Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.Grunde gemachten Heftigkeit gleich Anfangs bedungen. Denken Sie doch an die fürchterliche Langeweile, die auf einem Balle die Statisten zu überstehen haben! hatte sie auch heute gesagt, als sich der Schwarm von Verehrern verzogen hatte und Ottomar wieder mit der lieblichen Erscheinung allein in einem der kleinen Boudoirs sich befand, wo sich die Gaben Florens mit Marmorbildern und goldgerahmten Gemälden zu einem wahrhaft idealen Aufenthalt vereinigten. Man stiehlt ja dem lieben Herrgott die Zeit, die uns nach dem neuen Unglauben so spärlich zugemessen ist! Glauben Sie denn auch an ein Jenseits? Wenn Gott Nichts mehr gilt, giebt's eine Revolution, wo Nichts mehr auf dem alten Flecke bleibt! Wenn dann Ottomar, fast zu ihren Füßen auf niedrigem Rollsessel sitzend, ganz in dem Geist, der für sie so fesselnd war, nur erwiderte: Was? Sie geizen schon mit Ihrer Zeit? so sagte sie ganz offen heraus: Ja, Herr Althing, ich finde jeden Morgen ein graues Haar bei meiner Toilette! Dann sprach sie, während die Tüllwolke um ihren Hals sich hob, von Bergen voll Kummer, die auf ihrer Brust lägen. Ginge es nach der Mutter, sprach sie, so würde die sagen, wie sagt Schiller? Aber zum Wetter, hatte Ottomar entgegnet, wie kann ich denn wissen, was Schiller sagen soll? Grunde gemachten Heftigkeit gleich Anfangs bedungen. Denken Sie doch an die fürchterliche Langeweile, die auf einem Balle die Statisten zu überstehen haben! hatte sie auch heute gesagt, als sich der Schwarm von Verehrern verzogen hatte und Ottomar wieder mit der lieblichen Erscheinung allein in einem der kleinen Boudoirs sich befand, wo sich die Gaben Florens mit Marmorbildern und goldgerahmten Gemälden zu einem wahrhaft idealen Aufenthalt vereinigten. Man stiehlt ja dem lieben Herrgott die Zeit, die uns nach dem neuen Unglauben so spärlich zugemessen ist! Glauben Sie denn auch an ein Jenseits? Wenn Gott Nichts mehr gilt, giebt’s eine Revolution, wo Nichts mehr auf dem alten Flecke bleibt! Wenn dann Ottomar, fast zu ihren Füßen auf niedrigem Rollsessel sitzend, ganz in dem Geist, der für sie so fesselnd war, nur erwiderte: Was? Sie geizen schon mit Ihrer Zeit? so sagte sie ganz offen heraus: Ja, Herr Althing, ich finde jeden Morgen ein graues Haar bei meiner Toilette! Dann sprach sie, während die Tüllwolke um ihren Hals sich hob, von Bergen voll Kummer, die auf ihrer Brust lägen. Ginge es nach der Mutter, sprach sie, so würde die sagen, wie sagt Schiller? Aber zum Wetter, hatte Ottomar entgegnet, wie kann ich denn wissen, was Schiller sagen soll? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0268" n="262"/> Grunde gemachten Heftigkeit gleich Anfangs bedungen. Denken Sie doch an die fürchterliche Langeweile, die auf einem Balle die Statisten zu überstehen haben! hatte sie auch heute gesagt, als sich der Schwarm von Verehrern verzogen hatte und Ottomar wieder mit der lieblichen Erscheinung allein in einem der kleinen Boudoirs sich befand, wo sich die Gaben Florens mit Marmorbildern und goldgerahmten Gemälden zu einem wahrhaft idealen Aufenthalt vereinigten. Man stiehlt ja dem lieben Herrgott die Zeit, die uns nach dem neuen Unglauben so spärlich zugemessen ist! Glauben Sie denn auch an ein Jenseits? Wenn Gott Nichts mehr gilt, giebt’s eine Revolution, wo Nichts mehr auf dem alten Flecke bleibt! </p> <p>Wenn dann Ottomar, fast zu ihren Füßen auf niedrigem Rollsessel sitzend, ganz in dem Geist, der für sie so fesselnd war, nur erwiderte: Was? Sie geizen schon mit Ihrer Zeit? so sagte sie ganz offen heraus: Ja, Herr Althing, ich finde jeden Morgen ein graues Haar bei meiner Toilette! Dann sprach sie, während die Tüllwolke um ihren Hals sich hob, von Bergen voll Kummer, die auf ihrer Brust lägen. Ginge es nach der Mutter, sprach sie, so würde die sagen, <ref xml:id="TEXTwiesagtSchiller" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLwiesagtSchiller">wie sagt Schiller?</ref> </p> <p> Aber zum Wetter, hatte Ottomar entgegnet, wie kann ich denn wissen, was Schiller sagen soll? </p> <p> </p> </div> </body> </text> </TEI> [262/0268]
Grunde gemachten Heftigkeit gleich Anfangs bedungen. Denken Sie doch an die fürchterliche Langeweile, die auf einem Balle die Statisten zu überstehen haben! hatte sie auch heute gesagt, als sich der Schwarm von Verehrern verzogen hatte und Ottomar wieder mit der lieblichen Erscheinung allein in einem der kleinen Boudoirs sich befand, wo sich die Gaben Florens mit Marmorbildern und goldgerahmten Gemälden zu einem wahrhaft idealen Aufenthalt vereinigten. Man stiehlt ja dem lieben Herrgott die Zeit, die uns nach dem neuen Unglauben so spärlich zugemessen ist! Glauben Sie denn auch an ein Jenseits? Wenn Gott Nichts mehr gilt, giebt’s eine Revolution, wo Nichts mehr auf dem alten Flecke bleibt!
Wenn dann Ottomar, fast zu ihren Füßen auf niedrigem Rollsessel sitzend, ganz in dem Geist, der für sie so fesselnd war, nur erwiderte: Was? Sie geizen schon mit Ihrer Zeit? so sagte sie ganz offen heraus: Ja, Herr Althing, ich finde jeden Morgen ein graues Haar bei meiner Toilette! Dann sprach sie, während die Tüllwolke um ihren Hals sich hob, von Bergen voll Kummer, die auf ihrer Brust lägen. Ginge es nach der Mutter, sprach sie, so würde die sagen, wie sagt Schiller?
Aber zum Wetter, hatte Ottomar entgegnet, wie kann ich denn wissen, was Schiller sagen soll?
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/268>, abgerufen am 18.07.2024. |