Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.eine Richard Wagner'sche Idee, - aber was verlangt sie nicht Alles! Die Erziehung, die Gesellschaft, die ganze Richtung des Staates, seine Politik nach innen und außen müssen einzig und allein auf die Wahrung dieser vor einigen Jahren märchenhaften Errungenschaft verwendet werden! Wollen Sie diesen Siegesjubel, diesen Rausch der Freude und des Stolzes über Thaten, die in der Geschichte ohne Beispiel sind, nicht einen Factor unseres Daseins nennen, der Alles durchdringen, aller Empfindung ihre leuchtende und verklärende Färbung geben, Dichter, Künstler begeistern, ja selbst Begriffe modeln kann? Wo ist eine Partei, sie mag verfolgen, was sie wolle, die auch nur wagt, die Idee des deutschen Reiches nicht an die Spitze ihres Programms zu stellen, auch wenn sie dabei lügt wie die Ultramontanen? Hier muß es ein Urnothwendiges, folglich wenigstens für die Deutschen eine große Zeitidee geben! Ja, ja, fiel Triesel mit überraschender Ironie ein - der sonst vorsichtige Conservative hatte heute einen freisinnigen Tag - und darum verlangt auch jetzt die Kritik, daß man selbst bei einer Mondscheinlandschaft die Zusammengehörigkeit mit der Reichsidee anbringen soll! Bemerkt man diese nicht, so wird sie zum mindesten todtgeschwiegen. Insofern herrscht allerdings eine große Idee - nämlich in einigen mehr oder minder bezahlten Journalen -! eine Richard Wagner’sche Idee, – aber was verlangt sie nicht Alles! Die Erziehung, die Gesellschaft, die ganze Richtung des Staates, seine Politik nach innen und außen müssen einzig und allein auf die Wahrung dieser vor einigen Jahren märchenhaften Errungenschaft verwendet werden! Wollen Sie diesen Siegesjubel, diesen Rausch der Freude und des Stolzes über Thaten, die in der Geschichte ohne Beispiel sind, nicht einen Factor unseres Daseins nennen, der Alles durchdringen, aller Empfindung ihre leuchtende und verklärende Färbung geben, Dichter, Künstler begeistern, ja selbst Begriffe modeln kann? Wo ist eine Partei, sie mag verfolgen, was sie wolle, die auch nur wagt, die Idee des deutschen Reiches nicht an die Spitze ihres Programms zu stellen, auch wenn sie dabei lügt wie die Ultramontanen? Hier muß es ein Urnothwendiges, folglich wenigstens für die Deutschen eine große Zeitidee geben! Ja, ja, fiel Triesel mit überraschender Ironie ein – der sonst vorsichtige Conservative hatte heute einen freisinnigen Tag – und darum verlangt auch jetzt die Kritik, daß man selbst bei einer Mondscheinlandschaft die Zusammengehörigkeit mit der Reichsidee anbringen soll! Bemerkt man diese nicht, so wird sie zum mindesten todtgeschwiegen. Insofern herrscht allerdings eine große Idee – nämlich in einigen mehr oder minder bezahlten Journalen –! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0207" n="201"/> eine <ref xml:id="TEXTRichardBISIdee" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERL">Richard Wagner’sche Idee</ref>, – aber was verlangt sie nicht Alles! Die Erziehung, die Gesellschaft, die ganze Richtung des Staates, seine Politik nach innen und außen müssen einzig und allein auf die Wahrung dieser vor einigen Jahren märchenhaften Errungenschaft verwendet werden! Wollen Sie diesen Siegesjubel, diesen Rausch der Freude und des Stolzes über Thaten, die in der Geschichte ohne Beispiel sind, nicht einen Factor unseres Daseins nennen, der Alles durchdringen, aller Empfindung ihre leuchtende und verklärende Färbung geben, Dichter, Künstler begeistern, ja selbst Begriffe modeln kann? Wo ist eine Partei, sie mag verfolgen, was sie wolle, die auch nur wagt, die Idee des deutschen Reiches nicht an die Spitze ihres Programms zu stellen, <ref xml:id="TEXTauchwennBISUltramontanen" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLauchwennBISUltramontanen">auch wenn sie dabei lügt wie die Ultramontanen? </ref> Hier muß es ein Urnothwendiges, folglich wenigstens für die Deutschen eine große Zeitidee geben!</p> <p>Ja, ja, fiel Triesel mit überraschender Ironie ein – der sonst vorsichtige Conservative hatte heute einen freisinnigen Tag – und darum verlangt auch jetzt die Kritik, daß man selbst bei einer Mondscheinlandschaft die Zusammengehörigkeit mit der Reichsidee anbringen soll! Bemerkt man diese nicht, so wird sie zum mindesten todtgeschwiegen. Insofern herrscht allerdings eine große Idee – nämlich in einigen mehr oder minder bezahlten Journalen –!</p> </div> </body> </text> </TEI> [201/0207]
eine Richard Wagner’sche Idee, – aber was verlangt sie nicht Alles! Die Erziehung, die Gesellschaft, die ganze Richtung des Staates, seine Politik nach innen und außen müssen einzig und allein auf die Wahrung dieser vor einigen Jahren märchenhaften Errungenschaft verwendet werden! Wollen Sie diesen Siegesjubel, diesen Rausch der Freude und des Stolzes über Thaten, die in der Geschichte ohne Beispiel sind, nicht einen Factor unseres Daseins nennen, der Alles durchdringen, aller Empfindung ihre leuchtende und verklärende Färbung geben, Dichter, Künstler begeistern, ja selbst Begriffe modeln kann? Wo ist eine Partei, sie mag verfolgen, was sie wolle, die auch nur wagt, die Idee des deutschen Reiches nicht an die Spitze ihres Programms zu stellen, auch wenn sie dabei lügt wie die Ultramontanen? Hier muß es ein Urnothwendiges, folglich wenigstens für die Deutschen eine große Zeitidee geben!
Ja, ja, fiel Triesel mit überraschender Ironie ein – der sonst vorsichtige Conservative hatte heute einen freisinnigen Tag – und darum verlangt auch jetzt die Kritik, daß man selbst bei einer Mondscheinlandschaft die Zusammengehörigkeit mit der Reichsidee anbringen soll! Bemerkt man diese nicht, so wird sie zum mindesten todtgeschwiegen. Insofern herrscht allerdings eine große Idee – nämlich in einigen mehr oder minder bezahlten Journalen –!
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/207>, abgerufen am 27.07.2024. |