Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.Sie mir unter'm Tisch kräftig die Hand, mir wird ohnmächtig! Still! Still! fügte sie sogleich hinzu, als sie Ottomar in Begriff sah, statt dessen aufzuspringen. Er hatte einen Blick auf Adas entfärbte Wangen geworfen. Sie zog ihn aber förmlich nieder, drückte ihm dabei so krampfhaft die Hand, als sollte sich ihr ganzes erlöschendes Lebensfeuer an dem seinigen wiederanzünden, und hauchte nur: Bleiben Sie sitzen! Ich finde mich schon! Mit dem magnetischen Nachgefühl dieses Handdrucks, der mit einer Gewalt erfolgte, wie ihm noch kein Mann die Rechte gegeben, wurde das Mahl aufgehoben, die Gesellschaft schwebte oder schwankte zu Paaren in die leeren, kaltgewordenen Salons zurück. Noch sah Ottomar Adas Wagen abfahren. Er hatte nicht mehr von ihr Abschied genommen, auch von der Generalin nicht. Nur Wolny suchte er, um Aufklärung über alles Vorgefallene zu erhalten. Dieser sagte rasch ablehnend: Morgen! Morgen! und wandte sich sogleich den Honneurs zu, die er zu machen hatte. Da ging denn auch er. Zu Fuß. Erst mit Vielen, allmälig wurden es wenigere. Der Pastor Siegfried war darunter. Ottomar mußte den Kopf schütteln in Erinnerung an die Generalin, die ihm auch heute wieder mit dem Fächer gedroht und gesagt hatte: Herr Althing, Sie sind Demokrat und was noch schlimmer ist, frivol! Alle Bildhauer sind frivol! Die Erörterungen, warum Sie mir unter’m Tisch kräftig die Hand, mir wird ohnmächtig! Still! Still! fügte sie sogleich hinzu, als sie Ottomar in Begriff sah, statt dessen aufzuspringen. Er hatte einen Blick auf Adas entfärbte Wangen geworfen. Sie zog ihn aber förmlich nieder, drückte ihm dabei so krampfhaft die Hand, als sollte sich ihr ganzes erlöschendes Lebensfeuer an dem seinigen wiederanzünden, und hauchte nur: Bleiben Sie sitzen! Ich finde mich schon! Mit dem magnetischen Nachgefühl dieses Handdrucks, der mit einer Gewalt erfolgte, wie ihm noch kein Mann die Rechte gegeben, wurde das Mahl aufgehoben, die Gesellschaft schwebte oder schwankte zu Paaren in die leeren, kaltgewordenen Salons zurück. Noch sah Ottomar Adas Wagen abfahren. Er hatte nicht mehr von ihr Abschied genommen, auch von der Generalin nicht. Nur Wolny suchte er, um Aufklärung über alles Vorgefallene zu erhalten. Dieser sagte rasch ablehnend: Morgen! Morgen! und wandte sich sogleich den Honneurs zu, die er zu machen hatte. Da ging denn auch er. Zu Fuß. Erst mit Vielen, allmälig wurden es wenigere. Der Pastor Siegfried war darunter. Ottomar mußte den Kopf schütteln in Erinnerung an die Generalin, die ihm auch heute wieder mit dem Fächer gedroht und gesagt hatte: Herr Althing, Sie sind Demokrat und was noch schlimmer ist, frivol! Alle Bildhauer sind frivol! Die Erörterungen, warum <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0273" n="267"/> Sie mir unter’m Tisch kräftig die Hand, mir wird ohnmächtig! Still! Still! fügte sie sogleich hinzu, als sie Ottomar in Begriff sah, statt dessen aufzuspringen. Er hatte einen Blick auf Adas entfärbte Wangen geworfen. Sie zog ihn aber förmlich nieder, drückte ihm dabei so krampfhaft die Hand, als sollte sich ihr ganzes erlöschendes Lebensfeuer an dem seinigen wiederanzünden, und hauchte nur: Bleiben Sie sitzen! Ich finde mich schon! </p> <p>Mit dem magnetischen Nachgefühl dieses Handdrucks, der mit einer Gewalt erfolgte, wie ihm noch kein Mann die Rechte gegeben, wurde das Mahl aufgehoben, die Gesellschaft schwebte oder schwankte zu Paaren in die leeren, kaltgewordenen Salons zurück. Noch sah Ottomar Adas Wagen abfahren. Er hatte nicht mehr von ihr Abschied genommen, auch von der Generalin nicht. Nur Wolny suchte er, um Aufklärung über alles Vorgefallene zu erhalten. Dieser sagte rasch ablehnend: Morgen! Morgen! und wandte sich sogleich den Honneurs zu, die er zu machen hatte. Da ging denn auch er. Zu Fuß. Erst mit Vielen, allmälig wurden es wenigere. Der Pastor Siegfried war darunter. Ottomar mußte den Kopf schütteln in Erinnerung an die Generalin, die ihm auch heute wieder mit dem Fächer gedroht und gesagt hatte: Herr Althing, Sie sind Demokrat und was noch schlimmer ist, frivol! Alle Bildhauer sind frivol! Die Erörterungen, warum </p> </div> </body> </text> </TEI> [267/0273]
Sie mir unter’m Tisch kräftig die Hand, mir wird ohnmächtig! Still! Still! fügte sie sogleich hinzu, als sie Ottomar in Begriff sah, statt dessen aufzuspringen. Er hatte einen Blick auf Adas entfärbte Wangen geworfen. Sie zog ihn aber förmlich nieder, drückte ihm dabei so krampfhaft die Hand, als sollte sich ihr ganzes erlöschendes Lebensfeuer an dem seinigen wiederanzünden, und hauchte nur: Bleiben Sie sitzen! Ich finde mich schon!
Mit dem magnetischen Nachgefühl dieses Handdrucks, der mit einer Gewalt erfolgte, wie ihm noch kein Mann die Rechte gegeben, wurde das Mahl aufgehoben, die Gesellschaft schwebte oder schwankte zu Paaren in die leeren, kaltgewordenen Salons zurück. Noch sah Ottomar Adas Wagen abfahren. Er hatte nicht mehr von ihr Abschied genommen, auch von der Generalin nicht. Nur Wolny suchte er, um Aufklärung über alles Vorgefallene zu erhalten. Dieser sagte rasch ablehnend: Morgen! Morgen! und wandte sich sogleich den Honneurs zu, die er zu machen hatte. Da ging denn auch er. Zu Fuß. Erst mit Vielen, allmälig wurden es wenigere. Der Pastor Siegfried war darunter. Ottomar mußte den Kopf schütteln in Erinnerung an die Generalin, die ihm auch heute wieder mit dem Fächer gedroht und gesagt hatte: Herr Althing, Sie sind Demokrat und was noch schlimmer ist, frivol! Alle Bildhauer sind frivol! Die Erörterungen, warum
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/273 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/273>, abgerufen am 18.07.2024. |