Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.in Stunden der Herablassung, kurz ein Hypochonder schon in jungen Jahren hatte sich eine Menge Maximen und Urtheile angeeignet, nach denen er leben zu wollen vorgab. Dazu gehörte auch trotzdem, daß er Jurist und demzufolge recht eigentlich auf Streitlust angewiesen war, die Maxime, sich bei keiner überflüssigen Widerlegung lange aufzuhalten. Sein College Jean Vogler konnte im hohen Grade grob gegen ihn werden, ihm beim Vertheilen der Luzius'schen Geschäfte und dem ruhigen Ablehnen dieses oder jenes Fascikels von Seiten Dietericis zornig sagen: Ich weiß, Sie haben sich schon auf der Universität nicht mit dem Touchirtwerden aufgehalten! Auch für eine solche nicht unverfängliche Bemerkung strengte Dieterici seine Lunge nicht an, sondern reservirte das, was ihm von seinem Studium und seinem Beruf an Lunge übrig blieb, einer Neigung theils zum Singen am Piano, dem er sogar viel Zeit widmete, theils dem Recitiren seiner eignen Gedichte. Dem Jean Vogler sagte er wohl: Wir könnten uns viel mehr Ausdehnung des Lebens erobern, lieber College, wenn wir uns nicht zu lange mit den Dummheiten der Menschen, ihren Urtheilen über uns und dergleichen Rückfall in's ursprüngliche Affenthum aufhielten! In den Zwischenpausen der Gerichtsverhandlungen, Morgens beim Frühstück, wo Andre Zeitungen in Cafes lesen, Abends sogar in den in Stunden der Herablassung, kurz ein Hypochonder schon in jungen Jahren hatte sich eine Menge Maximen und Urtheile angeeignet, nach denen er leben zu wollen vorgab. Dazu gehörte auch trotzdem, daß er Jurist und demzufolge recht eigentlich auf Streitlust angewiesen war, die Maxime, sich bei keiner überflüssigen Widerlegung lange aufzuhalten. Sein College Jean Vogler konnte im hohen Grade grob gegen ihn werden, ihm beim Vertheilen der Luzius’schen Geschäfte und dem ruhigen Ablehnen dieses oder jenes Fascikels von Seiten Dietericis zornig sagen: Ich weiß, Sie haben sich schon auf der Universität nicht mit dem Touchirtwerden aufgehalten! Auch für eine solche nicht unverfängliche Bemerkung strengte Dieterici seine Lunge nicht an, sondern reservirte das, was ihm von seinem Studium und seinem Beruf an Lunge übrig blieb, einer Neigung theils zum Singen am Piano, dem er sogar viel Zeit widmete, theils dem Recitiren seiner eignen Gedichte. Dem Jean Vogler sagte er wohl: Wir könnten uns viel mehr Ausdehnung des Lebens erobern, lieber College, wenn wir uns nicht zu lange mit den Dummheiten der Menschen, ihren Urtheilen über uns und dergleichen Rückfall in’s ursprüngliche Affenthum aufhielten! In den Zwischenpausen der Gerichtsverhandlungen, Morgens beim Frühstück, wo Andre Zeitungen in Cafés lesen, Abends sogar in den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0218" n="212"/> in Stunden der Herablassung, kurz ein Hypochonder schon in jungen Jahren hatte sich eine Menge Maximen und Urtheile angeeignet, nach denen er leben zu wollen vorgab. Dazu gehörte auch trotzdem, daß er Jurist und demzufolge recht eigentlich auf Streitlust angewiesen war, die Maxime, sich bei keiner überflüssigen Widerlegung lange aufzuhalten. Sein College Jean Vogler konnte im hohen Grade grob gegen ihn werden, ihm beim Vertheilen der Luzius’schen Geschäfte und dem ruhigen Ablehnen dieses oder jenes <ref xml:id="TEXTFascikels" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLFascikels">Fascikels</ref> von Seiten Dietericis zornig sagen: Ich weiß, Sie haben sich schon auf der Universität nicht mit dem <ref xml:id="TEXTTouchirtwerden" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLTouchirtwerden">Touchirtwerden</ref> aufgehalten! Auch für eine solche nicht unverfängliche Bemerkung strengte Dieterici seine Lunge nicht an, sondern reservirte das, was ihm von seinem Studium und seinem Beruf an Lunge übrig blieb, einer Neigung theils zum Singen am Piano, dem er sogar viel Zeit widmete, theils dem Recitiren seiner eignen Gedichte. Dem Jean Vogler sagte er wohl: Wir könnten uns viel mehr Ausdehnung des Lebens erobern, lieber College, wenn wir uns nicht zu lange mit den Dummheiten der Menschen, ihren Urtheilen über uns und dergleichen Rückfall in’s ursprüngliche Affenthum aufhielten! In den Zwischenpausen der Gerichtsverhandlungen, Morgens beim Frühstück, wo Andre Zeitungen in Cafés lesen, Abends sogar in den </p> </div> </body> </text> </TEI> [212/0218]
in Stunden der Herablassung, kurz ein Hypochonder schon in jungen Jahren hatte sich eine Menge Maximen und Urtheile angeeignet, nach denen er leben zu wollen vorgab. Dazu gehörte auch trotzdem, daß er Jurist und demzufolge recht eigentlich auf Streitlust angewiesen war, die Maxime, sich bei keiner überflüssigen Widerlegung lange aufzuhalten. Sein College Jean Vogler konnte im hohen Grade grob gegen ihn werden, ihm beim Vertheilen der Luzius’schen Geschäfte und dem ruhigen Ablehnen dieses oder jenes Fascikels von Seiten Dietericis zornig sagen: Ich weiß, Sie haben sich schon auf der Universität nicht mit dem Touchirtwerden aufgehalten! Auch für eine solche nicht unverfängliche Bemerkung strengte Dieterici seine Lunge nicht an, sondern reservirte das, was ihm von seinem Studium und seinem Beruf an Lunge übrig blieb, einer Neigung theils zum Singen am Piano, dem er sogar viel Zeit widmete, theils dem Recitiren seiner eignen Gedichte. Dem Jean Vogler sagte er wohl: Wir könnten uns viel mehr Ausdehnung des Lebens erobern, lieber College, wenn wir uns nicht zu lange mit den Dummheiten der Menschen, ihren Urtheilen über uns und dergleichen Rückfall in’s ursprüngliche Affenthum aufhielten! In den Zwischenpausen der Gerichtsverhandlungen, Morgens beim Frühstück, wo Andre Zeitungen in Cafés lesen, Abends sogar in den
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