Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Takte gelingen. Und die gute Dame verlangte für Alles, was sie gab, Nichts als Theilnahme, Nichts als Nachfrage nach ihren kleinen Leiden. Sie hatte den einseitigen Gesichtsschmerz, den Tic douloureux, eine Krankheit der vornehmen Damen oder solcher, die dafür genommen sein wollen. Die Generalin, das einzige störende Element im Schlosse, war abgereist. Das war denn wahrlich eine Wohlthat für die ganze Gesellschaft. Auch für Ada konnte an manchem der jetzt schon bei Licht zugebrachten Abende (man ging im Schlosse spät zur Ruhe) das dritte Wort lauten: Aber Mama, wenn Du nur endlich nach Hause reisen wolltest! Du bist wieder unausstehlich! Und sie war es in der That. Die Art, wie sich diese Frau gab, forderte Jeden heraus. Ob nun Pfarrer Merkus oder die Verwalter oder einige Adlige der Umgegend oder die Bewohner des Schlosses die zunächst Betheiligten waren - einerlei. Der frühere Besitzer des Schlosses hatte ihren Mann, ihren "Halt im Leben", den Ursprung ihres Glanzes, den Freiherrn Ludwig Lothar Wilderich v. Forbeck auf Forbeck (einem Ort, der im Monde existirte) todtgeschossen, so sollte sich nun auch Alles hier vor ihr beugen. Sie unterhandelte wohl, sie sagte: Ich will ja nur meine Jahre, meine Erfahrung, mein Urtheil anerkannt sehen! Ada bestritt aber alle Takte gelingen. Und die gute Dame verlangte für Alles, was sie gab, Nichts als Theilnahme, Nichts als Nachfrage nach ihren kleinen Leiden. Sie hatte den einseitigen Gesichtsschmerz, den Tic douloureux, eine Krankheit der vornehmen Damen oder solcher, die dafür genommen sein wollen. Die Generalin, das einzige störende Element im Schlosse, war abgereist. Das war denn wahrlich eine Wohlthat für die ganze Gesellschaft. Auch für Ada konnte an manchem der jetzt schon bei Licht zugebrachten Abende (man ging im Schlosse spät zur Ruhe) das dritte Wort lauten: Aber Mama, wenn Du nur endlich nach Hause reisen wolltest! Du bist wieder unausstehlich! Und sie war es in der That. Die Art, wie sich diese Frau gab, forderte Jeden heraus. Ob nun Pfarrer Merkus oder die Verwalter oder einige Adlige der Umgegend oder die Bewohner des Schlosses die zunächst Betheiligten waren – einerlei. Der frühere Besitzer des Schlosses hatte ihren Mann, ihren „Halt im Leben“, den Ursprung ihres Glanzes, den Freiherrn Ludwig Lothar Wilderich v. Forbeck auf Forbeck (einem Ort, der im Monde existirte) todtgeschossen, so sollte sich nun auch Alles hier vor ihr beugen. Sie unterhandelte wohl, sie sagte: Ich will ja nur meine Jahre, meine Erfahrung, mein Urtheil anerkannt sehen! Ada bestritt aber alle <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0280" n="274"/> Takte gelingen. Und die gute Dame verlangte für Alles, was sie gab, Nichts als Theilnahme, Nichts als Nachfrage nach ihren kleinen Leiden. Sie hatte <ref xml:id="TEXTdeneinseitigenBISDamen" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLdeneinseitigenBISDamen">den einseitigen Gesichtsschmerz, den <hi rendition="#aq">Tic douloureux</hi>, eine Krankheit der vornehmen Damen</ref> oder solcher, die dafür genommen sein wollen.</p> <p>Die Generalin, das einzige störende Element im Schlosse, war abgereist. Das war denn wahrlich eine Wohlthat für die ganze Gesellschaft. Auch für Ada konnte an manchem der jetzt schon bei Licht zugebrachten Abende (man ging im Schlosse spät zur Ruhe) das dritte Wort lauten: Aber Mama, wenn Du nur endlich nach Hause reisen wolltest! Du bist wieder unausstehlich! Und sie war es in der That. Die Art, wie sich diese Frau gab, forderte Jeden heraus. Ob nun Pfarrer Merkus oder die Verwalter oder einige Adlige der Umgegend oder die Bewohner des Schlosses die zunächst Betheiligten waren – einerlei. Der frühere Besitzer des Schlosses hatte ihren Mann, ihren „Halt im Leben“, den Ursprung ihres Glanzes, den Freiherrn Ludwig Lothar Wilderich v. Forbeck auf Forbeck (einem Ort, der im Monde existirte) todtgeschossen, so sollte sich nun auch Alles hier vor ihr beugen. Sie unterhandelte wohl, sie sagte: Ich will ja nur meine Jahre, meine Erfahrung, mein Urtheil anerkannt sehen! Ada bestritt aber alle </p> </div> </body> </text> </TEI> [274/0280]
Takte gelingen. Und die gute Dame verlangte für Alles, was sie gab, Nichts als Theilnahme, Nichts als Nachfrage nach ihren kleinen Leiden. Sie hatte den einseitigen Gesichtsschmerz, den Tic douloureux, eine Krankheit der vornehmen Damen oder solcher, die dafür genommen sein wollen.
Die Generalin, das einzige störende Element im Schlosse, war abgereist. Das war denn wahrlich eine Wohlthat für die ganze Gesellschaft. Auch für Ada konnte an manchem der jetzt schon bei Licht zugebrachten Abende (man ging im Schlosse spät zur Ruhe) das dritte Wort lauten: Aber Mama, wenn Du nur endlich nach Hause reisen wolltest! Du bist wieder unausstehlich! Und sie war es in der That. Die Art, wie sich diese Frau gab, forderte Jeden heraus. Ob nun Pfarrer Merkus oder die Verwalter oder einige Adlige der Umgegend oder die Bewohner des Schlosses die zunächst Betheiligten waren – einerlei. Der frühere Besitzer des Schlosses hatte ihren Mann, ihren „Halt im Leben“, den Ursprung ihres Glanzes, den Freiherrn Ludwig Lothar Wilderich v. Forbeck auf Forbeck (einem Ort, der im Monde existirte) todtgeschossen, so sollte sich nun auch Alles hier vor ihr beugen. Sie unterhandelte wohl, sie sagte: Ich will ja nur meine Jahre, meine Erfahrung, mein Urtheil anerkannt sehen! Ada bestritt aber alle
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-02-19T12:40:43Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-02-19T12:40:43Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-2<a>)
(2014-02-19T12:40:43Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |