Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Der Tiefbewegte wollte von Wolnys Hülfe sprechen. Seine Worte verklangen aber. Schon las der Fürst die sanfte Sprache der Verwandten seines Hauses. Weichen Empfindungen war sein Gemüth nicht unzugänglich. Er hatte immer dieselben Diener zur Umgebung schon seit Jahren. Wie ein eigensinniges Kind sträubte er sich gegen jede neue Wärterin. Dieser Eigensinn wurde ihm von einer weichen nicht mehr lebenden Mutter als das Gemüth eines Heiligen angerechnet. Aber der rechte Ehrgeiz, der Schwung für männliche Bewährung fehlte ihm und im Grunde auch für die Musik, die er sich doch als Lebensberuf gewählt hatte. Alles trieb er Anfangs stürmisch, dann lässig. Consequenz und Geduld nahm er sogar für unerlaubten Uebereifer. Seine Hauptbeschäftigung galt seiner Person, seinen nervösen Zuständen, dem Fehler zwischen Milz und Leber, seiner Gesichtsfarbe, vorzugsweise dem Genius, der in ihm wohnte, und dem Geisterreiche der Unsterblichkeit, das möglicherweise doch mit ihm in Verbindung stände. Mystisches war ihm werthvoller, als Aufklärung. Ja, er haßte diese letztere, und pries Naturzustände glücklich. Seine Partei, die musikalische Zukunftspartei, die sich jedoch schon durch unerlaubte Gewaltstreiche eines Theils der Gegenwart bemächtigt hat, war über seine Indolenz außer sich. Der Tiefbewegte wollte von Wolnys Hülfe sprechen. Seine Worte verklangen aber. Schon las der Fürst die sanfte Sprache der Verwandten seines Hauses. Weichen Empfindungen war sein Gemüth nicht unzugänglich. Er hatte immer dieselben Diener zur Umgebung schon seit Jahren. Wie ein eigensinniges Kind sträubte er sich gegen jede neue Wärterin. Dieser Eigensinn wurde ihm von einer weichen nicht mehr lebenden Mutter als das Gemüth eines Heiligen angerechnet. Aber der rechte Ehrgeiz, der Schwung für männliche Bewährung fehlte ihm und im Grunde auch für die Musik, die er sich doch als Lebensberuf gewählt hatte. Alles trieb er Anfangs stürmisch, dann lässig. Consequenz und Geduld nahm er sogar für unerlaubten Uebereifer. Seine Hauptbeschäftigung galt seiner Person, seinen nervösen Zuständen, dem Fehler zwischen Milz und Leber, seiner Gesichtsfarbe, vorzugsweise dem Genius, der in ihm wohnte, und dem Geisterreiche der Unsterblichkeit, das möglicherweise doch mit ihm in Verbindung stände. Mystisches war ihm werthvoller, als Aufklärung. Ja, er haßte diese letztere, und pries Naturzustände glücklich. Seine Partei, die musikalische Zukunftspartei, die sich jedoch schon durch unerlaubte Gewaltstreiche eines Theils der Gegenwart bemächtigt hat, war über seine Indolenz außer sich. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0232" n="226"/> <p> Der Tiefbewegte wollte von Wolnys Hülfe sprechen. Seine Worte verklangen aber.</p> <p>Schon las der Fürst die sanfte Sprache der Verwandten seines Hauses. Weichen Empfindungen war sein Gemüth nicht unzugänglich. Er hatte immer dieselben Diener zur Umgebung schon seit Jahren. Wie ein eigensinniges Kind sträubte er sich gegen jede neue Wärterin. Dieser Eigensinn wurde ihm von einer weichen nicht mehr lebenden Mutter als das Gemüth eines Heiligen angerechnet. Aber der rechte Ehrgeiz, der Schwung für männliche Bewährung fehlte ihm und im Grunde auch für die Musik, die er sich doch als Lebensberuf gewählt hatte. Alles trieb er Anfangs stürmisch, dann lässig. Consequenz und Geduld nahm er sogar für unerlaubten Uebereifer. Seine Hauptbeschäftigung galt seiner Person, seinen nervösen Zuständen, dem Fehler zwischen Milz und Leber, seiner Gesichtsfarbe, vorzugsweise dem Genius, der in ihm wohnte, und dem Geisterreiche der Unsterblichkeit, das möglicherweise doch mit ihm in Verbindung stände. Mystisches war ihm werthvoller, als Aufklärung. Ja, er haßte diese letztere, und pries Naturzustände glücklich. Seine Partei, die musikalische Zukunftspartei, die sich jedoch schon durch unerlaubte Gewaltstreiche eines Theils der Gegenwart bemächtigt hat, war über seine Indolenz außer sich. </p> </div> </body> </text> </TEI> [226/0232]
Der Tiefbewegte wollte von Wolnys Hülfe sprechen. Seine Worte verklangen aber.
Schon las der Fürst die sanfte Sprache der Verwandten seines Hauses. Weichen Empfindungen war sein Gemüth nicht unzugänglich. Er hatte immer dieselben Diener zur Umgebung schon seit Jahren. Wie ein eigensinniges Kind sträubte er sich gegen jede neue Wärterin. Dieser Eigensinn wurde ihm von einer weichen nicht mehr lebenden Mutter als das Gemüth eines Heiligen angerechnet. Aber der rechte Ehrgeiz, der Schwung für männliche Bewährung fehlte ihm und im Grunde auch für die Musik, die er sich doch als Lebensberuf gewählt hatte. Alles trieb er Anfangs stürmisch, dann lässig. Consequenz und Geduld nahm er sogar für unerlaubten Uebereifer. Seine Hauptbeschäftigung galt seiner Person, seinen nervösen Zuständen, dem Fehler zwischen Milz und Leber, seiner Gesichtsfarbe, vorzugsweise dem Genius, der in ihm wohnte, und dem Geisterreiche der Unsterblichkeit, das möglicherweise doch mit ihm in Verbindung stände. Mystisches war ihm werthvoller, als Aufklärung. Ja, er haßte diese letztere, und pries Naturzustände glücklich. Seine Partei, die musikalische Zukunftspartei, die sich jedoch schon durch unerlaubte Gewaltstreiche eines Theils der Gegenwart bemächtigt hat, war über seine Indolenz außer sich.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/232 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/232>, abgerufen am 27.07.2024. |