Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.aristokratische Mischung von Takt, Laune, Willkür, Gefallsucht, Hochherzigkeit - sie war liebenswürdig, aber sie bot keine Garantieen. Das Zusammenleben in Hochlinden, die passive Ruhe in einem stillen, von uralten Bäumen umfriedigten Schlosse, die zur Betrachtung reizende Stille einer entlegenen Natur - da gehört der Mensch ganz sich selbst, da muß er sich einsetzen auf seine Persönlichkeit, sich stützen auf seine eigne Kraft! Ottomar hielt sogar den Grafen für fähig, mit Gefahren zu spielen. Er aber selbst! War er nicht schon ein Matador in der Kunst der Verstellung? Hatte ihn nicht schon das moderne Leben dieses abscheuliche Laster der falschen Miene gelehrt? Auf Schritt und Tritt mußt du die Wahrheit verleugnen! Das will die Nothwehr, weil Hunderte von eingebildeten Narren, die das Recht zu haben glauben uns hinter die Ohren zu schlagen, wenn wir sagen wollten, was sie sind, unsern Umgang bilden! Strafbar ist die Lüge nur noch, wenn wir grade um die Wahrheit gefragt werden und sie dennoch verleugnen. Stündlich muß man sich beherrschen, muß man niederkämpfen seine Stimmungen, muß man sich abfinden mit dem, was nun einmal nicht zu ändern ist in dieser geographischen Länge und Breite. Es zermartert den Menschen, man möchte in die Wälder fliehen! Ja in aristokratische Mischung von Takt, Laune, Willkür, Gefallsucht, Hochherzigkeit – sie war liebenswürdig, aber sie bot keine Garantieen. Das Zusammenleben in Hochlinden, die passive Ruhe in einem stillen, von uralten Bäumen umfriedigten Schlosse, die zur Betrachtung reizende Stille einer entlegenen Natur – da gehört der Mensch ganz sich selbst, da muß er sich einsetzen auf seine Persönlichkeit, sich stützen auf seine eigne Kraft! Ottomar hielt sogar den Grafen für fähig, mit Gefahren zu spielen. Er aber selbst! War er nicht schon ein Matador in der Kunst der Verstellung? Hatte ihn nicht schon das moderne Leben dieses abscheuliche Laster der falschen Miene gelehrt? Auf Schritt und Tritt mußt du die Wahrheit verleugnen! Das will die Nothwehr, weil Hunderte von eingebildeten Narren, die das Recht zu haben glauben uns hinter die Ohren zu schlagen, wenn wir sagen wollten, was sie sind, unsern Umgang bilden! Strafbar ist die Lüge nur noch, wenn wir grade um die Wahrheit gefragt werden und sie dennoch verleugnen. Stündlich muß man sich beherrschen, muß man niederkämpfen seine Stimmungen, muß man sich abfinden mit dem, was nun einmal nicht zu ändern ist in dieser geographischen Länge und Breite. Es zermartert den Menschen, man möchte in die Wälder fliehen! Ja in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0193" n="187"/> aristokratische Mischung von Takt, Laune, Willkür, Gefallsucht, Hochherzigkeit – sie war liebenswürdig, aber sie bot keine Garantieen. Das Zusammenleben in Hochlinden, die passive Ruhe in einem stillen, von uralten Bäumen umfriedigten Schlosse, die zur Betrachtung reizende Stille einer entlegenen Natur – da gehört der Mensch ganz sich selbst, da muß er sich einsetzen auf seine Persönlichkeit, sich stützen auf seine eigne Kraft! Ottomar hielt sogar den Grafen für fähig, mit Gefahren zu spielen.</p> <p>Er aber selbst! War er nicht schon ein Matador in der Kunst der Verstellung? Hatte ihn nicht schon das moderne Leben dieses abscheuliche Laster der falschen Miene gelehrt? Auf Schritt und Tritt mußt du die Wahrheit verleugnen! Das will die Nothwehr, weil Hunderte von eingebildeten Narren, die das Recht zu haben glauben uns hinter die Ohren zu schlagen, wenn wir sagen wollten, was sie sind, unsern Umgang bilden! Strafbar ist die Lüge nur noch, wenn wir grade um die Wahrheit gefragt werden und sie dennoch verleugnen. Stündlich muß man sich beherrschen, muß man niederkämpfen seine Stimmungen, muß man sich abfinden mit dem, was nun einmal nicht zu ändern ist in dieser geographischen Länge und Breite. Es zermartert den Menschen, man möchte in die Wälder fliehen! Ja in </p> </div> </body> </text> </TEI> [187/0193]
aristokratische Mischung von Takt, Laune, Willkür, Gefallsucht, Hochherzigkeit – sie war liebenswürdig, aber sie bot keine Garantieen. Das Zusammenleben in Hochlinden, die passive Ruhe in einem stillen, von uralten Bäumen umfriedigten Schlosse, die zur Betrachtung reizende Stille einer entlegenen Natur – da gehört der Mensch ganz sich selbst, da muß er sich einsetzen auf seine Persönlichkeit, sich stützen auf seine eigne Kraft! Ottomar hielt sogar den Grafen für fähig, mit Gefahren zu spielen.
Er aber selbst! War er nicht schon ein Matador in der Kunst der Verstellung? Hatte ihn nicht schon das moderne Leben dieses abscheuliche Laster der falschen Miene gelehrt? Auf Schritt und Tritt mußt du die Wahrheit verleugnen! Das will die Nothwehr, weil Hunderte von eingebildeten Narren, die das Recht zu haben glauben uns hinter die Ohren zu schlagen, wenn wir sagen wollten, was sie sind, unsern Umgang bilden! Strafbar ist die Lüge nur noch, wenn wir grade um die Wahrheit gefragt werden und sie dennoch verleugnen. Stündlich muß man sich beherrschen, muß man niederkämpfen seine Stimmungen, muß man sich abfinden mit dem, was nun einmal nicht zu ändern ist in dieser geographischen Länge und Breite. Es zermartert den Menschen, man möchte in die Wälder fliehen! Ja in
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