Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.rechte Juristentagbegeisterung hatten bringen können. Und "verbundene Augen"! Der Vergleich traf doch nicht ganz zu! Adas verschmitzte dunkle Augen waren im Gegentheil das Unverbundenste an ihr, immer schienen sie sagen zu wollen: Das war wohl schon wieder nicht recht? Schon wieder werfen Sie mich in die Rumpelkammer? Sie wollen mich wohl etwas lehren, was ich nicht kenne? Ich kenne z. B. das Weinen nicht! Die Thränen des Zornes nahm sie aus. Manchmal sagte sie, sie wolle gut werden. Der Tag verging mit Ottomars gewohnten Geschäften. Nicht, daß nicht dabei seine Gedanken zuweilen stockten und sein Blick unwillkürlich in die Ferne gerichtet war. Bald sah er seine geliebte Schwester Helene über Dächer und Baumwipfel hinweg einen Blick wie in's Unendliche werfen, hörte die Mutter doch noch über des Vaters wunderliches "Ich weiß, was ich weiß" seufzen, sah Ada mit einer Schneiderin über ein kostbares Costüm für den Abend im Kampf, den Grafen Udo - ein Zerrbild der Phantasie zeigte ihm den Freund - nicht auf Reisen, sondern in den Armen Aspasias. Er mußte freundlichere Vorstellungen heraufbeschwören und da dachte er mit Rührung an Martha Ehlerdt, die durch die gelobte Besserung ihres Bruders so beglückt worden war. Um acht Uhr fuhr er den weiten Weg, den er bis zu den Rabe'schen Fabrikgebäuden zu machen hatte, in rechte Juristentagbegeisterung hatten bringen können. Und „verbundene Augen“! Der Vergleich traf doch nicht ganz zu! Adas verschmitzte dunkle Augen waren im Gegentheil das Unverbundenste an ihr, immer schienen sie sagen zu wollen: Das war wohl schon wieder nicht recht? Schon wieder werfen Sie mich in die Rumpelkammer? Sie wollen mich wohl etwas lehren, was ich nicht kenne? Ich kenne z. B. das Weinen nicht! Die Thränen des Zornes nahm sie aus. Manchmal sagte sie, sie wolle gut werden. Der Tag verging mit Ottomars gewohnten Geschäften. Nicht, daß nicht dabei seine Gedanken zuweilen stockten und sein Blick unwillkürlich in die Ferne gerichtet war. Bald sah er seine geliebte Schwester Helene über Dächer und Baumwipfel hinweg einen Blick wie in’s Unendliche werfen, hörte die Mutter doch noch über des Vaters wunderliches „Ich weiß, was ich weiß“ seufzen, sah Ada mit einer Schneiderin über ein kostbares Costüm für den Abend im Kampf, den Grafen Udo – ein Zerrbild der Phantasie zeigte ihm den Freund – nicht auf Reisen, sondern in den Armen Aspasias. Er mußte freundlichere Vorstellungen heraufbeschwören und da dachte er mit Rührung an Martha Ehlerdt, die durch die gelobte Besserung ihres Bruders so beglückt worden war. Um acht Uhr fuhr er den weiten Weg, den er bis zu den Rabe’schen Fabrikgebäuden zu machen hatte, in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0229" n="223"/> rechte Juristentagbegeisterung hatten bringen können. Und „verbundene Augen“! Der Vergleich traf doch nicht ganz zu! Adas verschmitzte dunkle Augen waren im Gegentheil das Unverbundenste an ihr, immer schienen sie sagen zu wollen: Das war wohl schon wieder nicht recht? Schon wieder werfen Sie mich in die Rumpelkammer? Sie wollen mich wohl etwas lehren, was ich nicht kenne? Ich kenne z. B. das Weinen nicht! Die Thränen des Zornes nahm sie aus. Manchmal sagte sie, sie wolle gut werden. </p> <p>Der Tag verging mit Ottomars gewohnten Geschäften. Nicht, daß nicht dabei seine Gedanken zuweilen stockten und sein Blick unwillkürlich in die Ferne gerichtet war. Bald sah er seine geliebte Schwester Helene über Dächer und Baumwipfel hinweg einen Blick wie in’s Unendliche werfen, hörte die Mutter doch noch über des Vaters wunderliches „Ich weiß, was ich weiß“ seufzen, sah Ada mit einer Schneiderin über ein kostbares Costüm für den Abend im Kampf, den Grafen Udo – ein Zerrbild der Phantasie zeigte ihm den Freund – nicht auf Reisen, sondern in den Armen Aspasias. Er mußte freundlichere Vorstellungen heraufbeschwören und da dachte er mit Rührung an Martha Ehlerdt, die durch die gelobte Besserung ihres Bruders so beglückt worden war. </p> <p>Um acht Uhr fuhr er den weiten Weg, den er bis zu den Rabe’schen Fabrikgebäuden zu machen hatte, in </p> </div> </body> </text> </TEI> [223/0229]
rechte Juristentagbegeisterung hatten bringen können. Und „verbundene Augen“! Der Vergleich traf doch nicht ganz zu! Adas verschmitzte dunkle Augen waren im Gegentheil das Unverbundenste an ihr, immer schienen sie sagen zu wollen: Das war wohl schon wieder nicht recht? Schon wieder werfen Sie mich in die Rumpelkammer? Sie wollen mich wohl etwas lehren, was ich nicht kenne? Ich kenne z. B. das Weinen nicht! Die Thränen des Zornes nahm sie aus. Manchmal sagte sie, sie wolle gut werden.
Der Tag verging mit Ottomars gewohnten Geschäften. Nicht, daß nicht dabei seine Gedanken zuweilen stockten und sein Blick unwillkürlich in die Ferne gerichtet war. Bald sah er seine geliebte Schwester Helene über Dächer und Baumwipfel hinweg einen Blick wie in’s Unendliche werfen, hörte die Mutter doch noch über des Vaters wunderliches „Ich weiß, was ich weiß“ seufzen, sah Ada mit einer Schneiderin über ein kostbares Costüm für den Abend im Kampf, den Grafen Udo – ein Zerrbild der Phantasie zeigte ihm den Freund – nicht auf Reisen, sondern in den Armen Aspasias. Er mußte freundlichere Vorstellungen heraufbeschwören und da dachte er mit Rührung an Martha Ehlerdt, die durch die gelobte Besserung ihres Bruders so beglückt worden war.
Um acht Uhr fuhr er den weiten Weg, den er bis zu den Rabe’schen Fabrikgebäuden zu machen hatte, in
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