Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.entfärbte sich bis zur Marmorblässe. Ich habe Ihnen nie einen Eindruck gemacht! hauchte sie matt und weinte. Unedel ist es, ein Weib, das sich gegen uns verirrte ganz sich selbst zu überlassen. Irgend eine Hülfe muß der Schwäche, dem Irrthum geboten werden. Ottomar wollte nicht dem mit der Justizräthin nach Hause fahrenden Dieterici gleichen und sich ein schnödes: Sie haben mich nie verstanden! zuziehen mit vor der Nase zugeschlagener Hausthür. Die Erinnerung an diese Unterlassungssünde, die vielleicht auf einem Mißverständniß beruhte, belebte ihn, sich zu fassen. Er sprach ein vernünftiges, besonnenes, nicht kaltes, nicht besinnungsloses: Aber, aber, Gräfin! Fassen Sie sich -! Nennen Sie mich auch so? sprach Ada wie ein Kind mit weichem Tone und sich allmälig aufrichtend. Dann sagte sie: Ich wurde verkauft! Ich mußte es ja auch thun! Meine Familie war ja verschuldet! Ich habe sie herausgerissen mit großer Mühe - ich könnte meinen Bruder morden, wenn er mich und die Mutter in neue Verlegenheiten stürzt -! Verlegenheiten, die mich hindern, meinem Herzen zu folgen -! Ada! entfuhr Ottomar mit um Mäßigung bittender Miene und unbewußt, wie mit dem Vorrecht längst erworbener Vertraulichkeit. entfärbte sich bis zur Marmorblässe. Ich habe Ihnen nie einen Eindruck gemacht! hauchte sie matt und weinte. Unedel ist es, ein Weib, das sich gegen uns verirrte ganz sich selbst zu überlassen. Irgend eine Hülfe muß der Schwäche, dem Irrthum geboten werden. Ottomar wollte nicht dem mit der Justizräthin nach Hause fahrenden Dieterici gleichen und sich ein schnödes: Sie haben mich nie verstanden! zuziehen mit vor der Nase zugeschlagener Hausthür. Die Erinnerung an diese Unterlassungssünde, die vielleicht auf einem Mißverständniß beruhte, belebte ihn, sich zu fassen. Er sprach ein vernünftiges, besonnenes, nicht kaltes, nicht besinnungsloses: Aber, aber, Gräfin! Fassen Sie sich –! Nennen Sie mich auch so? sprach Ada wie ein Kind mit weichem Tone und sich allmälig aufrichtend. Dann sagte sie: Ich wurde verkauft! Ich mußte es ja auch thun! Meine Familie war ja verschuldet! Ich habe sie herausgerissen mit großer Mühe – ich könnte meinen Bruder morden, wenn er mich und die Mutter in neue Verlegenheiten stürzt –! Verlegenheiten, die mich hindern, meinem Herzen zu folgen –! Ada! entfuhr Ottomar mit um Mäßigung bittender Miene und unbewußt, wie mit dem Vorrecht längst erworbener Vertraulichkeit. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0302" n="296"/> entfärbte sich bis zur Marmorblässe. Ich habe Ihnen nie einen Eindruck gemacht! hauchte sie matt und weinte.</p> <p>Unedel ist es, ein Weib, das sich gegen uns verirrte ganz sich selbst zu überlassen. Irgend eine Hülfe muß der Schwäche, dem Irrthum geboten werden. Ottomar wollte nicht dem mit der Justizräthin nach Hause fahrenden Dieterici gleichen und sich ein schnödes: Sie haben mich nie verstanden! zuziehen mit vor der Nase zugeschlagener Hausthür. Die Erinnerung an diese Unterlassungssünde, die vielleicht auf einem Mißverständniß beruhte, belebte ihn, sich zu fassen. Er sprach ein vernünftiges, besonnenes, nicht kaltes, nicht besinnungsloses: Aber, aber, Gräfin! Fassen Sie sich –!</p> <p>Nennen Sie mich auch so? sprach Ada wie ein Kind mit weichem Tone und sich allmälig aufrichtend. Dann sagte sie: Ich wurde verkauft! Ich mußte es ja auch thun! Meine Familie war ja verschuldet! Ich habe sie herausgerissen mit großer Mühe – ich könnte meinen Bruder morden, wenn er mich und die Mutter in neue Verlegenheiten stürzt –! Verlegenheiten, die mich hindern, meinem Herzen zu folgen –!</p> <p>Ada! entfuhr Ottomar mit um Mäßigung bittender Miene und unbewußt, wie mit dem Vorrecht längst erworbener Vertraulichkeit.</p> </div> </body> </text> </TEI> [296/0302]
entfärbte sich bis zur Marmorblässe. Ich habe Ihnen nie einen Eindruck gemacht! hauchte sie matt und weinte.
Unedel ist es, ein Weib, das sich gegen uns verirrte ganz sich selbst zu überlassen. Irgend eine Hülfe muß der Schwäche, dem Irrthum geboten werden. Ottomar wollte nicht dem mit der Justizräthin nach Hause fahrenden Dieterici gleichen und sich ein schnödes: Sie haben mich nie verstanden! zuziehen mit vor der Nase zugeschlagener Hausthür. Die Erinnerung an diese Unterlassungssünde, die vielleicht auf einem Mißverständniß beruhte, belebte ihn, sich zu fassen. Er sprach ein vernünftiges, besonnenes, nicht kaltes, nicht besinnungsloses: Aber, aber, Gräfin! Fassen Sie sich –!
Nennen Sie mich auch so? sprach Ada wie ein Kind mit weichem Tone und sich allmälig aufrichtend. Dann sagte sie: Ich wurde verkauft! Ich mußte es ja auch thun! Meine Familie war ja verschuldet! Ich habe sie herausgerissen mit großer Mühe – ich könnte meinen Bruder morden, wenn er mich und die Mutter in neue Verlegenheiten stürzt –! Verlegenheiten, die mich hindern, meinem Herzen zu folgen –!
Ada! entfuhr Ottomar mit um Mäßigung bittender Miene und unbewußt, wie mit dem Vorrecht längst erworbener Vertraulichkeit.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/302>, abgerufen am 16.02.2025. |