Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Lange schwiegen Beide. Still war Alles um sie her. Schmetterlinge flatterten von einer bescheidenen Waldblume zur andern. Eine fleißige Spinne wob in dem gezackten Fensterrest ihr kunstvolles Netz. Und plötzlich sagte Ada mit einem für Ottomar markerschütternden Ernst: Althing! Ich will mich scheiden lassen und dann nehmen Sie mich! Um Gotteswillen, lassen Sie das! sagte Ottomar und stürzte aus den Ruinen hinaus. Nach einer Weile kam er wieder. Ada stand noch, wie man Minerva abbildet, festgewurzelt. Sie hatte in ihren Augen ein Feuer brennen, ein Funkeln, das kein Bildhauer andeuten, kein Maler in Farben hätte wiedergeben können. Ihr war so zu sagen alles Blut in die Augensterne getreten. Nun, was ist denn da? sagte sie ruhig, einen Zweig ergreifend und sich wie an den Blättern festhaltend, mein Mann liebt ja Ihre Schwester! Wir spielen Verwechselt das Bäumchen oder tanzen Quadrille! Ottomar wollte Nichts von diesem Humor wissen. Er ging wieder hinaus. Und doch konnte er seine Entfernung nicht fortsetzen. Denn schon sah er den Pastor durch die Gebüsche huschen. Er kehrte wieder um und sprach zu Ada, die unbeweglich stehen geblieben war, sanft und innig: Gräfin, Sie träumen! Lange schwiegen Beide. Still war Alles um sie her. Schmetterlinge flatterten von einer bescheidenen Waldblume zur andern. Eine fleißige Spinne wob in dem gezackten Fensterrest ihr kunstvolles Netz. Und plötzlich sagte Ada mit einem für Ottomar markerschütternden Ernst: Althing! Ich will mich scheiden lassen und dann nehmen Sie mich! Um Gotteswillen, lassen Sie das! sagte Ottomar und stürzte aus den Ruinen hinaus. Nach einer Weile kam er wieder. Ada stand noch, wie man Minerva abbildet, festgewurzelt. Sie hatte in ihren Augen ein Feuer brennen, ein Funkeln, das kein Bildhauer andeuten, kein Maler in Farben hätte wiedergeben können. Ihr war so zu sagen alles Blut in die Augensterne getreten. Nun, was ist denn da? sagte sie ruhig, einen Zweig ergreifend und sich wie an den Blättern festhaltend, mein Mann liebt ja Ihre Schwester! Wir spielen Verwechselt das Bäumchen oder tanzen Quadrille! Ottomar wollte Nichts von diesem Humor wissen. Er ging wieder hinaus. Und doch konnte er seine Entfernung nicht fortsetzen. Denn schon sah er den Pastor durch die Gebüsche huschen. Er kehrte wieder um und sprach zu Ada, die unbeweglich stehen geblieben war, sanft und innig: Gräfin, Sie träumen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0300" n="294"/> <p> Lange schwiegen Beide. Still war Alles um sie her. Schmetterlinge flatterten von einer bescheidenen Waldblume zur andern. Eine fleißige Spinne wob in dem gezackten Fensterrest ihr kunstvolles Netz.</p> <p>Und plötzlich sagte Ada mit einem für Ottomar markerschütternden Ernst: Althing! Ich will mich scheiden lassen und dann nehmen Sie mich!</p> <p>Um Gotteswillen, lassen Sie das! sagte Ottomar und stürzte aus den Ruinen hinaus.</p> <p>Nach einer Weile kam er wieder. <ref xml:id="TEXTAdaBISfestgewurzelt" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLAdaBISfestgewurzelt">Ada stand noch, wie man Minerva abbildet, festgewurzelt</ref>. Sie hatte in ihren Augen ein Feuer brennen, ein Funkeln, das kein Bildhauer andeuten, kein Maler in Farben hätte wiedergeben können. Ihr war so zu sagen alles Blut in die Augensterne getreten.</p> <p>Nun, was ist denn da? sagte sie ruhig, einen Zweig ergreifend und sich wie an den Blättern festhaltend, mein Mann liebt ja Ihre Schwester! <ref xml:id="TEXTWirspielenBISQuadrille" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLWirspielenBISQuadrille">Wir spielen Verwechselt das Bäumchen oder tanzen Quadrille</ref>!</p> <p>Ottomar wollte Nichts von diesem Humor wissen. Er ging wieder hinaus. Und doch konnte er seine Entfernung nicht fortsetzen. Denn schon sah er den Pastor durch die Gebüsche huschen. Er kehrte wieder um und sprach zu Ada, die unbeweglich stehen geblieben war, sanft und innig: Gräfin, Sie träumen!</p> </div> </body> </text> </TEI> [294/0300]
Lange schwiegen Beide. Still war Alles um sie her. Schmetterlinge flatterten von einer bescheidenen Waldblume zur andern. Eine fleißige Spinne wob in dem gezackten Fensterrest ihr kunstvolles Netz.
Und plötzlich sagte Ada mit einem für Ottomar markerschütternden Ernst: Althing! Ich will mich scheiden lassen und dann nehmen Sie mich!
Um Gotteswillen, lassen Sie das! sagte Ottomar und stürzte aus den Ruinen hinaus.
Nach einer Weile kam er wieder. Ada stand noch, wie man Minerva abbildet, festgewurzelt. Sie hatte in ihren Augen ein Feuer brennen, ein Funkeln, das kein Bildhauer andeuten, kein Maler in Farben hätte wiedergeben können. Ihr war so zu sagen alles Blut in die Augensterne getreten.
Nun, was ist denn da? sagte sie ruhig, einen Zweig ergreifend und sich wie an den Blättern festhaltend, mein Mann liebt ja Ihre Schwester! Wir spielen Verwechselt das Bäumchen oder tanzen Quadrille!
Ottomar wollte Nichts von diesem Humor wissen. Er ging wieder hinaus. Und doch konnte er seine Entfernung nicht fortsetzen. Denn schon sah er den Pastor durch die Gebüsche huschen. Er kehrte wieder um und sprach zu Ada, die unbeweglich stehen geblieben war, sanft und innig: Gräfin, Sie träumen!
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/300>, abgerufen am 23.07.2024. |