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Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.

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der Schwester. Nicht eher weiche ich hier von der Stelle, bis Du Ja! gesagt. Er vertrat beiden Mädchen den Weg und kniete nieder. Du sollst der Leitstern meines Lebens sein! Du sollst die Kraft der Selbstbeherrschung bewundern lernen, die in mir lebt! Ich bin ein Titane, wenn ich will - ich bin aber auch ein Kind, wenn ich will! Da stand ihm in der That eine Thräne im Auge. Frauengüte, sagte er, mit einem schmelzenden Blick auf die im winterlichen Kleide, die zitternden Hände im erwärmenden Muff gesteckt, der Scene voll Schrecken zusehende Helene, Frauengüte kann mich zerschmelzen! Martha war außer sich über den Ungestüm. Helene kannte diesen Ton von jenem einzigen Male her, wo Raimund sie allein gefunden. Dennoch faßte sie sich Muth, sprach ruhig mit dem sich rasend Stellenden und vermittelte; Raimund hielt das sogleich für den Ausdruck zurückgehaltener Liebe. Bricht sie denn endlich hervor die Wärme Ihres Herzens! rief der Unsinnige. Rührt es Sie, zu sehen, daß seit Jahren ich nur um Sie lebe, um Sie, mein Ideal, mein Traum bei Nacht, mein Gedanke im Wachen -! Jetzt mußten die Mädchen so laut auflachen, daß es im Walde widerhallte. Bei Alledem hätte ihnen aber der Ueberfall eines Strolches, der mit ihren Portemonnaies zufrieden gewesen wäre, nicht soviel Angst gemacht, als diese Beweisführung Raimunds,

der Schwester. Nicht eher weiche ich hier von der Stelle, bis Du Ja! gesagt. Er vertrat beiden Mädchen den Weg und kniete nieder. Du sollst der Leitstern meines Lebens sein! Du sollst die Kraft der Selbstbeherrschung bewundern lernen, die in mir lebt! Ich bin ein Titane, wenn ich will – ich bin aber auch ein Kind, wenn ich will! Da stand ihm in der That eine Thräne im Auge. Frauengüte, sagte er, mit einem schmelzenden Blick auf die im winterlichen Kleide, die zitternden Hände im erwärmenden Muff gesteckt, der Scene voll Schrecken zusehende Helene, Frauengüte kann mich zerschmelzen! Martha war außer sich über den Ungestüm. Helene kannte diesen Ton von jenem einzigen Male her, wo Raimund sie allein gefunden. Dennoch faßte sie sich Muth, sprach ruhig mit dem sich rasend Stellenden und vermittelte; Raimund hielt das sogleich für den Ausdruck zurückgehaltener Liebe. Bricht sie denn endlich hervor die Wärme Ihres Herzens! rief der Unsinnige. Rührt es Sie, zu sehen, daß seit Jahren ich nur um Sie lebe, um Sie, mein Ideal, mein Traum bei Nacht, mein Gedanke im Wachen –! Jetzt mußten die Mädchen so laut auflachen, daß es im Walde widerhallte. Bei Alledem hätte ihnen aber der Ueberfall eines Strolches, der mit ihren Portemonnaies zufrieden gewesen wäre, nicht soviel Angst gemacht, als diese Beweisführung Raimunds,

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[115/0121] der Schwester. Nicht eher weiche ich hier von der Stelle, bis Du Ja! gesagt. Er vertrat beiden Mädchen den Weg und kniete nieder. Du sollst der Leitstern meines Lebens sein! Du sollst die Kraft der Selbstbeherrschung bewundern lernen, die in mir lebt! Ich bin ein Titane, wenn ich will – ich bin aber auch ein Kind, wenn ich will! Da stand ihm in der That eine Thräne im Auge. Frauengüte, sagte er, mit einem schmelzenden Blick auf die im winterlichen Kleide, die zitternden Hände im erwärmenden Muff gesteckt, der Scene voll Schrecken zusehende Helene, Frauengüte kann mich zerschmelzen! Martha war außer sich über den Ungestüm. Helene kannte diesen Ton von jenem einzigen Male her, wo Raimund sie allein gefunden. Dennoch faßte sie sich Muth, sprach ruhig mit dem sich rasend Stellenden und vermittelte; Raimund hielt das sogleich für den Ausdruck zurückgehaltener Liebe. Bricht sie denn endlich hervor die Wärme Ihres Herzens! rief der Unsinnige. Rührt es Sie, zu sehen, daß seit Jahren ich nur um Sie lebe, um Sie, mein Ideal, mein Traum bei Nacht, mein Gedanke im Wachen –! Jetzt mußten die Mädchen so laut auflachen, daß es im Walde widerhallte. Bei Alledem hätte ihnen aber der Ueberfall eines Strolches, der mit ihren Portemonnaies zufrieden gewesen wäre, nicht soviel Angst gemacht, als diese Beweisführung Raimunds,

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/121>, abgerufen am 25.11.2024.