Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Bad, in das wir uns in Hoffnung auf balsamische Erquickung setzen werden, aber ein mächtiger Strom, übergewaltig, urkräftig, schlingt seinen Arm über uns hinweg und reißt uns in's Getriebe des Alls hinaus! Ob wir das fühlen werden, ob wir zum Bewußtsein unsers Einst gelangen, ach! das ist Glaubenssache! Ich habe in meinem Gärtchen einen uralten Weinstock. Es ist unmöglich, das Bild der Abgestorbenheit mehr darzustellen, als dieser traurige alte schwarze Stamm es thut mit seinen sich absplitternden Bastfäden. Und im Mai da kommen aus dem alten Holze immer wieder kleine grüne Pünktchen, die sich erweitern, ausdehnen, Blatt an Blatt und Blüthe werden und uns einen ganzen fröhlichen Herbst mit etlichen - allerdings sauern Trauben bringen können. Ich kann den Menschen aus der Reihe der Naturproducte nicht ausstreichen. Bester Freund, sagte ein würdiger Herr, der an der Majorsecke pensionirte Offizier, mit dem simpeln bürgerlichen Namen Brandt, der Tod macht aus dem Stamme schon Klein-Holz, sägt und spaltet ihn! Da kann Nichts mehr hervorblühen! Sanitätsrath Eltester war zugegen und klagte unsere Kriege, die Verheerungen und Geringachtungen des Menschenlebens an. Ich, sagte er, glaube nur an eine absolute Diesseitigkeit unserer Bestimmung, habe aber Bad, in das wir uns in Hoffnung auf balsamische Erquickung setzen werden, aber ein mächtiger Strom, übergewaltig, urkräftig, schlingt seinen Arm über uns hinweg und reißt uns in’s Getriebe des Alls hinaus! Ob wir das fühlen werden, ob wir zum Bewußtsein unsers Einst gelangen, ach! das ist Glaubenssache! Ich habe in meinem Gärtchen einen uralten Weinstock. Es ist unmöglich, das Bild der Abgestorbenheit mehr darzustellen, als dieser traurige alte schwarze Stamm es thut mit seinen sich absplitternden Bastfäden. Und im Mai da kommen aus dem alten Holze immer wieder kleine grüne Pünktchen, die sich erweitern, ausdehnen, Blatt an Blatt und Blüthe werden und uns einen ganzen fröhlichen Herbst mit etlichen – allerdings sauern Trauben bringen können. Ich kann den Menschen aus der Reihe der Naturproducte nicht ausstreichen. Bester Freund, sagte ein würdiger Herr, der an der Majorsecke pensionirte Offizier, mit dem simpeln bürgerlichen Namen Brandt, der Tod macht aus dem Stamme schon Klein-Holz, sägt und spaltet ihn! Da kann Nichts mehr hervorblühen! Sanitätsrath Eltester war zugegen und klagte unsere Kriege, die Verheerungen und Geringachtungen des Menschenlebens an. Ich, sagte er, glaube nur an eine absolute Diesseitigkeit unserer Bestimmung, habe aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0110" n="104"/> Bad, in das wir uns in Hoffnung auf balsamische Erquickung setzen werden, aber ein mächtiger Strom, übergewaltig, urkräftig, schlingt seinen Arm über uns hinweg und reißt uns in’s Getriebe des Alls hinaus! Ob wir das fühlen werden, ob wir zum Bewußtsein unsers Einst gelangen, ach! das ist Glaubenssache! Ich habe in meinem Gärtchen einen uralten Weinstock. Es ist unmöglich, das Bild der Abgestorbenheit mehr darzustellen, als dieser traurige alte schwarze Stamm es thut mit seinen sich absplitternden Bastfäden. Und im Mai da kommen aus dem alten Holze immer wieder kleine grüne Pünktchen, die sich erweitern, ausdehnen, Blatt an Blatt und Blüthe werden und uns einen ganzen fröhlichen Herbst mit etlichen – allerdings sauern Trauben bringen können. Ich kann den Menschen aus der Reihe der Naturproducte nicht ausstreichen.</p> <p>Bester Freund, sagte ein würdiger Herr, der an der Majorsecke pensionirte Offizier, mit dem simpeln bürgerlichen Namen Brandt, der Tod macht aus dem Stamme schon Klein-Holz, sägt und spaltet ihn! Da kann Nichts mehr hervorblühen!</p> <p>Sanitätsrath Eltester war zugegen und klagte unsere Kriege, die Verheerungen und Geringachtungen des Menschenlebens an. Ich, sagte er, glaube nur an eine absolute Diesseitigkeit unserer Bestimmung, habe aber </p> </div> </body> </text> </TEI> [104/0110]
Bad, in das wir uns in Hoffnung auf balsamische Erquickung setzen werden, aber ein mächtiger Strom, übergewaltig, urkräftig, schlingt seinen Arm über uns hinweg und reißt uns in’s Getriebe des Alls hinaus! Ob wir das fühlen werden, ob wir zum Bewußtsein unsers Einst gelangen, ach! das ist Glaubenssache! Ich habe in meinem Gärtchen einen uralten Weinstock. Es ist unmöglich, das Bild der Abgestorbenheit mehr darzustellen, als dieser traurige alte schwarze Stamm es thut mit seinen sich absplitternden Bastfäden. Und im Mai da kommen aus dem alten Holze immer wieder kleine grüne Pünktchen, die sich erweitern, ausdehnen, Blatt an Blatt und Blüthe werden und uns einen ganzen fröhlichen Herbst mit etlichen – allerdings sauern Trauben bringen können. Ich kann den Menschen aus der Reihe der Naturproducte nicht ausstreichen.
Bester Freund, sagte ein würdiger Herr, der an der Majorsecke pensionirte Offizier, mit dem simpeln bürgerlichen Namen Brandt, der Tod macht aus dem Stamme schon Klein-Holz, sägt und spaltet ihn! Da kann Nichts mehr hervorblühen!
Sanitätsrath Eltester war zugegen und klagte unsere Kriege, die Verheerungen und Geringachtungen des Menschenlebens an. Ich, sagte er, glaube nur an eine absolute Diesseitigkeit unserer Bestimmung, habe aber
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/110>, abgerufen am 16.02.2025. |