Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Dieterici war glücklich. Sie haben mir diese Wohnung, die mir Ihr liebenswürdiges Fräulein Schwester empfahl, angerathen! Allerdings hat sie das Uebel, sehr weit entlegen zu sein! Aber die Küche ist ausgezeichnet. Einen Schmorbraten habe ich bestellt, der Ihnen das Nervensystem in elastische Spannung versetzen soll! Man spricht spottweise davon (Vogler ist ja der ewige Thersites! unterbrach er sich), daß ich mich mit den Urproblemen beschäftige. Das thue ich allerdings. Ich lese Hartmann und empfehle überall seinen Trieb zum Natürlichen, der mir auch das einzig richtige, zum Durchbruch kommenwollende Princip unsrer Zeit scheint. Dabei suche ich meine Carriere abzukürzen. Habe ich nur etwas, das anständig ernährt, errungen, so genügt mir das. Meine Körperkräfte widme ich diesem Moloch, Staat genannt, der jetzt regiert, in keiner Weise. Sollte mir einfallen, den Schwindel dieses Reichschauvinismus mitzumachen! In zehn Jahren läg' ich todt auf der Bahre! Nein, ich bin darin ein alter Egyptier, daß ich etwas auf die Conservirung meines Körpers gebe! Restaurants sind mir, wie Sie wissen, ein Greuel! Bei dieser merkwürdigen Micheline Ziporovius, die für einen polnischen Probst gekocht und darüber den Glauben an die alleinseligmachende Kirche verloren hat, ist die Reinlichkeit, die Pünktlichkeit, die Tüchtigkeit zu Hause. Dieterici war glücklich. Sie haben mir diese Wohnung, die mir Ihr liebenswürdiges Fräulein Schwester empfahl, angerathen! Allerdings hat sie das Uebel, sehr weit entlegen zu sein! Aber die Küche ist ausgezeichnet. Einen Schmorbraten habe ich bestellt, der Ihnen das Nervensystem in elastische Spannung versetzen soll! Man spricht spottweise davon (Vogler ist ja der ewige Thersites! unterbrach er sich), daß ich mich mit den Urproblemen beschäftige. Das thue ich allerdings. Ich lese Hartmann und empfehle überall seinen Trieb zum Natürlichen, der mir auch das einzig richtige, zum Durchbruch kommenwollende Princip unsrer Zeit scheint. Dabei suche ich meine Carrière abzukürzen. Habe ich nur etwas, das anständig ernährt, errungen, so genügt mir das. Meine Körperkräfte widme ich diesem Moloch, Staat genannt, der jetzt regiert, in keiner Weise. Sollte mir einfallen, den Schwindel dieses Reichschauvinismus mitzumachen! In zehn Jahren läg’ ich todt auf der Bahre! Nein, ich bin darin ein alter Egyptier, daß ich etwas auf die Conservirung meines Körpers gebe! Restaurants sind mir, wie Sie wissen, ein Greuel! Bei dieser merkwürdigen Micheline Ziporovius, die für einen polnischen Probst gekocht und darüber den Glauben an die alleinseligmachende Kirche verloren hat, ist die Reinlichkeit, die Pünktlichkeit, die Tüchtigkeit zu Hause. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0167" n="161"/> <p> Dieterici war glücklich. Sie haben mir diese Wohnung, die mir Ihr liebenswürdiges Fräulein Schwester empfahl, angerathen! Allerdings hat sie das Uebel, sehr weit entlegen zu sein! Aber die Küche ist ausgezeichnet. Einen Schmorbraten habe ich bestellt, der Ihnen das Nervensystem in elastische Spannung versetzen soll! Man spricht spottweise davon (Vogler ist ja der ewige <ref xml:id="TEXTThersites" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLThersites">Thersites</ref>! unterbrach er sich), daß ich mich mit den Urproblemen beschäftige. Das thue ich allerdings. <ref xml:id="TEXTIchleseBISNatuerlichen" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLIchleseBISNatuerlichen">Ich lese Hartmann und empfehle überall seinen Trieb zum Natürlichen, </ref> der mir auch das einzig richtige, zum Durchbruch kommenwollende Princip unsrer Zeit scheint. Dabei suche ich meine Carrière abzukürzen. Habe ich nur etwas, das anständig ernährt, errungen, so genügt mir das. Meine Körperkräfte widme ich diesem Moloch, Staat genannt, der jetzt regiert, in keiner Weise. Sollte mir einfallen, den Schwindel dieses <ref xml:id="TEXTReichschauvinismus" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLReichschauvinismus">Reichschauvinismus</ref> mitzumachen! In zehn Jahren läg’ ich todt auf der Bahre! Nein, ich bin darin ein alter Egyptier, daß ich etwas auf die Conservirung meines Körpers gebe! Restaurants sind mir, wie Sie wissen, ein Greuel! Bei dieser merkwürdigen Micheline Ziporovius, die für einen polnischen Probst gekocht und darüber den Glauben an die alleinseligmachende Kirche verloren hat, ist die Reinlichkeit, die Pünktlichkeit, die Tüchtigkeit zu Hause. </p> </div> </body> </text> </TEI> [161/0167]
Dieterici war glücklich. Sie haben mir diese Wohnung, die mir Ihr liebenswürdiges Fräulein Schwester empfahl, angerathen! Allerdings hat sie das Uebel, sehr weit entlegen zu sein! Aber die Küche ist ausgezeichnet. Einen Schmorbraten habe ich bestellt, der Ihnen das Nervensystem in elastische Spannung versetzen soll! Man spricht spottweise davon (Vogler ist ja der ewige Thersites! unterbrach er sich), daß ich mich mit den Urproblemen beschäftige. Das thue ich allerdings. Ich lese Hartmann und empfehle überall seinen Trieb zum Natürlichen, der mir auch das einzig richtige, zum Durchbruch kommenwollende Princip unsrer Zeit scheint. Dabei suche ich meine Carrière abzukürzen. Habe ich nur etwas, das anständig ernährt, errungen, so genügt mir das. Meine Körperkräfte widme ich diesem Moloch, Staat genannt, der jetzt regiert, in keiner Weise. Sollte mir einfallen, den Schwindel dieses Reichschauvinismus mitzumachen! In zehn Jahren läg’ ich todt auf der Bahre! Nein, ich bin darin ein alter Egyptier, daß ich etwas auf die Conservirung meines Körpers gebe! Restaurants sind mir, wie Sie wissen, ein Greuel! Bei dieser merkwürdigen Micheline Ziporovius, die für einen polnischen Probst gekocht und darüber den Glauben an die alleinseligmachende Kirche verloren hat, ist die Reinlichkeit, die Pünktlichkeit, die Tüchtigkeit zu Hause.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/167>, abgerufen am 23.07.2024. |