gewordenen Unverfrorenheit, einer Tugend der Neuzeit, Muth getrunken hatte. Er hatte sich versteckt gehabt, daß ihn Dora nicht sah. In schlottriger Kleidung trat er auf die entsetzte Mutter zu, starrte sie mit weintrunkenen Augen an und rief ihr mit wutherstickter Stimme entgegen: Na, Mama, du bist ja einzig! Gestern noch sagtest Du mir: Mach' doch die Anstalten! Schaff' doch die Beweise!
Er hatte sich absichtlich nicht feierlich schwarz gekleidet, sondern stand in seiner gewöhnlichen, nie besonders gepflegten Straßentracht, von der durchwachten Nacht mit mehr als gewöhnlich hohl in ihren Vertiefungen ruhenden Augen. Noch hing ein rothes Tuch um seinen Hals.
Aber seine Mutter unterbrach ihn, holte halbtaumelnd die offene Kassette aus dem Nebenzimmer, Briefe entfielen ihr. Wo ist sie denn? rief sie. Die Jammergestalt! Der Großsprecher, Intriguant, der hier in seinem eigenen Netz gefangen liegt -?
Mama, stotterte Harry, von dem entsetzlichen Anblick der sogar ihr zerzaustes Haar nicht Beachtenden ergriffen. Wir sind ja nicht ohne Zeugen!
In der That hatte sich eben die Thür geöffnet, und Wolny kam, der sein auswärtiges Geschäft rasch beendigt hatte.
gewordenen Unverfrorenheit, einer Tugend der Neuzeit, Muth getrunken hatte. Er hatte sich versteckt gehabt, daß ihn Dora nicht sah. In schlottriger Kleidung trat er auf die entsetzte Mutter zu, starrte sie mit weintrunkenen Augen an und rief ihr mit wutherstickter Stimme entgegen: Na, Mama, du bist ja einzig! Gestern noch sagtest Du mir: Mach’ doch die Anstalten! Schaff’ doch die Beweise!
Er hatte sich absichtlich nicht feierlich schwarz gekleidet, sondern stand in seiner gewöhnlichen, nie besonders gepflegten Straßentracht, von der durchwachten Nacht mit mehr als gewöhnlich hohl in ihren Vertiefungen ruhenden Augen. Noch hing ein rothes Tuch um seinen Hals.
Aber seine Mutter unterbrach ihn, holte halbtaumelnd die offene Kassette aus dem Nebenzimmer, Briefe entfielen ihr. Wo ist sie denn? rief sie. Die Jammergestalt! Der Großsprecher, Intriguant, der hier in seinem eigenen Netz gefangen liegt –?
Mama, stotterte Harry, von dem entsetzlichen Anblick der sogar ihr zerzaustes Haar nicht Beachtenden ergriffen. Wir sind ja nicht ohne Zeugen!
In der That hatte sich eben die Thür geöffnet, und Wolny kam, der sein auswärtiges Geschäft rasch beendigt hatte.
<TEI><text><body><divn="1"><p><refxml:id="TEXTjenerjetztBISUnverfrorenheit"type="editorialNote"target="NSer3E.htm#ERLjenerjetztBISUnverfrorenheit"><pbfacs="#f0042"n="36"/>
gewordenen Unverfrorenheit</ref>, einer Tugend der Neuzeit, Muth getrunken hatte. Er hatte sich versteckt gehabt, daß ihn Dora nicht sah. In schlottriger Kleidung trat er auf die entsetzte Mutter zu, starrte sie mit weintrunkenen Augen an und rief ihr mit wutherstickter Stimme entgegen: Na, Mama, du bist ja einzig! Gestern noch sagtest Du mir: Mach’ doch die Anstalten! Schaff’ doch die Beweise!</p><p>Er hatte sich absichtlich nicht feierlich schwarz gekleidet, sondern stand in seiner gewöhnlichen, nie besonders gepflegten Straßentracht, von der durchwachten Nacht mit mehr als gewöhnlich hohl in ihren Vertiefungen ruhenden Augen. Noch hing ein rothes Tuch um seinen Hals.</p><p>Aber seine Mutter unterbrach ihn, holte halbtaumelnd die offene Kassette aus dem Nebenzimmer, Briefe entfielen ihr. Wo ist sie denn? rief sie. Die Jammergestalt! Der Großsprecher, Intriguant, der hier in seinem eigenen Netz gefangen liegt –?</p><p>Mama, stotterte Harry, von dem entsetzlichen Anblick der sogar ihr zerzaustes Haar nicht Beachtenden ergriffen. Wir sind ja nicht ohne Zeugen!</p><p>In der That hatte sich eben die Thür geöffnet, und Wolny kam, der sein auswärtiges Geschäft rasch beendigt hatte.</p></div></body></text></TEI>
[36/0042]
gewordenen Unverfrorenheit, einer Tugend der Neuzeit, Muth getrunken hatte. Er hatte sich versteckt gehabt, daß ihn Dora nicht sah. In schlottriger Kleidung trat er auf die entsetzte Mutter zu, starrte sie mit weintrunkenen Augen an und rief ihr mit wutherstickter Stimme entgegen: Na, Mama, du bist ja einzig! Gestern noch sagtest Du mir: Mach’ doch die Anstalten! Schaff’ doch die Beweise!
Er hatte sich absichtlich nicht feierlich schwarz gekleidet, sondern stand in seiner gewöhnlichen, nie besonders gepflegten Straßentracht, von der durchwachten Nacht mit mehr als gewöhnlich hohl in ihren Vertiefungen ruhenden Augen. Noch hing ein rothes Tuch um seinen Hals.
Aber seine Mutter unterbrach ihn, holte halbtaumelnd die offene Kassette aus dem Nebenzimmer, Briefe entfielen ihr. Wo ist sie denn? rief sie. Die Jammergestalt! Der Großsprecher, Intriguant, der hier in seinem eigenen Netz gefangen liegt –?
Mama, stotterte Harry, von dem entsetzlichen Anblick der sogar ihr zerzaustes Haar nicht Beachtenden ergriffen. Wir sind ja nicht ohne Zeugen!
In der That hatte sich eben die Thür geöffnet, und Wolny kam, der sein auswärtiges Geschäft rasch beendigt hatte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-02-19T12:40:43Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-02-19T12:40:43Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-2<a>)
(2014-02-19T12:40:43Z)
Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/42>, abgerufen am 02.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.