Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.wie der Justizrath mit seiner hohen Verständigkeit, seinem Scharfsinn, seiner Geheimnißatmosphäre, als wenn er Großmeister aller Freimaurerlogen der Welt wäre, den ganzen Spectakel seines Hauses so duldet! Ich bestreite principiell die Allgemeinheit der Tendenz zum Vornehmen! sagte Dieterici fest und bestimmt, und werde Ihnen gleich dafür einen Beweis geben. Kurz, ich rühmte auch Voglers jeweilige abscheuliche Eigenschaften und seine Schwärmerei für Zerline. Half aber Alles nichts. Als wir uns der Bäckerstraße genähert hatten und das Schluchzen der Justizräthin um ihre Mädchen kein Ende nehmen wollte, fing ich an, sogar von meiner eigenen, im Grunde nur dem Junggesellenthum Schopenhauers ergebenen Gesinnung einzugestehen, daß mehrere meiner Gedichte, deren Druck mich ruinirt hat, auf Sascha zu deuten wären und daß ich bei einer gesicherten Lebensstellung - Unglücklicher, unterbrach Ottomar; sie wird Sie beim Wort halten! Wir waren schon in der Bäckerstraße! Mama konnte mich glücklicherweise kaum verstehen vor dem schlechten Straßenpflaster! Einigemal flog sie mir darüber in die Arme! Denken Sie sich meinen Schrecken! Als der Wagen hielt und ich meine Hand ausstreckte, um erst auszusteigen, um zu klingeln und das Dienstmädchen wie der Justizrath mit seiner hohen Verständigkeit, seinem Scharfsinn, seiner Geheimnißatmosphäre, als wenn er Großmeister aller Freimaurerlogen der Welt wäre, den ganzen Spectakel seines Hauses so duldet! Ich bestreite principiell die Allgemeinheit der Tendenz zum Vornehmen! sagte Dieterici fest und bestimmt, und werde Ihnen gleich dafür einen Beweis geben. Kurz, ich rühmte auch Voglers jeweilige abscheuliche Eigenschaften und seine Schwärmerei für Zerline. Half aber Alles nichts. Als wir uns der Bäckerstraße genähert hatten und das Schluchzen der Justizräthin um ihre Mädchen kein Ende nehmen wollte, fing ich an, sogar von meiner eigenen, im Grunde nur dem Junggesellenthum Schopenhauers ergebenen Gesinnung einzugestehen, daß mehrere meiner Gedichte, deren Druck mich ruinirt hat, auf Sascha zu deuten wären und daß ich bei einer gesicherten Lebensstellung – Unglücklicher, unterbrach Ottomar; sie wird Sie beim Wort halten! Wir waren schon in der Bäckerstraße! Mama konnte mich glücklicherweise kaum verstehen vor dem schlechten Straßenpflaster! Einigemal flog sie mir darüber in die Arme! Denken Sie sich meinen Schrecken! Als der Wagen hielt und ich meine Hand ausstreckte, um erst auszusteigen, um zu klingeln und das Dienstmädchen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0161" n="155"/> wie der Justizrath mit seiner hohen Verständigkeit, seinem Scharfsinn, seiner Geheimnißatmosphäre, als wenn er Großmeister aller Freimaurerlogen der Welt wäre, den ganzen Spectakel seines Hauses so duldet! </p> <p>Ich bestreite principiell die Allgemeinheit der Tendenz zum Vornehmen! sagte Dieterici fest und bestimmt, und werde Ihnen gleich dafür einen Beweis geben. Kurz, ich rühmte auch Voglers jeweilige abscheuliche Eigenschaften und seine Schwärmerei für Zerline. Half aber Alles nichts. Als wir uns der <ref xml:id="TEXTBaeckerstrasse" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLBaeckerstrasse">Bäckerstraße</ref> genähert hatten und das Schluchzen der Justizräthin um ihre Mädchen kein Ende nehmen wollte, fing ich an, sogar von meiner eigenen, im Grunde nur <ref xml:id="TEXTdemJunngesellenthumBISGesinnung" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLdemJunngesellenthumBISGesinnung">dem Junggesellenthum Schopenhauers ergebenen Gesinnung</ref> einzugestehen, daß mehrere meiner Gedichte, deren Druck mich ruinirt hat, auf Sascha zu deuten wären und daß ich bei einer gesicherten Lebensstellung – </p> <p>Unglücklicher, unterbrach Ottomar; sie wird Sie beim Wort halten! </p> <p>Wir waren schon in der Bäckerstraße! Mama konnte mich glücklicherweise kaum verstehen vor dem schlechten Straßenpflaster! Einigemal flog sie mir darüber in die Arme! Denken Sie sich meinen Schrecken! Als der Wagen hielt und ich meine Hand ausstreckte, um erst auszusteigen, um zu klingeln und das Dienstmädchen </p> </div> </body> </text> </TEI> [155/0161]
wie der Justizrath mit seiner hohen Verständigkeit, seinem Scharfsinn, seiner Geheimnißatmosphäre, als wenn er Großmeister aller Freimaurerlogen der Welt wäre, den ganzen Spectakel seines Hauses so duldet!
Ich bestreite principiell die Allgemeinheit der Tendenz zum Vornehmen! sagte Dieterici fest und bestimmt, und werde Ihnen gleich dafür einen Beweis geben. Kurz, ich rühmte auch Voglers jeweilige abscheuliche Eigenschaften und seine Schwärmerei für Zerline. Half aber Alles nichts. Als wir uns der Bäckerstraße genähert hatten und das Schluchzen der Justizräthin um ihre Mädchen kein Ende nehmen wollte, fing ich an, sogar von meiner eigenen, im Grunde nur dem Junggesellenthum Schopenhauers ergebenen Gesinnung einzugestehen, daß mehrere meiner Gedichte, deren Druck mich ruinirt hat, auf Sascha zu deuten wären und daß ich bei einer gesicherten Lebensstellung –
Unglücklicher, unterbrach Ottomar; sie wird Sie beim Wort halten!
Wir waren schon in der Bäckerstraße! Mama konnte mich glücklicherweise kaum verstehen vor dem schlechten Straßenpflaster! Einigemal flog sie mir darüber in die Arme! Denken Sie sich meinen Schrecken! Als der Wagen hielt und ich meine Hand ausstreckte, um erst auszusteigen, um zu klingeln und das Dienstmädchen
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/161>, abgerufen am 23.07.2024. |