Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.Gedichte starb er, in dem andern lebte er wieder auf, ganz wie bei seinem Vorbild Heinrich Heine. Die Versöhnung Ottomars mit dem Vater machte sich plötzlich überraschend leicht. Mitten auf der Straße, im größten Lärm rannten Beide gegeneinander. Und so ist die Gewohnheit im Menschen mächtig oder die Liebe ist es, daß eine Störung derselben gar nicht in die Willenssphäre tritt. Oder wäre wohl unter freiem Himmel, an einem dritten Orte, wo Gleichgültigkeit gegen Gleichgültigkeit die nichtssagenden Blicke austauscht, ein mit seinem Sohne schmollender Vater, ein mit seinem Vater schmollender Sohn aneinandergestreift und Beide wären gleichgültig aneinander vorübergegangen und hätten sich nicht versöhnt, selbst auf jenem von dem Alten verdammten krankmachenden so wenig Fuß breiten Trottoir! Das ursprüngliche Gehörenzueinander giebt sich plötzlich kund wie zwei aufeinander zuschießende Magnete. Es war von keiner Verstimmung mehr die Rede. Der Vater war eben auf der Akademie gewesen. Er schien die gestrige Aufwallung kaum noch im Gedächtniß zu haben, ja er theilte mit, daß am Abend Martha Ehlerdt von Wolnys gekommen sei, bei ihnen gemüthlich geblieben und recht viel Erfreuliches erzählt hätte. Der Bruder hätte den artigsten Reuebrief an Wolny geschrieben, hätte den "Socialnivellirer" in andere Hände gegeben und wäre Gedichte starb er, in dem andern lebte er wieder auf, ganz wie bei seinem Vorbild Heinrich Heine. Die Versöhnung Ottomars mit dem Vater machte sich plötzlich überraschend leicht. Mitten auf der Straße, im größten Lärm rannten Beide gegeneinander. Und so ist die Gewohnheit im Menschen mächtig oder die Liebe ist es, daß eine Störung derselben gar nicht in die Willenssphäre tritt. Oder wäre wohl unter freiem Himmel, an einem dritten Orte, wo Gleichgültigkeit gegen Gleichgültigkeit die nichtssagenden Blicke austauscht, ein mit seinem Sohne schmollender Vater, ein mit seinem Vater schmollender Sohn aneinandergestreift und Beide wären gleichgültig aneinander vorübergegangen und hätten sich nicht versöhnt, selbst auf jenem von dem Alten verdammten krankmachenden so wenig Fuß breiten Trottoir! Das ursprüngliche Gehörenzueinander giebt sich plötzlich kund wie zwei aufeinander zuschießende Magnete. Es war von keiner Verstimmung mehr die Rede. Der Vater war eben auf der Akademie gewesen. Er schien die gestrige Aufwallung kaum noch im Gedächtniß zu haben, ja er theilte mit, daß am Abend Martha Ehlerdt von Wolnys gekommen sei, bei ihnen gemüthlich geblieben und recht viel Erfreuliches erzählt hätte. Der Bruder hätte den artigsten Reuebrief an Wolny geschrieben, hätte den „Socialnivellirer“ in andere Hände gegeben und wäre <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><ref xml:id="TEXTIndemeinenBISHeine" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLIndemeinenBISHeine"><pb facs="#f0222" n="216"/> Gedichte starb er, in dem andern lebte er wieder auf, ganz wie bei seinem Vorbild Heinrich Heine</ref>. </p> <p>Die Versöhnung Ottomars mit dem Vater machte sich plötzlich überraschend leicht. Mitten auf der Straße, im größten Lärm rannten Beide gegeneinander. Und so ist die Gewohnheit im Menschen mächtig oder die Liebe ist es, daß eine Störung derselben gar nicht in die Willenssphäre tritt. Oder wäre wohl unter freiem Himmel, an einem dritten Orte, wo Gleichgültigkeit gegen Gleichgültigkeit die nichtssagenden Blicke austauscht, ein mit seinem Sohne schmollender Vater, ein mit seinem Vater schmollender Sohn aneinandergestreift und Beide wären gleichgültig aneinander vorübergegangen und hätten sich nicht versöhnt, selbst auf jenem von dem Alten verdammten krankmachenden so wenig Fuß breiten Trottoir! Das ursprüngliche Gehörenzueinander giebt sich plötzlich kund wie zwei aufeinander zuschießende Magnete. Es war von keiner Verstimmung mehr die Rede. Der Vater war eben auf der Akademie gewesen. Er schien die gestrige Aufwallung kaum noch im Gedächtniß zu haben, ja er theilte mit, daß am Abend Martha Ehlerdt von Wolnys gekommen sei, bei ihnen gemüthlich geblieben und recht viel Erfreuliches erzählt hätte. Der Bruder hätte den artigsten Reuebrief an Wolny geschrieben, hätte den „Socialnivellirer“ in andere Hände gegeben und wäre </p> </div> </body> </text> </TEI> [216/0222]
Gedichte starb er, in dem andern lebte er wieder auf, ganz wie bei seinem Vorbild Heinrich Heine.
Die Versöhnung Ottomars mit dem Vater machte sich plötzlich überraschend leicht. Mitten auf der Straße, im größten Lärm rannten Beide gegeneinander. Und so ist die Gewohnheit im Menschen mächtig oder die Liebe ist es, daß eine Störung derselben gar nicht in die Willenssphäre tritt. Oder wäre wohl unter freiem Himmel, an einem dritten Orte, wo Gleichgültigkeit gegen Gleichgültigkeit die nichtssagenden Blicke austauscht, ein mit seinem Sohne schmollender Vater, ein mit seinem Vater schmollender Sohn aneinandergestreift und Beide wären gleichgültig aneinander vorübergegangen und hätten sich nicht versöhnt, selbst auf jenem von dem Alten verdammten krankmachenden so wenig Fuß breiten Trottoir! Das ursprüngliche Gehörenzueinander giebt sich plötzlich kund wie zwei aufeinander zuschießende Magnete. Es war von keiner Verstimmung mehr die Rede. Der Vater war eben auf der Akademie gewesen. Er schien die gestrige Aufwallung kaum noch im Gedächtniß zu haben, ja er theilte mit, daß am Abend Martha Ehlerdt von Wolnys gekommen sei, bei ihnen gemüthlich geblieben und recht viel Erfreuliches erzählt hätte. Der Bruder hätte den artigsten Reuebrief an Wolny geschrieben, hätte den „Socialnivellirer“ in andere Hände gegeben und wäre
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