Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.und endlich hätte sanft entschlummern können. Aber dem Aufgeregten war es heute nicht beschieden, sich diese Bilder zu malen. Es fiel ihm der Ball bei Wolny im vorigen Jahre, der nächtliche Trunk bei den Serapionsbrüdern, des Geometers Geständnißrede ein; und siehe da! er scheute die üble Deutung nicht, nahm noch den Hausschlüssel und suchte noch einmal frische Luft für seine fieberheiße Stirn, seinen beklommenen Athem. Wie dessen unbewußt, gerieth er in die bis tief in die Nacht geöffnete Stätte, wo ihm in jener Nacht der Geometer eine so ergreifende Erzählung zu hören gegeben hatte, eine Erzählung, die vielleicht durch das gegenwärtige Erscheinen jener Ungarin eine Abrundung, mindestens ein neues Moment erhielt! Er betrat das Local. Es schlug schon ein Uhr. Niemand war zugegen außer den Kellnern und dem Wirth. Diese saßen im Halbschlaf auf Stühlen und Bänken. Die Gaslampen flammten noch. Nur einen einzelnen Gast entdeckte er im halbdunkeln Serapionszimmer. Dieser saß in der dunkelsten graugrünen Ecke, wo ein Epheubaum in einem langen mit Erde gefüllten Kasten grünte. Den Kopf in die Hand gestützt, ein Glas mechanisch in der Hand haltend, blickte der Träumer tiefnachdenklich, starr und unbeweglich auf den Tisch. und endlich hätte sanft entschlummern können. Aber dem Aufgeregten war es heute nicht beschieden, sich diese Bilder zu malen. Es fiel ihm der Ball bei Wolny im vorigen Jahre, der nächtliche Trunk bei den Serapionsbrüdern, des Geometers Geständnißrede ein; und siehe da! er scheute die üble Deutung nicht, nahm noch den Hausschlüssel und suchte noch einmal frische Luft für seine fieberheiße Stirn, seinen beklommenen Athem. Wie dessen unbewußt, gerieth er in die bis tief in die Nacht geöffnete Stätte, wo ihm in jener Nacht der Geometer eine so ergreifende Erzählung zu hören gegeben hatte, eine Erzählung, die vielleicht durch das gegenwärtige Erscheinen jener Ungarin eine Abrundung, mindestens ein neues Moment erhielt! Er betrat das Local. Es schlug schon ein Uhr. Niemand war zugegen außer den Kellnern und dem Wirth. Diese saßen im Halbschlaf auf Stühlen und Bänken. Die Gaslampen flammten noch. Nur einen einzelnen Gast entdeckte er im halbdunkeln Serapionszimmer. Dieser saß in der dunkelsten graugrünen Ecke, wo ein Epheubaum in einem langen mit Erde gefüllten Kasten grünte. Den Kopf in die Hand gestützt, ein Glas mechanisch in der Hand haltend, blickte der Träumer tiefnachdenklich, starr und unbeweglich auf den Tisch. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0195" n="189"/> und endlich hätte sanft entschlummern können. Aber dem Aufgeregten war es heute nicht beschieden, sich diese Bilder zu malen. Es fiel ihm der Ball bei Wolny im vorigen Jahre, der nächtliche Trunk bei den Serapionsbrüdern, des Geometers Geständnißrede ein; und siehe da! er scheute die üble Deutung nicht, nahm noch den Hausschlüssel und suchte noch einmal frische Luft für seine fieberheiße Stirn, seinen beklommenen Athem.</p> <p>Wie dessen unbewußt, gerieth er in die bis tief in die Nacht geöffnete Stätte, wo ihm in jener Nacht der Geometer eine so ergreifende Erzählung zu hören gegeben hatte, eine Erzählung, die vielleicht durch das gegenwärtige Erscheinen jener Ungarin eine Abrundung, mindestens ein neues Moment erhielt! Er betrat das Local. Es schlug schon ein Uhr. Niemand war zugegen außer den Kellnern und dem Wirth. Diese saßen im Halbschlaf auf Stühlen und Bänken. Die Gaslampen flammten noch. Nur einen einzelnen Gast entdeckte er im halbdunkeln Serapionszimmer. Dieser saß in der dunkelsten graugrünen Ecke, wo ein Epheubaum in einem langen mit Erde gefüllten Kasten grünte. Den Kopf in die Hand gestützt, ein Glas mechanisch in der Hand haltend, blickte der Träumer tiefnachdenklich, starr und unbeweglich auf den Tisch.</p> </div> </body> </text> </TEI> [189/0195]
und endlich hätte sanft entschlummern können. Aber dem Aufgeregten war es heute nicht beschieden, sich diese Bilder zu malen. Es fiel ihm der Ball bei Wolny im vorigen Jahre, der nächtliche Trunk bei den Serapionsbrüdern, des Geometers Geständnißrede ein; und siehe da! er scheute die üble Deutung nicht, nahm noch den Hausschlüssel und suchte noch einmal frische Luft für seine fieberheiße Stirn, seinen beklommenen Athem.
Wie dessen unbewußt, gerieth er in die bis tief in die Nacht geöffnete Stätte, wo ihm in jener Nacht der Geometer eine so ergreifende Erzählung zu hören gegeben hatte, eine Erzählung, die vielleicht durch das gegenwärtige Erscheinen jener Ungarin eine Abrundung, mindestens ein neues Moment erhielt! Er betrat das Local. Es schlug schon ein Uhr. Niemand war zugegen außer den Kellnern und dem Wirth. Diese saßen im Halbschlaf auf Stühlen und Bänken. Die Gaslampen flammten noch. Nur einen einzelnen Gast entdeckte er im halbdunkeln Serapionszimmer. Dieser saß in der dunkelsten graugrünen Ecke, wo ein Epheubaum in einem langen mit Erde gefüllten Kasten grünte. Den Kopf in die Hand gestützt, ein Glas mechanisch in der Hand haltend, blickte der Träumer tiefnachdenklich, starr und unbeweglich auf den Tisch.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/195>, abgerufen am 23.07.2024. |