Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.beunruhigen! Daß Ihre Gemahlin den Schritt wagt, selbst die Feder zu ergreifen, ist eine wahre Grausamkeit gegen ein trauerndes Herz und eine Unvorsichtigkeit sonder Gleichen gegen die Tante des Grafen! Die letzten Worte sprach Althing schon auf dem Vorplatz für sich allein. Denn der Alte, in dessen gefurchten Gesichtszügen sich auch keine Spur von einer tiefer gehenden Theilnahme für die ihn so nahe berührende Angelegenheit zeigte, schloß schon die Thüre zu, wie wenn sie nur aus Versehen offen gestanden hätte und warf die innere ebenfalls heftig in's Schloß. Noch hatte der so spröde Zurückgewiesene in einer Ecke Visirstangen mit bunten Fähnchen, auch an der Wand einen Revolver erblickt. Er hörte nur noch ein unausgesetztes widerwärtiges Papperlapap! Daß sich hier ein geheimnißvoller Lebensconflict offenbarte, schien nun dem Sendboten außer Zweifel zu sein. Ottomar vergegenwärtigte sich die Beschämung seines Freundes, Zeilen von jener Hand zu erhalten. Es hatten sich welche im Nachlaß vorgefunden. Heruntergekommen bis zum Bettler schien dieser Alte doch nicht. Der mit Scripturen bedeckte Tisch deutete auf eine regelmäßige Beschäftigung. Ein Glaskasten mit ausgestopften Vögeln gehörte vielleicht dem Vermiether der Zimmer an. Aber eine reiche Anzahl von wohlgeordneten Büchern beunruhigen! Daß Ihre Gemahlin den Schritt wagt, selbst die Feder zu ergreifen, ist eine wahre Grausamkeit gegen ein trauerndes Herz und eine Unvorsichtigkeit sonder Gleichen gegen die Tante des Grafen! Die letzten Worte sprach Althing schon auf dem Vorplatz für sich allein. Denn der Alte, in dessen gefurchten Gesichtszügen sich auch keine Spur von einer tiefer gehenden Theilnahme für die ihn so nahe berührende Angelegenheit zeigte, schloß schon die Thüre zu, wie wenn sie nur aus Versehen offen gestanden hätte und warf die innere ebenfalls heftig in’s Schloß. Noch hatte der so spröde Zurückgewiesene in einer Ecke Visirstangen mit bunten Fähnchen, auch an der Wand einen Revolver erblickt. Er hörte nur noch ein unausgesetztes widerwärtiges Papperlapap! Daß sich hier ein geheimnißvoller Lebensconflict offenbarte, schien nun dem Sendboten außer Zweifel zu sein. Ottomar vergegenwärtigte sich die Beschämung seines Freundes, Zeilen von jener Hand zu erhalten. Es hatten sich welche im Nachlaß vorgefunden. Heruntergekommen bis zum Bettler schien dieser Alte doch nicht. Der mit Scripturen bedeckte Tisch deutete auf eine regelmäßige Beschäftigung. Ein Glaskasten mit ausgestopften Vögeln gehörte vielleicht dem Vermiether der Zimmer an. Aber eine reiche Anzahl von wohlgeordneten Büchern <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0072" n="66"/> beunruhigen! Daß Ihre Gemahlin den Schritt wagt, selbst die Feder zu ergreifen, ist eine wahre Grausamkeit gegen ein trauerndes Herz und eine Unvorsichtigkeit sonder Gleichen gegen die Tante des Grafen! </p> <p>Die letzten Worte sprach Althing schon auf dem Vorplatz für sich allein. Denn der Alte, in dessen gefurchten Gesichtszügen sich auch keine Spur von einer tiefer gehenden Theilnahme für die ihn so nahe berührende Angelegenheit zeigte, schloß schon die Thüre zu, wie wenn sie nur aus Versehen offen gestanden hätte und warf die innere ebenfalls heftig in’s Schloß. Noch hatte der so spröde Zurückgewiesene in einer Ecke <ref xml:id="TEXTVisirstangen" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLVisirstangen">Visirstangen</ref> mit bunten Fähnchen, auch an der Wand einen Revolver erblickt. Er hörte nur noch ein unausgesetztes widerwärtiges Papperlapap! </p> <p>Daß sich hier ein geheimnißvoller Lebensconflict offenbarte, schien nun dem Sendboten außer Zweifel zu sein. Ottomar vergegenwärtigte sich die Beschämung seines Freundes, Zeilen von jener Hand zu erhalten. Es hatten sich welche im Nachlaß vorgefunden. Heruntergekommen bis zum Bettler schien dieser Alte doch nicht. Der mit Scripturen bedeckte Tisch deutete auf eine regelmäßige Beschäftigung. Ein Glaskasten mit ausgestopften Vögeln gehörte vielleicht dem Vermiether der Zimmer an. Aber eine reiche Anzahl von wohlgeordneten Büchern </p> </div> </body> </text> </TEI> [66/0072]
beunruhigen! Daß Ihre Gemahlin den Schritt wagt, selbst die Feder zu ergreifen, ist eine wahre Grausamkeit gegen ein trauerndes Herz und eine Unvorsichtigkeit sonder Gleichen gegen die Tante des Grafen!
Die letzten Worte sprach Althing schon auf dem Vorplatz für sich allein. Denn der Alte, in dessen gefurchten Gesichtszügen sich auch keine Spur von einer tiefer gehenden Theilnahme für die ihn so nahe berührende Angelegenheit zeigte, schloß schon die Thüre zu, wie wenn sie nur aus Versehen offen gestanden hätte und warf die innere ebenfalls heftig in’s Schloß. Noch hatte der so spröde Zurückgewiesene in einer Ecke Visirstangen mit bunten Fähnchen, auch an der Wand einen Revolver erblickt. Er hörte nur noch ein unausgesetztes widerwärtiges Papperlapap!
Daß sich hier ein geheimnißvoller Lebensconflict offenbarte, schien nun dem Sendboten außer Zweifel zu sein. Ottomar vergegenwärtigte sich die Beschämung seines Freundes, Zeilen von jener Hand zu erhalten. Es hatten sich welche im Nachlaß vorgefunden. Heruntergekommen bis zum Bettler schien dieser Alte doch nicht. Der mit Scripturen bedeckte Tisch deutete auf eine regelmäßige Beschäftigung. Ein Glaskasten mit ausgestopften Vögeln gehörte vielleicht dem Vermiether der Zimmer an. Aber eine reiche Anzahl von wohlgeordneten Büchern
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/72 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/72>, abgerufen am 16.02.2025. |