Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.begegnen, ihn aufzusuchen, ihn würdig zum Leben zu stellen. Jetzt hat diese Stimmung vollständig aufgehört. Alles nach dieser Richtung hin ist leerer Schein! Zufällige Patronage! Nichts geht aus einem hohen Princip hervor! Wenn noch die Großen Dichter und Musiker beschützen, so wollen sie nur Bewunderung für sich selbst haben. Das sehen Sie ja an unserem Prinzen Narziß! Nie hat man etwas anderes an Kunstprotection von dem Manne vernommen, als daß er an Sängerinnen, die seine Lieder sangen, Brochen und Armbänder vertheilte! Der wahre Genius von heute strebt sich auszudehnen in die Weite, er strebt nicht nach oben. Poeten und Künstler, die mit Orden behangen sind, machen mir einen bedenklichen Eindruck. Denn Jedermann weiß ja, daß diese Auszeichnungen nur durch vorausgegangene schmeichelnde Schritte des Empfängers möglich gemacht wurden und bei einigen der Geber ganz besonders auch noch ein Arbeiten für die Interessen derselben voraussetzen lassen. Der Hofmaler ließ die peinliche Stille, die hierauf eintrat, nicht zu lange andauern. Er fühlte sich persönlich getroffen und sagte, mit einem scharfen Blick auf den letzten Sprecher: Sie vergessen, daß die Ordensertheilung zwar wie eine persönliche Gnade des Fürsten herauskommt, aber in den meisten Fällen eine staatlich eingerichtete, behördliche Vorrichtung zur Anerkennung begegnen, ihn aufzusuchen, ihn würdig zum Leben zu stellen. Jetzt hat diese Stimmung vollständig aufgehört. Alles nach dieser Richtung hin ist leerer Schein! Zufällige Patronage! Nichts geht aus einem hohen Princip hervor! Wenn noch die Großen Dichter und Musiker beschützen, so wollen sie nur Bewunderung für sich selbst haben. Das sehen Sie ja an unserem Prinzen Narziß! Nie hat man etwas anderes an Kunstprotection von dem Manne vernommen, als daß er an Sängerinnen, die seine Lieder sangen, Brochen und Armbänder vertheilte! Der wahre Genius von heute strebt sich auszudehnen in die Weite, er strebt nicht nach oben. Poeten und Künstler, die mit Orden behangen sind, machen mir einen bedenklichen Eindruck. Denn Jedermann weiß ja, daß diese Auszeichnungen nur durch vorausgegangene schmeichelnde Schritte des Empfängers möglich gemacht wurden und bei einigen der Geber ganz besonders auch noch ein Arbeiten für die Interessen derselben voraussetzen lassen. Der Hofmaler ließ die peinliche Stille, die hierauf eintrat, nicht zu lange andauern. Er fühlte sich persönlich getroffen und sagte, mit einem scharfen Blick auf den letzten Sprecher: Sie vergessen, daß die Ordensertheilung zwar wie eine persönliche Gnade des Fürsten herauskommt, aber in den meisten Fällen eine staatlich eingerichtete, behördliche Vorrichtung zur Anerkennung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0211" n="205"/> begegnen, ihn aufzusuchen, ihn würdig zum Leben zu stellen. Jetzt hat diese Stimmung vollständig aufgehört. Alles nach dieser Richtung hin ist leerer Schein! Zufällige Patronage! Nichts geht aus einem hohen Princip hervor! Wenn noch die Großen Dichter und Musiker beschützen, so wollen sie nur Bewunderung für sich selbst haben. Das sehen Sie ja an unserem Prinzen Narziß! Nie hat man etwas anderes an Kunstprotection von dem Manne vernommen, als daß er an Sängerinnen, die seine Lieder sangen, Brochen und Armbänder vertheilte! Der wahre Genius von heute strebt sich auszudehnen in die Weite, er strebt nicht nach oben. Poeten und Künstler, die mit Orden behangen sind, machen mir einen bedenklichen Eindruck. Denn Jedermann weiß ja, daß diese Auszeichnungen nur durch vorausgegangene schmeichelnde Schritte des Empfängers möglich gemacht wurden und bei einigen der Geber ganz besonders auch noch ein Arbeiten für die Interessen derselben voraussetzen lassen.</p> <p>Der Hofmaler ließ die peinliche Stille, die hierauf eintrat, nicht zu lange andauern. Er fühlte sich persönlich getroffen und sagte, mit einem scharfen Blick auf den letzten Sprecher: Sie vergessen, daß die Ordensertheilung zwar wie eine persönliche Gnade des Fürsten herauskommt, aber in den meisten Fällen eine staatlich eingerichtete, behördliche Vorrichtung zur Anerkennung </p> </div> </body> </text> </TEI> [205/0211]
begegnen, ihn aufzusuchen, ihn würdig zum Leben zu stellen. Jetzt hat diese Stimmung vollständig aufgehört. Alles nach dieser Richtung hin ist leerer Schein! Zufällige Patronage! Nichts geht aus einem hohen Princip hervor! Wenn noch die Großen Dichter und Musiker beschützen, so wollen sie nur Bewunderung für sich selbst haben. Das sehen Sie ja an unserem Prinzen Narziß! Nie hat man etwas anderes an Kunstprotection von dem Manne vernommen, als daß er an Sängerinnen, die seine Lieder sangen, Brochen und Armbänder vertheilte! Der wahre Genius von heute strebt sich auszudehnen in die Weite, er strebt nicht nach oben. Poeten und Künstler, die mit Orden behangen sind, machen mir einen bedenklichen Eindruck. Denn Jedermann weiß ja, daß diese Auszeichnungen nur durch vorausgegangene schmeichelnde Schritte des Empfängers möglich gemacht wurden und bei einigen der Geber ganz besonders auch noch ein Arbeiten für die Interessen derselben voraussetzen lassen.
Der Hofmaler ließ die peinliche Stille, die hierauf eintrat, nicht zu lange andauern. Er fühlte sich persönlich getroffen und sagte, mit einem scharfen Blick auf den letzten Sprecher: Sie vergessen, daß die Ordensertheilung zwar wie eine persönliche Gnade des Fürsten herauskommt, aber in den meisten Fällen eine staatlich eingerichtete, behördliche Vorrichtung zur Anerkennung
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/211 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/211>, abgerufen am 23.07.2024. |