Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.Althing senior würde im Montagsclub gesagt haben: Das kam daher, weil die alten Künstler arbeiteten und nicht nebenbei über ihre Kunst schriftstellerten! Unsere Recensenten sind ja lauter verdorbne Producenten! Die haben die Maßstäbe dann zum Aerger der Andern, die was können, bis in's Ungeheure übertrieben! Wahr ist freilich, ein Bildhaueratelier muß schon sehr von hochgezogenen Myrthen und Oleandern beschattet sein, muß sorgsam gepflegte Beete mit allerlei ausgewählten Saisonblumen und bunter Steinchenmosaik und Berieselung durch ein Springbrünnelein um sich haben, um die Spuren des theilweise in die gewöhnliche Steinmetzarbeit übergehenden Geschäfts zu verdecken. Für den Handwerker im Bildhauer treten untergeordnete Hülfsarbeiter ein, sogenannte Punktirer, die nach bestimmten, vom Meister angezeigten Punkten den Marmor behauen und ihn dem Bilde, das der edle Stein vorstellen soll, entgegenführen. Plümicke und Blaumeißel hießen Meister Althings seit Jahren beschäftigte Punktirer. Der erstere wohnte sogar im obersten Stock des Ateliers, also einer Dachwohnung, wo der Mensch beständig gebückt und wider Willen demüthig einhergehen mußte. Er hatte das Wächteramt über die etwas tief im Garten des so "hochfeinen" Hauses, das Althing bewohnte, gelegene Werk- Althing senior würde im Montagsclub gesagt haben: Das kam daher, weil die alten Künstler arbeiteten und nicht nebenbei über ihre Kunst schriftstellerten! Unsere Recensenten sind ja lauter verdorbne Producenten! Die haben die Maßstäbe dann zum Aerger der Andern, die was können, bis in’s Ungeheure übertrieben! Wahr ist freilich, ein Bildhaueratelier muß schon sehr von hochgezogenen Myrthen und Oleandern beschattet sein, muß sorgsam gepflegte Beete mit allerlei ausgewählten Saisonblumen und bunter Steinchenmosaik und Berieselung durch ein Springbrünnelein um sich haben, um die Spuren des theilweise in die gewöhnliche Steinmetzarbeit übergehenden Geschäfts zu verdecken. Für den Handwerker im Bildhauer treten untergeordnete Hülfsarbeiter ein, sogenannte Punktirer, die nach bestimmten, vom Meister angezeigten Punkten den Marmor behauen und ihn dem Bilde, das der edle Stein vorstellen soll, entgegenführen. Plümicke und Blaumeißel hießen Meister Althings seit Jahren beschäftigte Punktirer. Der erstere wohnte sogar im obersten Stock des Ateliers, also einer Dachwohnung, wo der Mensch beständig gebückt und wider Willen demüthig einhergehen mußte. Er hatte das Wächteramt über die etwas tief im Garten des so „hochfeinen“ Hauses, das Althing bewohnte, gelegene Werk- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0076" n="70"/> Althing senior würde im Montagsclub gesagt haben: Das kam daher, weil die alten Künstler arbeiteten und nicht nebenbei über ihre Kunst schriftstellerten! Unsere Recensenten sind ja lauter verdorbne Producenten! Die haben die Maßstäbe dann zum Aerger der Andern, die was können, bis in’s Ungeheure übertrieben! </p> <p>Wahr ist freilich, ein Bildhaueratelier muß schon sehr von hochgezogenen Myrthen und Oleandern beschattet sein, muß sorgsam gepflegte Beete mit allerlei ausgewählten Saisonblumen und bunter Steinchenmosaik und Berieselung durch ein Springbrünnelein um sich haben, um die Spuren des theilweise in die gewöhnliche Steinmetzarbeit übergehenden Geschäfts zu verdecken. </p> <p>Für den Handwerker im Bildhauer treten untergeordnete Hülfsarbeiter ein, sogenannte Punktirer, die nach bestimmten, vom Meister angezeigten Punkten den Marmor behauen und ihn dem Bilde, das der edle Stein vorstellen soll, entgegenführen. </p> <p>Plümicke und Blaumeißel hießen Meister Althings seit Jahren beschäftigte Punktirer. Der erstere wohnte sogar im obersten Stock des Ateliers, also einer Dachwohnung, wo der Mensch beständig gebückt und wider Willen demüthig einhergehen mußte. Er hatte das Wächteramt über die etwas tief im Garten <ref xml:id="TEXTdessoBISHauses" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLdessoBISHauses">des so „hochfeinen“ Hauses</ref>, das Althing bewohnte, gelegene Werk- </p> </div> </body> </text> </TEI> [70/0076]
Althing senior würde im Montagsclub gesagt haben: Das kam daher, weil die alten Künstler arbeiteten und nicht nebenbei über ihre Kunst schriftstellerten! Unsere Recensenten sind ja lauter verdorbne Producenten! Die haben die Maßstäbe dann zum Aerger der Andern, die was können, bis in’s Ungeheure übertrieben!
Wahr ist freilich, ein Bildhaueratelier muß schon sehr von hochgezogenen Myrthen und Oleandern beschattet sein, muß sorgsam gepflegte Beete mit allerlei ausgewählten Saisonblumen und bunter Steinchenmosaik und Berieselung durch ein Springbrünnelein um sich haben, um die Spuren des theilweise in die gewöhnliche Steinmetzarbeit übergehenden Geschäfts zu verdecken.
Für den Handwerker im Bildhauer treten untergeordnete Hülfsarbeiter ein, sogenannte Punktirer, die nach bestimmten, vom Meister angezeigten Punkten den Marmor behauen und ihn dem Bilde, das der edle Stein vorstellen soll, entgegenführen.
Plümicke und Blaumeißel hießen Meister Althings seit Jahren beschäftigte Punktirer. Der erstere wohnte sogar im obersten Stock des Ateliers, also einer Dachwohnung, wo der Mensch beständig gebückt und wider Willen demüthig einhergehen mußte. Er hatte das Wächteramt über die etwas tief im Garten des so „hochfeinen“ Hauses, das Althing bewohnte, gelegene Werk-
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/76>, abgerufen am 16.02.2025. |