Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Besteigen Sie dagegen die Treppe zum Capitol; links lag ehemals das Kloster der von ihrem "Bambino" lebenden Kapuziner (vielleicht hat sie italienische Feigheit wegzujagen vergessen), tiefer, dem alten Rathhause Roms zu, liegen die beiden Flügelsäle des Capitolinischen Museums. Ziehen Sie den Troß der Fremden und Custoden ab und bleiben Sie mit Tausenden von geretteten Statuen und Büsten der Vergangenheit, mit allen diesen Kaisern, Feldherrn, Rednern, Philosophen, Dichtern, die hier stehen, gleichsam allein! Menschliche Ungeheuer befinden sich darunter; auch der geschwollene Nero; aber der Künstler hat die Wüthenden zum Schweigen gebracht! Sie können keine Todesurtheile mehr über ihre Mütter und Brüder aussprechen. Ein feierlicher Ernst, die Sichel des Todes ruht über ihnen allen! Aber gerichtet sind sie da unmöglich! Die Tyrannen müssen es noch einmal empfinden, daß sie Schurken waren! Ein Bösewicht kann nicht so sanft und leicht am Schlagfluß aus dem Leben gehen und da in einer Bildsäule prangen! Ich glaube deshalb an den Himmel, weil wir ihn hier schon durch die Kunst und Wissenschaft auf Erden sehen. Ich glaube deshalb an den Himmel, weil ich an die Hölle glaube! Ich glaube deshalb an Gott, weil ich allen Ernstes der Meinung bin, daß diese Welt der Teufel regiert. Für heute - guten Morgen. Besteigen Sie dagegen die Treppe zum Capitol; links lag ehemals das Kloster der von ihrem „Bambino“ lebenden Kapuziner (vielleicht hat sie italienische Feigheit wegzujagen vergessen), tiefer, dem alten Rathhause Roms zu, liegen die beiden Flügelsäle des Capitolinischen Museums. Ziehen Sie den Troß der Fremden und Custoden ab und bleiben Sie mit Tausenden von geretteten Statuen und Büsten der Vergangenheit, mit allen diesen Kaisern, Feldherrn, Rednern, Philosophen, Dichtern, die hier stehen, gleichsam allein! Menschliche Ungeheuer befinden sich darunter; auch der geschwollene Nero; aber der Künstler hat die Wüthenden zum Schweigen gebracht! Sie können keine Todesurtheile mehr über ihre Mütter und Brüder aussprechen. Ein feierlicher Ernst, die Sichel des Todes ruht über ihnen allen! Aber gerichtet sind sie da unmöglich! Die Tyrannen müssen es noch einmal empfinden, daß sie Schurken waren! Ein Bösewicht kann nicht so sanft und leicht am Schlagfluß aus dem Leben gehen und da in einer Bildsäule prangen! Ich glaube deshalb an den Himmel, weil wir ihn hier schon durch die Kunst und Wissenschaft auf Erden sehen. Ich glaube deshalb an den Himmel, weil ich an die Hölle glaube! Ich glaube deshalb an Gott, weil ich allen Ernstes der Meinung bin, daß diese Welt der Teufel regiert. Für heute – guten Morgen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0115" n="109"/> Besteigen Sie dagegen die Treppe zum Capitol; links lag ehemals das Kloster der von ihrem „Bambino“ lebenden Kapuziner (vielleicht hat sie italienische Feigheit wegzujagen vergessen), tiefer, dem alten Rathhause Roms zu, liegen die beiden Flügelsäle des Capitolinischen Museums. Ziehen Sie den Troß der Fremden und Custoden ab und bleiben Sie mit Tausenden von geretteten Statuen und Büsten der Vergangenheit, mit allen diesen Kaisern, Feldherrn, Rednern, Philosophen, Dichtern, die hier stehen, gleichsam allein! Menschliche Ungeheuer befinden sich darunter; auch der geschwollene Nero; aber der Künstler hat die Wüthenden zum Schweigen gebracht! Sie können keine Todesurtheile mehr über ihre Mütter und Brüder aussprechen. Ein feierlicher Ernst, die Sichel des Todes ruht über ihnen allen! Aber gerichtet sind sie da unmöglich! Die Tyrannen müssen es noch einmal empfinden, daß sie Schurken waren! Ein Bösewicht kann nicht so sanft und leicht am Schlagfluß aus dem Leben gehen und da in einer Bildsäule prangen! Ich glaube deshalb an den Himmel, weil wir ihn hier schon durch die Kunst und Wissenschaft auf Erden sehen. Ich glaube deshalb an den Himmel, weil ich an die Hölle glaube! <ref xml:id="TEXTIchglaubeBISregiert" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLIchglaubeBISregiert">Ich glaube deshalb an Gott, weil ich allen Ernstes der Meinung bin, daß diese Welt der Teufel regiert</ref>. Für heute – guten Morgen.</p> </div> </body> </text> </TEI> [109/0115]
Besteigen Sie dagegen die Treppe zum Capitol; links lag ehemals das Kloster der von ihrem „Bambino“ lebenden Kapuziner (vielleicht hat sie italienische Feigheit wegzujagen vergessen), tiefer, dem alten Rathhause Roms zu, liegen die beiden Flügelsäle des Capitolinischen Museums. Ziehen Sie den Troß der Fremden und Custoden ab und bleiben Sie mit Tausenden von geretteten Statuen und Büsten der Vergangenheit, mit allen diesen Kaisern, Feldherrn, Rednern, Philosophen, Dichtern, die hier stehen, gleichsam allein! Menschliche Ungeheuer befinden sich darunter; auch der geschwollene Nero; aber der Künstler hat die Wüthenden zum Schweigen gebracht! Sie können keine Todesurtheile mehr über ihre Mütter und Brüder aussprechen. Ein feierlicher Ernst, die Sichel des Todes ruht über ihnen allen! Aber gerichtet sind sie da unmöglich! Die Tyrannen müssen es noch einmal empfinden, daß sie Schurken waren! Ein Bösewicht kann nicht so sanft und leicht am Schlagfluß aus dem Leben gehen und da in einer Bildsäule prangen! Ich glaube deshalb an den Himmel, weil wir ihn hier schon durch die Kunst und Wissenschaft auf Erden sehen. Ich glaube deshalb an den Himmel, weil ich an die Hölle glaube! Ich glaube deshalb an Gott, weil ich allen Ernstes der Meinung bin, daß diese Welt der Teufel regiert. Für heute – guten Morgen.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/115>, abgerufen am 23.07.2024. |