatsschein" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLBayreutherPatronatsschein">Bayreuther Patronatsschein</ref>!</p> </div> </body> </text> </TEI> [51/0057]
Seele läßt sich die ihr zuträgliche nothwendige Nahrung nicht nehmen! Verkürzt man ihr den Werth der Religion, so hat sie das Bedürfniß, sich auf andere Art zu helfen! Nationalruhm ist etwas rasch Verbrauchtes und setzt soviel Gehässigkeit gegen andere Nationen voraus, daß man dessen bald überdrüssig wird! Die Muse, die immer mit Trophäen einherschreitet, sieht bald wie die leibhafte Anmaßung aus! Eine berühmte Siegessäule mit den blinkenden Kanonen, die da oben aufgezogen sind, werden Sie mir doch zugestehen müssen, sieht eher wie ein Denkmal für eine asiatische Nation aus, als für eine gesittete christliche! So oft ich daran vorübergehe, mußte ich an die Ausschmückungsweise der hohen Pforte, der Sultanswohnung, des Serail denken! Das ist keine Erhabenheit. Aber gewiß, die Menschen können nicht immer lachen, können nicht immer oberflächlich sein. Sie wollen verehren, sich selbst adeln durch ihr Gefühl! Es braucht da nicht immer die Kunst zu sein, nicht immer die Literatur, die unser Bedürfniß nach Erhabenheit befriedigt. Es kann auch das Leben selbst sein, das uns hebt, emporträgt, uns groß, geläutert empfinden läßt!
Jetzt ist es die Musik! meinte der jüdische Erheiterer des Clubs. Ich rede aber von meinem Abonnement für Beethoven’sche Symphonie-Concerte, nicht von meinem Bayreuther Patronatsschein!
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/57>, abgerufen am 27.07.2024. |