Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.nicht zuweilen ein verdächtiges Ameisenlaufen in den Beinen befallen und der Spiegel belehrt, daß die saftigsten Beefsteaks nicht mehr ausreichten, wo einmal die "graue Substanz" im Menschen, die Medulla, das bischen uns geschenkte Götter-Ichor erkrankt ist. Wunderbar war die Phantasie des Zeitgeistes entfesselt. Nie hatte der Blick in's Innere der Natur, den uns Schelling hat lehren wollen, so die Binden seiner Mitwelt von den Augen gerissen, niemals Fichte so "sonnenklar" den Beweis geliefert, daß Alles, was Nicht-Ich sei auch nichtig sei und nur im Bewußtsein, im Denken alles wahrhafte Sein bestünde. Nur daß die Objecte dieser Schwärmereien Eisenarbeiterwerkstätten, Droschkenfabrikations-Anstalten, Lederfabriken, Peitschenmanufacturen, Straßendurchbrüche und sonstige "reelle Werthe" waren. Von den Serapionsbrüdern sagte eine Stimme, Ascher Ascherson, der Börsen-Psychologe: Es träuft ein Manna vom Himmel und das Volk wird gespeist mit einem Himmelsbrot, von welchem es, ich fürchte das, später starke Leibschmerzen bekommen wird oder wenigstens chronische Verdauungsbeschwerden! Kinder Israels waren damals alle geworden. Alle verfielen in die Vergötterung des goldnen Kalbes. Warum goldnen Kalbes! sagte Ascherson. Besser sollte man dafür in der Wüste die Mutter des Kalbes, nicht zuweilen ein verdächtiges Ameisenlaufen in den Beinen befallen und der Spiegel belehrt, daß die saftigsten Beefsteaks nicht mehr ausreichten, wo einmal die „graue Substanz“ im Menschen, die Medulla, das bischen uns geschenkte Götter-Ichor erkrankt ist. Wunderbar war die Phantasie des Zeitgeistes entfesselt. Nie hatte der Blick in’s Innere der Natur, den uns Schelling hat lehren wollen, so die Binden seiner Mitwelt von den Augen gerissen, niemals Fichte so „sonnenklar“ den Beweis geliefert, daß Alles, was Nicht-Ich sei auch nichtig sei und nur im Bewußtsein, im Denken alles wahrhafte Sein bestünde. Nur daß die Objecte dieser Schwärmereien Eisenarbeiterwerkstätten, Droschkenfabrikations-Anstalten, Lederfabriken, Peitschenmanufacturen, Straßendurchbrüche und sonstige „reelle Werthe“ waren. Von den Serapionsbrüdern sagte eine Stimme, Ascher Ascherson, der Börsen-Psychologe: Es träuft ein Manna vom Himmel und das Volk wird gespeist mit einem Himmelsbrot, von welchem es, ich fürchte das, später starke Leibschmerzen bekommen wird oder wenigstens chronische Verdauungsbeschwerden! Kinder Israels waren damals alle geworden. Alle verfielen in die Vergötterung des goldnen Kalbes. Warum goldnen Kalbes! sagte Ascherson. Besser sollte man dafür in der Wüste die Mutter des Kalbes, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0106" n="100"/> nicht zuweilen ein verdächtiges Ameisenlaufen in den Beinen befallen und der Spiegel belehrt, daß die saftigsten Beefsteaks nicht mehr ausreichten, wo einmal die „graue Substanz“ im Menschen, <ref xml:id="TEXTdieMedullaBISIchor" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLdieMedullaBISIchor">die Medulla, das bischen uns geschenkte Götter-Ichor</ref> erkrankt ist.</p> <p><ref xml:id="TEXTWunderbarBISentfesselt" target="NSer3E.htm#ERLWunderbarBISentfesselt">Wunderbar war die Phantasie des Zeitgeistes entfesselt</ref>. Nie hatte der Blick in’s Innere der Natur, den uns Schelling hat lehren wollen, so die Binden seiner Mitwelt von den Augen gerissen, niemals Fichte so „sonnenklar“ den Beweis geliefert, daß Alles, was Nicht-Ich sei auch nichtig sei und nur im Bewußtsein, im Denken alles wahrhafte Sein bestünde. Nur daß die Objecte dieser Schwärmereien Eisenarbeiterwerkstätten, Droschkenfabrikations-Anstalten, Lederfabriken, Peitschenmanufacturen, Straßendurchbrüche und sonstige „reelle Werthe“ waren. </p> <p>Von den Serapionsbrüdern sagte eine Stimme, Ascher Ascherson, der Börsen-Psychologe: Es träuft ein Manna vom Himmel und das Volk wird gespeist mit einem Himmelsbrot, von welchem es, ich fürchte das, später starke Leibschmerzen bekommen wird oder wenigstens chronische Verdauungsbeschwerden!</p> <p>Kinder Israels waren damals alle geworden. Alle verfielen in die Vergötterung des goldnen Kalbes. Warum goldnen Kalbes! sagte Ascherson. Besser sollte man dafür in der Wüste die Mutter des Kalbes, </p> </div> </body> </text> </TEI> [100/0106]
nicht zuweilen ein verdächtiges Ameisenlaufen in den Beinen befallen und der Spiegel belehrt, daß die saftigsten Beefsteaks nicht mehr ausreichten, wo einmal die „graue Substanz“ im Menschen, die Medulla, das bischen uns geschenkte Götter-Ichor erkrankt ist.
Wunderbar war die Phantasie des Zeitgeistes entfesselt. Nie hatte der Blick in’s Innere der Natur, den uns Schelling hat lehren wollen, so die Binden seiner Mitwelt von den Augen gerissen, niemals Fichte so „sonnenklar“ den Beweis geliefert, daß Alles, was Nicht-Ich sei auch nichtig sei und nur im Bewußtsein, im Denken alles wahrhafte Sein bestünde. Nur daß die Objecte dieser Schwärmereien Eisenarbeiterwerkstätten, Droschkenfabrikations-Anstalten, Lederfabriken, Peitschenmanufacturen, Straßendurchbrüche und sonstige „reelle Werthe“ waren.
Von den Serapionsbrüdern sagte eine Stimme, Ascher Ascherson, der Börsen-Psychologe: Es träuft ein Manna vom Himmel und das Volk wird gespeist mit einem Himmelsbrot, von welchem es, ich fürchte das, später starke Leibschmerzen bekommen wird oder wenigstens chronische Verdauungsbeschwerden!
Kinder Israels waren damals alle geworden. Alle verfielen in die Vergötterung des goldnen Kalbes. Warum goldnen Kalbes! sagte Ascherson. Besser sollte man dafür in der Wüste die Mutter des Kalbes,
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/106>, abgerufen am 23.07.2024. |