Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.Nun regte sich Althings weiches Gemüth. Er stand rasch auf, begleitete den Besuch und fing ganz leutselig mit ihm zu plaudern an. Aber warum gehen Sie schon? Die Mutter wird sich recht freuen, Sie zu sehen! Sie waren lange nicht da! Und dazu noch diese Modekrankheit, das menschliche Elend lindern! Haha! lachte er, doch ohne Bitterkeit; wie sich das nun ausnimmt! Die Frau Doctorin oder wie sie sich aus ihrer ersten Ehe lieber nennen hört, Frau Commerzienrath, sitzt mit Gräfinnen und Geheimräthinnen Comite und Sie, das Fräulein Ehlerdt, müssen die Sache selbst besorgen - Ich thu' es gern! Ich thu' es gern -! erwiderte Martha tonlos. Daß der Professor ihrem Bruder gleichsam das Haus verboten hatte, war ihr ein schmerzlicher Stich in's Herz. Denn ihr Bruder, ein wissenschaftlich und praktisch gebildeter Techniker, hatte von je (nachbarliches Wohnen hatte die Freundschaft der Familien veranlaßt; Marthas Eltern waren früh gestorben) an Helenen, wie an seinem Ideal gehangen. Aber freilich, wie hatte sich der noch jetzt zuweilen sich einfindende Bewerber verändert! Einsilbig folgte Martha ihrer Freundin, um noch die Mutter zu begrüßen. Althing, der, heute ein Nonplusultra von Höflichkeit, Begleitung bis über die abscheuliche "Flora" hinaus, zu Stande gebracht hatte, kehrte in sein Atelier zurück. Nun regte sich Althings weiches Gemüth. Er stand rasch auf, begleitete den Besuch und fing ganz leutselig mit ihm zu plaudern an. Aber warum gehen Sie schon? Die Mutter wird sich recht freuen, Sie zu sehen! Sie waren lange nicht da! Und dazu noch diese Modekrankheit, das menschliche Elend lindern! Haha! lachte er, doch ohne Bitterkeit; wie sich das nun ausnimmt! Die Frau Doctorin oder wie sie sich aus ihrer ersten Ehe lieber nennen hört, Frau Commerzienrath, sitzt mit Gräfinnen und Geheimräthinnen Comité und Sie, das Fräulein Ehlerdt, müssen die Sache selbst besorgen – Ich thu’ es gern! Ich thu’ es gern –! erwiderte Martha tonlos. Daß der Professor ihrem Bruder gleichsam das Haus verboten hatte, war ihr ein schmerzlicher Stich in’s Herz. Denn ihr Bruder, ein wissenschaftlich und praktisch gebildeter Techniker, hatte von je (nachbarliches Wohnen hatte die Freundschaft der Familien veranlaßt; Marthas Eltern waren früh gestorben) an Helenen, wie an seinem Ideal gehangen. Aber freilich, wie hatte sich der noch jetzt zuweilen sich einfindende Bewerber verändert! Einsilbig folgte Martha ihrer Freundin, um noch die Mutter zu begrüßen. Althing, der, heute ein Nonplusultra von Höflichkeit, Begleitung bis über die abscheuliche „Flora“ hinaus, zu Stande gebracht hatte, kehrte in sein Atelier zurück. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0089" n="83"/> Nun regte sich Althings weiches Gemüth. Er stand rasch auf, begleitete den Besuch und fing ganz leutselig mit ihm zu plaudern an. Aber warum gehen Sie schon? Die Mutter wird sich recht freuen, Sie zu sehen! Sie waren lange nicht da! Und dazu noch <ref xml:id="TEXTdieseModekrankheitBISlindern" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLdieseModekrankheitBISlindern"> diese Modekrankheit, das menschliche Elend lindern</ref>! Haha! lachte er, doch ohne Bitterkeit; wie sich das nun ausnimmt! Die Frau Doctorin oder wie sie sich aus ihrer ersten Ehe lieber nennen hört, Frau Commerzienrath, sitzt mit Gräfinnen und Geheimräthinnen Comité und Sie, das Fräulein Ehlerdt, müssen die Sache selbst besorgen –</p> <p>Ich thu’ es gern! Ich thu’ es gern –! erwiderte Martha tonlos. Daß der Professor ihrem Bruder gleichsam das Haus verboten hatte, war ihr ein schmerzlicher Stich in’s Herz. Denn ihr Bruder, ein wissenschaftlich und praktisch gebildeter Techniker, hatte von je (nachbarliches Wohnen hatte die Freundschaft der Familien veranlaßt; Marthas Eltern waren früh gestorben) an Helenen, wie an seinem Ideal gehangen. Aber freilich, wie hatte sich der noch jetzt zuweilen sich einfindende Bewerber verändert! Einsilbig folgte Martha ihrer Freundin, um noch die Mutter zu begrüßen. </p> <p>Althing, der, heute ein Nonplusultra von Höflichkeit, Begleitung bis über die abscheuliche „Flora“ hinaus, zu Stande gebracht hatte, kehrte in sein Atelier zurück. </p> <p> </p> </div> </body> </text> </TEI> [83/0089]
Nun regte sich Althings weiches Gemüth. Er stand rasch auf, begleitete den Besuch und fing ganz leutselig mit ihm zu plaudern an. Aber warum gehen Sie schon? Die Mutter wird sich recht freuen, Sie zu sehen! Sie waren lange nicht da! Und dazu noch diese Modekrankheit, das menschliche Elend lindern! Haha! lachte er, doch ohne Bitterkeit; wie sich das nun ausnimmt! Die Frau Doctorin oder wie sie sich aus ihrer ersten Ehe lieber nennen hört, Frau Commerzienrath, sitzt mit Gräfinnen und Geheimräthinnen Comité und Sie, das Fräulein Ehlerdt, müssen die Sache selbst besorgen –
Ich thu’ es gern! Ich thu’ es gern –! erwiderte Martha tonlos. Daß der Professor ihrem Bruder gleichsam das Haus verboten hatte, war ihr ein schmerzlicher Stich in’s Herz. Denn ihr Bruder, ein wissenschaftlich und praktisch gebildeter Techniker, hatte von je (nachbarliches Wohnen hatte die Freundschaft der Familien veranlaßt; Marthas Eltern waren früh gestorben) an Helenen, wie an seinem Ideal gehangen. Aber freilich, wie hatte sich der noch jetzt zuweilen sich einfindende Bewerber verändert! Einsilbig folgte Martha ihrer Freundin, um noch die Mutter zu begrüßen.
Althing, der, heute ein Nonplusultra von Höflichkeit, Begleitung bis über die abscheuliche „Flora“ hinaus, zu Stande gebracht hatte, kehrte in sein Atelier zurück.
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