Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.Ihr nie lesen! Habe ich Ihnen nicht in jener Nacht, als wir am Bett meiner Frau in meinem wenig benutzten Arbeitszimmer zusammen wachten, Alles ausführlich erzählt? Es war die feierlichste Stunde meines Lebens! sprach Martha mit niederblickendem Auge. Ihre Haltung war zitternd bewegt. Sie konnte nicht anders, als dies Geständniß wie etwas Drückendes nothwendig von der Brust werfen. Auch durch Wolnys Inneres ließ dies begeisterte Zugeständniß des heroinenhaften, wie von einem Seherblick gehobenen Mädchens einen Feuerstrom gleiten. Doch beherrschte er sich. Er sah eine Weile die durch eine geschmackvolle Toilette gehobene Gestalt in anderem Lichte, sah die nahe bevorstehende traurige Zukunft, fühlte auch den Augenblick, der durch das rauschende Gewühl des Balles, durch die Musik, die Tanzrhythmen gehoben wurde. Es ergriff ihn ein Wirbel der Bewußtlosigkeit, als hätte er - Martha sah das mit Schrecken an ihrem heute so bevorzugten Bruder - getrunken von dem schon lange vor dem Souper lediglich zur Abkühlung herumgereichten Champagner. Liebe war es, Liebe, sagte Wolny, die mich um diese Frau hatte werben lassen! Denn was verbietet denn einem jüngern Manne, auch die Gereiftere Ihres Geschlechts seiner Liebe für werth zu halten? Wer Ihr nie lesen! Habe ich Ihnen nicht in jener Nacht, als wir am Bett meiner Frau in meinem wenig benutzten Arbeitszimmer zusammen wachten, Alles ausführlich erzählt? Es war die feierlichste Stunde meines Lebens! sprach Martha mit niederblickendem Auge. Ihre Haltung war zitternd bewegt. Sie konnte nicht anders, als dies Geständniß wie etwas Drückendes nothwendig von der Brust werfen. Auch durch Wolnys Inneres ließ dies begeisterte Zugeständniß des heroinenhaften, wie von einem Seherblick gehobenen Mädchens einen Feuerstrom gleiten. Doch beherrschte er sich. Er sah eine Weile die durch eine geschmackvolle Toilette gehobene Gestalt in anderem Lichte, sah die nahe bevorstehende traurige Zukunft, fühlte auch den Augenblick, der durch das rauschende Gewühl des Balles, durch die Musik, die Tanzrhythmen gehoben wurde. Es ergriff ihn ein Wirbel der Bewußtlosigkeit, als hätte er – Martha sah das mit Schrecken an ihrem heute so bevorzugten Bruder – getrunken von dem schon lange vor dem Souper lediglich zur Abkühlung herumgereichten Champagner. Liebe war es, Liebe, sagte Wolny, die mich um diese Frau hatte werben lassen! Denn was verbietet denn einem jüngern Manne, auch die Gereiftere Ihres Geschlechts seiner Liebe für werth zu halten? Wer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0250" n="244"/> Ihr nie lesen! Habe ich Ihnen nicht in jener Nacht, als wir am Bett meiner Frau in meinem wenig benutzten Arbeitszimmer zusammen wachten, Alles ausführlich erzählt? </p> <p>Es war die feierlichste Stunde meines Lebens! sprach Martha mit niederblickendem Auge. Ihre Haltung war zitternd bewegt. Sie konnte nicht anders, als dies Geständniß wie etwas Drückendes nothwendig von der Brust werfen. </p> <p>Auch durch Wolnys Inneres ließ dies begeisterte Zugeständniß des heroinenhaften, wie von einem Seherblick gehobenen Mädchens einen Feuerstrom gleiten. Doch beherrschte er sich. Er sah eine Weile die durch eine geschmackvolle Toilette gehobene Gestalt in anderem Lichte, sah die nahe bevorstehende traurige Zukunft, fühlte auch den Augenblick, der durch das rauschende Gewühl des Balles, durch die Musik, die Tanzrhythmen gehoben wurde. Es ergriff ihn ein Wirbel der Bewußtlosigkeit, als hätte er – Martha sah das mit Schrecken an ihrem heute so bevorzugten Bruder – getrunken von dem schon lange vor dem Souper lediglich zur Abkühlung herumgereichten Champagner. Liebe war es, Liebe, sagte Wolny, die mich um diese Frau hatte werben lassen! Denn was verbietet denn einem jüngern Manne, auch die Gereiftere Ihres Geschlechts seiner Liebe für werth zu halten? Wer </p> </div> </body> </text> </TEI> [244/0250]
Ihr nie lesen! Habe ich Ihnen nicht in jener Nacht, als wir am Bett meiner Frau in meinem wenig benutzten Arbeitszimmer zusammen wachten, Alles ausführlich erzählt?
Es war die feierlichste Stunde meines Lebens! sprach Martha mit niederblickendem Auge. Ihre Haltung war zitternd bewegt. Sie konnte nicht anders, als dies Geständniß wie etwas Drückendes nothwendig von der Brust werfen.
Auch durch Wolnys Inneres ließ dies begeisterte Zugeständniß des heroinenhaften, wie von einem Seherblick gehobenen Mädchens einen Feuerstrom gleiten. Doch beherrschte er sich. Er sah eine Weile die durch eine geschmackvolle Toilette gehobene Gestalt in anderem Lichte, sah die nahe bevorstehende traurige Zukunft, fühlte auch den Augenblick, der durch das rauschende Gewühl des Balles, durch die Musik, die Tanzrhythmen gehoben wurde. Es ergriff ihn ein Wirbel der Bewußtlosigkeit, als hätte er – Martha sah das mit Schrecken an ihrem heute so bevorzugten Bruder – getrunken von dem schon lange vor dem Souper lediglich zur Abkühlung herumgereichten Champagner. Liebe war es, Liebe, sagte Wolny, die mich um diese Frau hatte werben lassen! Denn was verbietet denn einem jüngern Manne, auch die Gereiftere Ihres Geschlechts seiner Liebe für werth zu halten? Wer
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