Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Ja was - ja was - Sie spannen - unsre Neugier -! sagte der Justizrath. Fabrikant Schindler spielte mit seiner Uhrkette. Ich soll mich, erfuhr ich, als Knabe von hier geflüchtet haben, weil ich einen Diebstahl von 3000 Thalern in einem großen Banquiergeschäft begangen hätte. Ei der Tausend! Wer behauptet denn das? fragte Luzius. Bis zur Stunde nur ein alter Onkel, Bruder meiner Mutter, ein Hospitalit, der Einzige, den ich von meiner Verwandtschaft noch am Leben angetroffen habe. Er wies mich, als ich ihn zu begrüßen kam, feierlich von sich, sagte, ich schadete ihm in seinem Hospital, wo alle alten Bürger von mir das wußten, daß ich zwar Seecapitän geworden sei, aber in meiner Jugend gestohlen hätte. Ich wäre mit dem Gelde auf und davon gegangen und würde hier eher noch nach dem Zuchthause kommen, als auf die neue Flotte -! Das ist die Bosheit des grämlichen Alters! fiel Schindler rasch ein. Man wird so hämisch im Hospital! Da schrumpfen die Herzen zusammen! Immer denken die Alten nur an ihre richtige Portion Fleisch, ihre Suppe, ihre Cigarren. Ich kenne das. Ich verwalte selbst solche Hospitäler. Uebrigens ist ja die ganze Sache verjährt - etwaige Ankläger werden längst todt sein - die Zeugen sind begraben - Ja was – ja was – Sie spannen – unsre Neugier –! sagte der Justizrath. Fabrikant Schindler spielte mit seiner Uhrkette. Ich soll mich, erfuhr ich, als Knabe von hier geflüchtet haben, weil ich einen Diebstahl von 3000 Thalern in einem großen Banquiergeschäft begangen hätte. Ei der Tausend! Wer behauptet denn das? fragte Luzius. Bis zur Stunde nur ein alter Onkel, Bruder meiner Mutter, ein Hospitalit, der Einzige, den ich von meiner Verwandtschaft noch am Leben angetroffen habe. Er wies mich, als ich ihn zu begrüßen kam, feierlich von sich, sagte, ich schadete ihm in seinem Hospital, wo alle alten Bürger von mir das wußten, daß ich zwar Seecapitän geworden sei, aber in meiner Jugend gestohlen hätte. Ich wäre mit dem Gelde auf und davon gegangen und würde hier eher noch nach dem Zuchthause kommen, als auf die neue Flotte –! Das ist die Bosheit des grämlichen Alters! fiel Schindler rasch ein. Man wird so hämisch im Hospital! Da schrumpfen die Herzen zusammen! Immer denken die Alten nur an ihre richtige Portion Fleisch, ihre Suppe, ihre Cigarren. Ich kenne das. Ich verwalte selbst solche Hospitäler. Uebrigens ist ja die ganze Sache verjährt – etwaige Ankläger werden längst todt sein – die Zeugen sind begraben – <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0266" n="260"/> <p> Ja was – ja was – Sie spannen – unsre Neugier –! sagte der Justizrath.</p> <p>Fabrikant Schindler spielte mit seiner Uhrkette.</p> <p>Ich soll mich, erfuhr ich, als Knabe von hier geflüchtet haben, weil ich einen Diebstahl von 3000 Thalern in einem großen Banquiergeschäft begangen hätte.</p> <p>Ei der Tausend! Wer behauptet denn das? fragte Luzius. </p> <p>Bis zur Stunde nur ein alter Onkel, Bruder meiner Mutter, ein <ref xml:id="TEXTHospitalit" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLHospitalit">Hospitalit</ref>, der Einzige, den ich von meiner Verwandtschaft noch am Leben angetroffen habe. Er wies mich, als ich ihn zu begrüßen kam, feierlich von sich, sagte, ich schadete ihm in seinem Hospital, wo alle alten Bürger von mir das wußten, daß ich zwar Seecapitän geworden sei, aber in meiner Jugend gestohlen hätte. Ich wäre mit dem Gelde auf und davon gegangen und würde hier eher noch nach dem Zuchthause kommen, als auf die neue Flotte –!</p> <p>Das ist die Bosheit des grämlichen Alters! fiel Schindler rasch ein. Man wird so hämisch im Hospital! Da schrumpfen die Herzen zusammen! Immer denken die Alten nur an ihre richtige Portion Fleisch, ihre Suppe, ihre Cigarren. Ich kenne das. Ich verwalte selbst solche Hospitäler. Uebrigens ist ja die ganze Sache verjährt – etwaige Ankläger werden längst todt sein – die Zeugen sind begraben –</p> </div> </body> </text> </TEI> [260/0266]
Ja was – ja was – Sie spannen – unsre Neugier –! sagte der Justizrath.
Fabrikant Schindler spielte mit seiner Uhrkette.
Ich soll mich, erfuhr ich, als Knabe von hier geflüchtet haben, weil ich einen Diebstahl von 3000 Thalern in einem großen Banquiergeschäft begangen hätte.
Ei der Tausend! Wer behauptet denn das? fragte Luzius.
Bis zur Stunde nur ein alter Onkel, Bruder meiner Mutter, ein Hospitalit, der Einzige, den ich von meiner Verwandtschaft noch am Leben angetroffen habe. Er wies mich, als ich ihn zu begrüßen kam, feierlich von sich, sagte, ich schadete ihm in seinem Hospital, wo alle alten Bürger von mir das wußten, daß ich zwar Seecapitän geworden sei, aber in meiner Jugend gestohlen hätte. Ich wäre mit dem Gelde auf und davon gegangen und würde hier eher noch nach dem Zuchthause kommen, als auf die neue Flotte –!
Das ist die Bosheit des grämlichen Alters! fiel Schindler rasch ein. Man wird so hämisch im Hospital! Da schrumpfen die Herzen zusammen! Immer denken die Alten nur an ihre richtige Portion Fleisch, ihre Suppe, ihre Cigarren. Ich kenne das. Ich verwalte selbst solche Hospitäler. Uebrigens ist ja die ganze Sache verjährt – etwaige Ankläger werden längst todt sein – die Zeugen sind begraben –
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-02-19T12:40:43Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-02-19T12:40:43Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-2<a>)
(2014-02-19T12:40:43Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |