Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.geliebt hatte. Ohne daß sie je dem Manne, dem ihre Seele gehörte, eine Zeile geschrieben, beschäftigte sie sich immer mit ihm, ja erinnerte sich immer alles dessen, was ihr der sympathische Freund über dies und das, sogar z. B. über den Pastor Siegfried gesagt hatte. Sie wandte es sogleich beim Pfarrer Merkus an. Diesem geistlichen Herrn räumte die alte Gräfin in der That zuviel Uebergewicht ein, so daß die junge dadurch gereizt werden konnte. Ada tadelte seine Predigten, sie fand diese zu lang, zu abgezirkelt, just "wie seinen Garten". Da wollte er sinnig erscheinen, zart; es sei aber Alles geschmacklos! Sie beschuldigte ihn, sich nicht genug um die Zustände seiner Gemeinde zu bekümmern, und sagte ihm das in's Gesicht hinein. Sein innerstes Herz, wagte das junge Wesen herauszuplatzen, sei so durchaus weltlich, daß er nur durch seinen schwarzen Talar an sein Amt erinnert würde! Es wurde dergleichen im Scherzton gesprochen, aber der Mann zählte im ganzen Umkreise zu den Führern der Frommen, und behielt Alles. Als Ada behauptete, ein Pfarrer müßte sich um alle Zustände seiner Gemeinde bekümmern, fuhr er bereits giftig auf und sagte: Frau Gräfin, Sie verlangen wohl gar, daß ich mich als erster Spritzenmann einstelle, wenn eine Scheuer brennt? Ja! sagte Ada fest und bestimmt, das verlang' ich! und ließ so die Sache einstweilen abgemacht sein. geliebt hatte. Ohne daß sie je dem Manne, dem ihre Seele gehörte, eine Zeile geschrieben, beschäftigte sie sich immer mit ihm, ja erinnerte sich immer alles dessen, was ihr der sympathische Freund über dies und das, sogar z. B. über den Pastor Siegfried gesagt hatte. Sie wandte es sogleich beim Pfarrer Merkus an. Diesem geistlichen Herrn räumte die alte Gräfin in der That zuviel Uebergewicht ein, so daß die junge dadurch gereizt werden konnte. Ada tadelte seine Predigten, sie fand diese zu lang, zu abgezirkelt, just „wie seinen Garten“. Da wollte er sinnig erscheinen, zart; es sei aber Alles geschmacklos! Sie beschuldigte ihn, sich nicht genug um die Zustände seiner Gemeinde zu bekümmern, und sagte ihm das in’s Gesicht hinein. Sein innerstes Herz, wagte das junge Wesen herauszuplatzen, sei so durchaus weltlich, daß er nur durch seinen schwarzen Talar an sein Amt erinnert würde! Es wurde dergleichen im Scherzton gesprochen, aber der Mann zählte im ganzen Umkreise zu den Führern der Frommen, und behielt Alles. Als Ada behauptete, ein Pfarrer müßte sich um alle Zustände seiner Gemeinde bekümmern, fuhr er bereits giftig auf und sagte: Frau Gräfin, Sie verlangen wohl gar, daß ich mich als erster Spritzenmann einstelle, wenn eine Scheuer brennt? Ja! sagte Ada fest und bestimmt, das verlang’ ich! und ließ so die Sache einstweilen abgemacht sein. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0284" n="278"/> geliebt hatte. Ohne daß sie je dem Manne, dem ihre Seele gehörte, eine Zeile geschrieben, beschäftigte sie sich immer mit ihm, ja erinnerte sich immer alles dessen, was ihr der sympathische Freund über dies und das, sogar z. B. über den Pastor Siegfried gesagt hatte. Sie wandte es sogleich beim Pfarrer Merkus an. Diesem geistlichen Herrn räumte die alte Gräfin in der That zuviel Uebergewicht ein, so daß die junge dadurch gereizt werden konnte. Ada tadelte seine Predigten, sie fand diese zu lang, zu abgezirkelt, just „wie seinen Garten“. Da wollte er sinnig erscheinen, zart; es sei aber Alles geschmacklos! Sie beschuldigte ihn, sich nicht genug um die Zustände seiner Gemeinde zu bekümmern, und sagte ihm das in’s Gesicht hinein. Sein innerstes Herz, wagte das junge Wesen herauszuplatzen, sei so durchaus weltlich, daß er nur durch seinen schwarzen Talar an sein Amt erinnert würde! Es wurde dergleichen im Scherzton gesprochen, aber der Mann zählte im ganzen Umkreise zu den Führern der Frommen, und behielt Alles. Als Ada behauptete, ein Pfarrer müßte sich um alle Zustände seiner Gemeinde bekümmern, fuhr er bereits giftig auf und sagte: Frau Gräfin, Sie verlangen wohl gar, daß ich mich als erster Spritzenmann einstelle, wenn eine Scheuer brennt? Ja! sagte Ada fest und bestimmt, das verlang’ ich! und ließ so die Sache einstweilen abgemacht sein.</p> </div> </body> </text> </TEI> [278/0284]
geliebt hatte. Ohne daß sie je dem Manne, dem ihre Seele gehörte, eine Zeile geschrieben, beschäftigte sie sich immer mit ihm, ja erinnerte sich immer alles dessen, was ihr der sympathische Freund über dies und das, sogar z. B. über den Pastor Siegfried gesagt hatte. Sie wandte es sogleich beim Pfarrer Merkus an. Diesem geistlichen Herrn räumte die alte Gräfin in der That zuviel Uebergewicht ein, so daß die junge dadurch gereizt werden konnte. Ada tadelte seine Predigten, sie fand diese zu lang, zu abgezirkelt, just „wie seinen Garten“. Da wollte er sinnig erscheinen, zart; es sei aber Alles geschmacklos! Sie beschuldigte ihn, sich nicht genug um die Zustände seiner Gemeinde zu bekümmern, und sagte ihm das in’s Gesicht hinein. Sein innerstes Herz, wagte das junge Wesen herauszuplatzen, sei so durchaus weltlich, daß er nur durch seinen schwarzen Talar an sein Amt erinnert würde! Es wurde dergleichen im Scherzton gesprochen, aber der Mann zählte im ganzen Umkreise zu den Führern der Frommen, und behielt Alles. Als Ada behauptete, ein Pfarrer müßte sich um alle Zustände seiner Gemeinde bekümmern, fuhr er bereits giftig auf und sagte: Frau Gräfin, Sie verlangen wohl gar, daß ich mich als erster Spritzenmann einstelle, wenn eine Scheuer brennt? Ja! sagte Ada fest und bestimmt, das verlang’ ich! und ließ so die Sache einstweilen abgemacht sein.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/284>, abgerufen am 23.07.2024. |