Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Helene und die später nachgekommene Martha versuchten die beständig verdrießliche Stimmung der jungen Gräfin, in der sie eine so eigenthümliche Erscheinung antrafen, zu mildern. Aristokratischen Stolz ließ sie Ada nicht fühlen. Sie war herzlich und zuvorkommend und sah beide Erscheinungen, deren Herzensgeheimnisse ihr scharfes Auge ja bald errathen hatte, oft lange mit sinnigem Forschen an und sagte, sie wollte von ihnen lernen. Aber im Uebrigen blieb sie unangeregt. Nichts machte ihr wahre Freude. Sollte sie von Italien erzählen, so begann sie theilnahmlos. Erst Graf Udo mußte sie ausdrücklich auffordern, von den schönen Gegenden, von den Kunstschätzen, vom Meer, von den bunten Sitten des Südens doch mit einem gewissen Eingehen auf die Sache zu sprechen. Der Graf ruhte nicht, Helenen die Meisterwerke des Belvedere in Rom, der Tribüne in Florenz zu schildern. Freilich konnte sie selbst darüber mitsprechen, als wenn sie mit in Italien gewesen wäre. Pflegte doch ihr Vater sich Abends oder im Atelier, während sie eine Handarbeit hatte, häkelte oder strickte, über seine Jugendeindrücke, sein Erlebtes oder Gesehenes zu ergehen oder sich, wenn seine Augen ermüdet waren, aus einem kunsthistorischen neuern Werke von ihr vorlesen zu lassen. Helene und die später nachgekommene Martha versuchten die beständig verdrießliche Stimmung der jungen Gräfin, in der sie eine so eigenthümliche Erscheinung antrafen, zu mildern. Aristokratischen Stolz ließ sie Ada nicht fühlen. Sie war herzlich und zuvorkommend und sah beide Erscheinungen, deren Herzensgeheimnisse ihr scharfes Auge ja bald errathen hatte, oft lange mit sinnigem Forschen an und sagte, sie wollte von ihnen lernen. Aber im Uebrigen blieb sie unangeregt. Nichts machte ihr wahre Freude. Sollte sie von Italien erzählen, so begann sie theilnahmlos. Erst Graf Udo mußte sie ausdrücklich auffordern, von den schönen Gegenden, von den Kunstschätzen, vom Meer, von den bunten Sitten des Südens doch mit einem gewissen Eingehen auf die Sache zu sprechen. Der Graf ruhte nicht, Helenen die Meisterwerke des Belvedere in Rom, der Tribüne in Florenz zu schildern. Freilich konnte sie selbst darüber mitsprechen, als wenn sie mit in Italien gewesen wäre. Pflegte doch ihr Vater sich Abends oder im Atelier, während sie eine Handarbeit hatte, häkelte oder strickte, über seine Jugendeindrücke, sein Erlebtes oder Gesehenes zu ergehen oder sich, wenn seine Augen ermüdet waren, aus einem kunsthistorischen neuern Werke von ihr vorlesen zu lassen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0285" n="279"/> <p> Helene und die später nachgekommene Martha versuchten die beständig verdrießliche Stimmung der jungen Gräfin, in der sie eine so eigenthümliche Erscheinung antrafen, zu mildern. Aristokratischen Stolz ließ sie Ada nicht fühlen. Sie war herzlich und zuvorkommend und sah beide Erscheinungen, deren Herzensgeheimnisse ihr scharfes Auge ja bald errathen hatte, oft lange mit sinnigem Forschen an und sagte, sie wollte von ihnen lernen. Aber im Uebrigen blieb sie unangeregt. Nichts machte ihr wahre Freude. Sollte sie von Italien erzählen, so begann sie theilnahmlos. Erst Graf Udo mußte sie ausdrücklich auffordern, von den schönen Gegenden, von den Kunstschätzen, vom Meer, von den bunten Sitten des Südens doch mit einem gewissen Eingehen auf die Sache zu sprechen. Der Graf ruhte nicht, Helenen die Meisterwerke des Belvedere in Rom, der <ref xml:id="TEXTTribueneinFlorenz" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLTribueneinFlorenz">Tribüne in Florenz</ref> zu schildern. Freilich konnte sie selbst darüber mitsprechen, als wenn sie mit in Italien gewesen wäre. Pflegte doch ihr Vater sich Abends oder im Atelier, während sie eine Handarbeit hatte, häkelte oder strickte, über seine Jugendeindrücke, sein Erlebtes oder Gesehenes zu ergehen oder sich, wenn seine Augen ermüdet waren, aus einem kunsthistorischen neuern Werke von ihr vorlesen zu lassen.</p> </div> </body> </text> </TEI> [279/0285]
Helene und die später nachgekommene Martha versuchten die beständig verdrießliche Stimmung der jungen Gräfin, in der sie eine so eigenthümliche Erscheinung antrafen, zu mildern. Aristokratischen Stolz ließ sie Ada nicht fühlen. Sie war herzlich und zuvorkommend und sah beide Erscheinungen, deren Herzensgeheimnisse ihr scharfes Auge ja bald errathen hatte, oft lange mit sinnigem Forschen an und sagte, sie wollte von ihnen lernen. Aber im Uebrigen blieb sie unangeregt. Nichts machte ihr wahre Freude. Sollte sie von Italien erzählen, so begann sie theilnahmlos. Erst Graf Udo mußte sie ausdrücklich auffordern, von den schönen Gegenden, von den Kunstschätzen, vom Meer, von den bunten Sitten des Südens doch mit einem gewissen Eingehen auf die Sache zu sprechen. Der Graf ruhte nicht, Helenen die Meisterwerke des Belvedere in Rom, der Tribüne in Florenz zu schildern. Freilich konnte sie selbst darüber mitsprechen, als wenn sie mit in Italien gewesen wäre. Pflegte doch ihr Vater sich Abends oder im Atelier, während sie eine Handarbeit hatte, häkelte oder strickte, über seine Jugendeindrücke, sein Erlebtes oder Gesehenes zu ergehen oder sich, wenn seine Augen ermüdet waren, aus einem kunsthistorischen neuern Werke von ihr vorlesen zu lassen.
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