Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.hätte, als bevorstehende Gräfin Treuenfels, mit ihrer Mutter den Mittelpunkt des Abends bilden sollen. Aber in unsrer Zeit einen Mittelpunkt bilden! Die Generalin war außer sich über ihre Schwäche, dieser Einladung nachgegeben zu haben! Es war ja nur, um der unglücklichen Frau Rabe nicht wehe zu thun und Ada nicht zu Excentricitäten zu veranlassen. Die Mamsell da im Hause soll ja Herrn Wolnys Amour sein! sagte die Mutter herablassend schon auf der Treppe. Mich jammert die Arme, - das so mit schon halbtodtem Leibe mit ansehen zu müssen -! Sie sprach das ihrem geliebten Sohne nach, den sie überall auf Alles, was ihr Mesquines, Demokratisches, Incorrectes vorzukommen schien, aufmerksam machte. Leider fand die Frau in veilchenblauer Seide mit schwarzen Spitzen, die eine Brillantnadel zusammenhielt, wenig Ohren für ihre Bemerkungen. Nur die Frau des Assessors Rabe, eine lange, dürre, unheimliche Gestalt mit überwachten, falschen Nachtgespensteraugen blieb ihr immer zur Seite, weil ihr abwechselnd ein Commerzienrath Baron Cohn und Forbeck den Hof machten. Man hatte gemeiniglich die Ansicht, daß diese Frau, ehe sie den Assessor Rabe heirathete und noch später, als sie sogar schon zweimal unrichtig "Mutter" gewesen, den Lehrer ihres Mannes, ihren Schwäher, liebte. Ja, wenn sie sich heftig mit ihrem Manne hätte, als bevorstehende Gräfin Treuenfels, mit ihrer Mutter den Mittelpunkt des Abends bilden sollen. Aber in unsrer Zeit einen Mittelpunkt bilden! Die Generalin war außer sich über ihre Schwäche, dieser Einladung nachgegeben zu haben! Es war ja nur, um der unglücklichen Frau Rabe nicht wehe zu thun und Ada nicht zu Excentricitäten zu veranlassen. Die Mamsell da im Hause soll ja Herrn Wolnys Amour sein! sagte die Mutter herablassend schon auf der Treppe. Mich jammert die Arme, – das so mit schon halbtodtem Leibe mit ansehen zu müssen –! Sie sprach das ihrem geliebten Sohne nach, den sie überall auf Alles, was ihr Mesquines, Demokratisches, Incorrectes vorzukommen schien, aufmerksam machte. Leider fand die Frau in veilchenblauer Seide mit schwarzen Spitzen, die eine Brillantnadel zusammenhielt, wenig Ohren für ihre Bemerkungen. Nur die Frau des Assessors Rabe, eine lange, dürre, unheimliche Gestalt mit überwachten, falschen Nachtgespensteraugen blieb ihr immer zur Seite, weil ihr abwechselnd ein Commerzienrath Baron Cohn und Forbeck den Hof machten. Man hatte gemeiniglich die Ansicht, daß diese Frau, ehe sie den Assessor Rabe heirathete und noch später, als sie sogar schon zweimal unrichtig „Mutter“ gewesen, den Lehrer ihres Mannes, ihren Schwäher, liebte. Ja, wenn sie sich heftig mit ihrem Manne <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0245" n="239"/> hätte, als bevorstehende Gräfin Treuenfels, mit ihrer Mutter den Mittelpunkt des Abends bilden sollen. Aber in unsrer Zeit einen Mittelpunkt bilden! Die Generalin war außer sich über ihre Schwäche, dieser Einladung nachgegeben zu haben! Es war ja nur, um der unglücklichen Frau Rabe nicht wehe zu thun und Ada nicht zu Excentricitäten zu veranlassen. Die Mamsell da im Hause soll ja Herrn Wolnys Amour sein! sagte die Mutter herablassend schon auf der Treppe. Mich jammert die Arme, – das so mit schon halbtodtem Leibe mit ansehen zu müssen –! Sie sprach das ihrem geliebten Sohne nach, den sie überall auf Alles, was ihr <ref xml:id="TEXTMesquines" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLMesquines">Mesquines</ref>, Demokratisches, Incorrectes vorzukommen schien, aufmerksam machte. Leider fand die Frau in veilchenblauer Seide mit schwarzen Spitzen, die eine Brillantnadel zusammenhielt, wenig Ohren für ihre Bemerkungen. Nur die Frau des Assessors Rabe, eine lange, dürre, unheimliche Gestalt mit überwachten, falschen Nachtgespensteraugen blieb ihr immer zur Seite, weil ihr abwechselnd ein Commerzienrath Baron Cohn und Forbeck den Hof machten. Man hatte gemeiniglich die Ansicht, daß diese Frau, ehe sie den Assessor Rabe heirathete und noch später, als sie sogar schon zweimal unrichtig „Mutter“ gewesen, den Lehrer ihres Mannes, ihren <ref xml:id="TEXTSchwaeher" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLSchwaeher"> Schwäher</ref>, liebte. Ja, wenn sie sich heftig mit ihrem Manne </p> </div> </body> </text> </TEI> [239/0245]
hätte, als bevorstehende Gräfin Treuenfels, mit ihrer Mutter den Mittelpunkt des Abends bilden sollen. Aber in unsrer Zeit einen Mittelpunkt bilden! Die Generalin war außer sich über ihre Schwäche, dieser Einladung nachgegeben zu haben! Es war ja nur, um der unglücklichen Frau Rabe nicht wehe zu thun und Ada nicht zu Excentricitäten zu veranlassen. Die Mamsell da im Hause soll ja Herrn Wolnys Amour sein! sagte die Mutter herablassend schon auf der Treppe. Mich jammert die Arme, – das so mit schon halbtodtem Leibe mit ansehen zu müssen –! Sie sprach das ihrem geliebten Sohne nach, den sie überall auf Alles, was ihr Mesquines, Demokratisches, Incorrectes vorzukommen schien, aufmerksam machte. Leider fand die Frau in veilchenblauer Seide mit schwarzen Spitzen, die eine Brillantnadel zusammenhielt, wenig Ohren für ihre Bemerkungen. Nur die Frau des Assessors Rabe, eine lange, dürre, unheimliche Gestalt mit überwachten, falschen Nachtgespensteraugen blieb ihr immer zur Seite, weil ihr abwechselnd ein Commerzienrath Baron Cohn und Forbeck den Hof machten. Man hatte gemeiniglich die Ansicht, daß diese Frau, ehe sie den Assessor Rabe heirathete und noch später, als sie sogar schon zweimal unrichtig „Mutter“ gewesen, den Lehrer ihres Mannes, ihren Schwäher, liebte. Ja, wenn sie sich heftig mit ihrem Manne
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/245>, abgerufen am 16.02.2025. |