Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

- ich glaube übrigens, Marloff ist nur ihr Pflegevater!

Dem Grafen lagen Wolken auf der Stirn, nicht gewitterschwere, die sich entladen, sondern wie sie im Gebirge manchmal nicht mehr zu verschwinden scheinen. In den Papieren des Onkels hatten sich in der That einige dunkle Andeutungen über eine frühere Verirrung desselben gefunden. Die Höhe der geforderten Summe machte eine verdrießliche Rücksprache mit den Verwaltern des ererbten Besitzes nothwendig. Sein eignes Erscheinen bei einer so entschlossen scheinenden und offenbaren Widersacherin wagte er nicht. Er sagte ganz offen: Es fiele ihm aus dem Freischütz die Scene ein, wie Agathe im magischen Lichte auf hoher Felsenkanzel erscheint und mit ringenden Händen ihren geliebten Max bittet, nicht zur Wolfsschlucht niederzuschreiten! - - Und Adas Züge trug dies Geisterbild nicht -! sagte er - schweigend. Es waren Helenens Züge, die lieblichen der Schwester des hier so treu und aufopfernd befundenen Freundes! Die gute Gräfin, die Wittwe - die alle acht Tage das Atelier des Bildhauers besuchte und sich an den Symbolen der Treue aufrichtete - aufrichtete soweit, daß sie gar Nichts für die Trauer Unpassendes darin fand, wenn der Neveu mit Ada schon die Hochzeit feierte! Diese Hochzeit sollte in einem öffentlichen Locale ausgerichtet werden

– ich glaube übrigens, Marloff ist nur ihr Pflegevater!

Dem Grafen lagen Wolken auf der Stirn, nicht gewitterschwere, die sich entladen, sondern wie sie im Gebirge manchmal nicht mehr zu verschwinden scheinen. In den Papieren des Onkels hatten sich in der That einige dunkle Andeutungen über eine frühere Verirrung desselben gefunden. Die Höhe der geforderten Summe machte eine verdrießliche Rücksprache mit den Verwaltern des ererbten Besitzes nothwendig. Sein eignes Erscheinen bei einer so entschlossen scheinenden und offenbaren Widersacherin wagte er nicht. Er sagte ganz offen: Es fiele ihm aus dem Freischütz die Scene ein, wie Agathe im magischen Lichte auf hoher Felsenkanzel erscheint und mit ringenden Händen ihren geliebten Max bittet, nicht zur Wolfsschlucht niederzuschreiten! – – Und Adas Züge trug dies Geisterbild nicht –! sagte er – schweigend. Es waren Helenens Züge, die lieblichen der Schwester des hier so treu und aufopfernd befundenen Freundes! Die gute Gräfin, die Wittwe – die alle acht Tage das Atelier des Bildhauers besuchte und sich an den Symbolen der Treue aufrichtete – aufrichtete soweit, daß sie gar Nichts für die Trauer Unpassendes darin fand, wenn der Neveu mit Ada schon die Hochzeit feierte! Diese Hochzeit sollte in einem öffentlichen Locale ausgerichtet werden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0205" n="199"/>
&#x2013; ich glaube übrigens, Marloff ist nur ihr Pflegevater! </p>
        <p>Dem Grafen lagen Wolken auf der Stirn, nicht gewitterschwere, die sich entladen, sondern wie sie im Gebirge manchmal nicht mehr zu verschwinden scheinen. In den Papieren des Onkels hatten sich in der That einige dunkle Andeutungen über eine frühere Verirrung desselben gefunden. Die Höhe der geforderten Summe machte eine verdrießliche Rücksprache mit den Verwaltern des ererbten Besitzes nothwendig. Sein eignes Erscheinen bei einer so entschlossen scheinenden und offenbaren Widersacherin wagte er nicht. Er sagte ganz offen: Es fiele ihm <ref xml:id="TEXTausdemBISScene" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLausdemBISScene">aus dem Freischütz die Scene</ref> ein, wie Agathe im magischen Lichte auf hoher Felsenkanzel erscheint und mit ringenden Händen ihren geliebten Max bittet, nicht zur Wolfsschlucht niederzuschreiten! &#x2013; &#x2013; Und Adas Züge trug dies Geisterbild nicht &#x2013;! sagte er &#x2013; schweigend. Es waren Helenens Züge, die lieblichen der Schwester des hier so treu und aufopfernd befundenen Freundes! Die gute Gräfin, die Wittwe &#x2013; die alle acht Tage das Atelier des Bildhauers besuchte und sich an den Symbolen der Treue aufrichtete &#x2013; aufrichtete soweit, daß sie gar Nichts für die Trauer Unpassendes darin fand, wenn der Neveu mit Ada schon die Hochzeit feierte! Diese Hochzeit sollte in einem öffentlichen Locale ausgerichtet werden
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0205] – ich glaube übrigens, Marloff ist nur ihr Pflegevater! Dem Grafen lagen Wolken auf der Stirn, nicht gewitterschwere, die sich entladen, sondern wie sie im Gebirge manchmal nicht mehr zu verschwinden scheinen. In den Papieren des Onkels hatten sich in der That einige dunkle Andeutungen über eine frühere Verirrung desselben gefunden. Die Höhe der geforderten Summe machte eine verdrießliche Rücksprache mit den Verwaltern des ererbten Besitzes nothwendig. Sein eignes Erscheinen bei einer so entschlossen scheinenden und offenbaren Widersacherin wagte er nicht. Er sagte ganz offen: Es fiele ihm aus dem Freischütz die Scene ein, wie Agathe im magischen Lichte auf hoher Felsenkanzel erscheint und mit ringenden Händen ihren geliebten Max bittet, nicht zur Wolfsschlucht niederzuschreiten! – – Und Adas Züge trug dies Geisterbild nicht –! sagte er – schweigend. Es waren Helenens Züge, die lieblichen der Schwester des hier so treu und aufopfernd befundenen Freundes! Die gute Gräfin, die Wittwe – die alle acht Tage das Atelier des Bildhauers besuchte und sich an den Symbolen der Treue aufrichtete – aufrichtete soweit, daß sie gar Nichts für die Trauer Unpassendes darin fand, wenn der Neveu mit Ada schon die Hochzeit feierte! Diese Hochzeit sollte in einem öffentlichen Locale ausgerichtet werden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-02-19T12:27:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-02-19T12:27:44Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-1<a>) (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/205
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/205>, abgerufen am 24.11.2024.