Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Edwina blickte sehr düster. Bei der Erinnerung an die Matrone hielt sie die Hand vor die Angen und schien eine Thräne verbergen zu wollen. Was ich begraben mußte, sprach sie dumpf und düster, das kann mir kein Mensch wiedergeben! Der Fürst ehrte ihr Schweigen. Er hatte von dem eigenthümlichen Verkehr zwischen Vater und Tochter gehört. In frivolen Kreisen sagten Menschen wie Forbeck: Pah, sie wird sich dem alten Graubart auf den Schooß gesetzt, ihm die Backen gestreichelt, für jeden Bonbon einen Kuß gegeben haben! Was thut dergleichen, wenn's gern geschieht! Auch das Andere erschütterte Edwina, daß sie schon bei dem letzten gescheiterten Versuch, ein weibliches Wesen, Martha Ehlerdt, zu gewinnen, in sich hatte einen Unkenton erklingen hören: Hinunter! Hinunter! Das hörte sie nun schon wieder. Das Leben und die Menschen haben sich wider dich verschworen! raunte ihr eine Stimme zu wie von einer Eule, die sie nicht sah. Nach einer Weile, wo der Fürst nahe daran war, seine Knie zu beugen, sagte sie: Ich werde die Gräfin nicht betrüben! Ich bin kein schlechter Charakter! Mein Pflegevater beschwor es einst, daß ich sein Kind bin! Ich will ihn auch nicht meineidig machen! Es sagt mir aber eine Stimme: Warum soll ewig die Schwäche gehätschelt, Edwina blickte sehr düster. Bei der Erinnerung an die Matrone hielt sie die Hand vor die Angen und schien eine Thräne verbergen zu wollen. Was ich begraben mußte, sprach sie dumpf und düster, das kann mir kein Mensch wiedergeben! Der Fürst ehrte ihr Schweigen. Er hatte von dem eigenthümlichen Verkehr zwischen Vater und Tochter gehört. In frivolen Kreisen sagten Menschen wie Forbeck: Pah, sie wird sich dem alten Graubart auf den Schooß gesetzt, ihm die Backen gestreichelt, für jeden Bonbon einen Kuß gegeben haben! Was thut dergleichen, wenn’s gern geschieht! Auch das Andere erschütterte Edwina, daß sie schon bei dem letzten gescheiterten Versuch, ein weibliches Wesen, Martha Ehlerdt, zu gewinnen, in sich hatte einen Unkenton erklingen hören: Hinunter! Hinunter! Das hörte sie nun schon wieder. Das Leben und die Menschen haben sich wider dich verschworen! raunte ihr eine Stimme zu wie von einer Eule, die sie nicht sah. Nach einer Weile, wo der Fürst nahe daran war, seine Knie zu beugen, sagte sie: Ich werde die Gräfin nicht betrüben! Ich bin kein schlechter Charakter! Mein Pflegevater beschwor es einst, daß ich sein Kind bin! Ich will ihn auch nicht meineidig machen! Es sagt mir aber eine Stimme: Warum soll ewig die Schwäche gehätschelt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0247" n="220"/> <p>Edwina blickte sehr düster. Bei der Erinnerung an die Matrone hielt sie die Hand vor die Angen und schien eine Thräne verbergen zu wollen. Was ich begraben mußte, sprach sie dumpf und düster, das kann mir kein Mensch wiedergeben!</p> <p>Der Fürst ehrte ihr Schweigen. Er hatte von dem eigenthümlichen Verkehr zwischen Vater und Tochter gehört. In frivolen Kreisen sagten Menschen wie Forbeck: Pah, sie wird sich dem alten Graubart auf den Schooß gesetzt, ihm die Backen gestreichelt, für jeden Bonbon einen Kuß gegeben haben! Was thut dergleichen, wenn’s gern geschieht!</p> <p>Auch das Andere erschütterte Edwina, daß sie schon bei dem letzten gescheiterten Versuch, ein weibliches Wesen, Martha Ehlerdt, zu gewinnen, in sich hatte einen Unkenton erklingen hören: Hinunter! Hinunter! Das hörte sie nun schon wieder. Das Leben und die Menschen haben sich wider dich verschworen! raunte ihr eine Stimme zu wie von einer Eule, die sie nicht sah.</p> <p>Nach einer Weile, wo der Fürst nahe daran war, seine Knie zu beugen, sagte sie: Ich werde die Gräfin nicht betrüben! Ich bin kein schlechter Charakter! Mein Pflegevater beschwor es einst, daß ich sein Kind bin! Ich will ihn auch nicht meineidig machen! Es sagt mir aber eine Stimme: Warum soll ewig die Schwäche gehätschelt, </p> </div> </body> </text> </TEI> [220/0247]
Edwina blickte sehr düster. Bei der Erinnerung an die Matrone hielt sie die Hand vor die Angen und schien eine Thräne verbergen zu wollen. Was ich begraben mußte, sprach sie dumpf und düster, das kann mir kein Mensch wiedergeben!
Der Fürst ehrte ihr Schweigen. Er hatte von dem eigenthümlichen Verkehr zwischen Vater und Tochter gehört. In frivolen Kreisen sagten Menschen wie Forbeck: Pah, sie wird sich dem alten Graubart auf den Schooß gesetzt, ihm die Backen gestreichelt, für jeden Bonbon einen Kuß gegeben haben! Was thut dergleichen, wenn’s gern geschieht!
Auch das Andere erschütterte Edwina, daß sie schon bei dem letzten gescheiterten Versuch, ein weibliches Wesen, Martha Ehlerdt, zu gewinnen, in sich hatte einen Unkenton erklingen hören: Hinunter! Hinunter! Das hörte sie nun schon wieder. Das Leben und die Menschen haben sich wider dich verschworen! raunte ihr eine Stimme zu wie von einer Eule, die sie nicht sah.
Nach einer Weile, wo der Fürst nahe daran war, seine Knie zu beugen, sagte sie: Ich werde die Gräfin nicht betrüben! Ich bin kein schlechter Charakter! Mein Pflegevater beschwor es einst, daß ich sein Kind bin! Ich will ihn auch nicht meineidig machen! Es sagt mir aber eine Stimme: Warum soll ewig die Schwäche gehätschelt,
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/247>, abgerufen am 23.07.2024. |