Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.als hätte er im zweiten Stock zu thun, ein Paar schwarze Augen, die ohne Zweifel der Deutschpolin Josefa Ziporovius angehörten. Das Guckloch war die Ausschau, die Thurmwarte auf den alten Ritterburgen. Raimund Ehlerdt hatte es oberhalb seiner drei Treppen noch nicht zu einer eleganten Existenz mit rothsaffianenen Möbeln, rollbaren kleinen Voltaires, Bücherborden mit Einbänden a l'anglaise gebracht. Mit solchen Anfängen der literarischen Aristokratie würde er bei seinen Gesinnungsgenossen schön angekommen sein. Aber wenn man an dem Porzellanschild mit dem einfachen Namen Marloff vorübergegangen war, findet man bei einer Wohnungsvermietherin im dritten Stock doch drei recht hübsch möblirte luftreine Zimmer, die sich nur leider im Augenblick etwas im Derangement befanden. Bis tief in die Nacht hatte hier eine "Besprechung" zum Wohle der Menschheit stattgefunden. Weinflaschen, meist leere, standen und lagen wie im Depot eines Hotels. Ein Rufer im Streit, soweit seine heisere Stimme reichte, Mahlo geheißen, auch wohl "Ehlerdts böser Genius", war noch zugegen. Das hier vertretene Princip lautete: Wer sich selbst vertraut, dem vertrauen auch die andern Seelen. Noch war hier ein Piano zugegen, die Kunst also nicht ganz in's Fabelreich verwiesen. Bücher, Zeichnungen, Maschinenabbildungen lagen genug umher. Aber als hätte er im zweiten Stock zu thun, ein Paar schwarze Augen, die ohne Zweifel der Deutschpolin Josefa Ziporovius angehörten. Das Guckloch war die Ausschau, die Thurmwarte auf den alten Ritterburgen. Raimund Ehlerdt hatte es oberhalb seiner drei Treppen noch nicht zu einer eleganten Existenz mit rothsaffianenen Möbeln, rollbaren kleinen Voltaires, Bücherborden mit Einbänden à l’anglaise gebracht. Mit solchen Anfängen der literarischen Aristokratie würde er bei seinen Gesinnungsgenossen schön angekommen sein. Aber wenn man an dem Porzellanschild mit dem einfachen Namen Marloff vorübergegangen war, findet man bei einer Wohnungsvermietherin im dritten Stock doch drei recht hübsch möblirte luftreine Zimmer, die sich nur leider im Augenblick etwas im Derangement befanden. Bis tief in die Nacht hatte hier eine „Besprechung“ zum Wohle der Menschheit stattgefunden. Weinflaschen, meist leere, standen und lagen wie im Depot eines Hotels. Ein Rufer im Streit, soweit seine heisere Stimme reichte, Mahlo geheißen, auch wohl „Ehlerdts böser Genius“, war noch zugegen. Das hier vertretene Princip lautete: Wer sich selbst vertraut, dem vertrauen auch die andern Seelen. Noch war hier ein Piano zugegen, die Kunst also nicht ganz in’s Fabelreich verwiesen. Bücher, Zeichnungen, Maschinenabbildungen lagen genug umher. Aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0159" n="153"/> als hätte er im zweiten Stock zu thun, ein Paar schwarze Augen, die ohne Zweifel der Deutschpolin Josefa Ziporovius angehörten. Das Guckloch war die Ausschau, die Thurmwarte auf den alten Ritterburgen. </p> <p>Raimund Ehlerdt hatte es oberhalb seiner drei Treppen noch nicht zu einer eleganten Existenz <ref xml:id="TEXTmitrothsaffianenenMoebeln" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLmitrothsaffianenenMoebeln">mit rothsaffianenen Möbeln</ref>, <ref xml:id="TEXTrollbarenkleinenVoltaires" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLrollbarenkleinenVoltaires">rollbaren kleinen Voltaires</ref>, Bücherborden <ref xml:id="TEXTmitEinbaendenalanglaise" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLmitEinbaendenalanglaise">mit Einbänden <hi rendition="#aq">à l’anglaise</hi></ref> gebracht. Mit solchen Anfängen der literarischen Aristokratie würde er bei seinen Gesinnungsgenossen schön angekommen sein. Aber wenn man an dem Porzellanschild mit dem einfachen Namen Marloff vorübergegangen war, findet man bei einer Wohnungsvermietherin im dritten Stock doch drei recht hübsch möblirte luftreine Zimmer, die sich nur leider im Augenblick etwas im Derangement befanden. Bis tief in die Nacht hatte hier eine „Besprechung“ zum Wohle der Menschheit stattgefunden. Weinflaschen, meist leere, standen und lagen wie im Depot eines Hotels. Ein <ref xml:id="TEXTRuferimStreit" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLRuferimStreit">Rufer im Streit</ref>, soweit seine heisere Stimme reichte, Mahlo geheißen, auch wohl „Ehlerdts böser Genius“, war noch zugegen. Das hier vertretene Princip lautete: <ref xml:id="TEXTWersichBISSeelen" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLWersichBISSeelen">Wer sich selbst vertraut, dem vertrauen auch die andern Seelen</ref>. Noch war hier ein Piano zugegen, die Kunst also nicht ganz in’s Fabelreich verwiesen. Bücher, Zeichnungen, Maschinenabbildungen lagen genug umher. Aber </p> </div> </body> </text> </TEI> [153/0159]
als hätte er im zweiten Stock zu thun, ein Paar schwarze Augen, die ohne Zweifel der Deutschpolin Josefa Ziporovius angehörten. Das Guckloch war die Ausschau, die Thurmwarte auf den alten Ritterburgen.
Raimund Ehlerdt hatte es oberhalb seiner drei Treppen noch nicht zu einer eleganten Existenz mit rothsaffianenen Möbeln, rollbaren kleinen Voltaires, Bücherborden mit Einbänden à l’anglaise gebracht. Mit solchen Anfängen der literarischen Aristokratie würde er bei seinen Gesinnungsgenossen schön angekommen sein. Aber wenn man an dem Porzellanschild mit dem einfachen Namen Marloff vorübergegangen war, findet man bei einer Wohnungsvermietherin im dritten Stock doch drei recht hübsch möblirte luftreine Zimmer, die sich nur leider im Augenblick etwas im Derangement befanden. Bis tief in die Nacht hatte hier eine „Besprechung“ zum Wohle der Menschheit stattgefunden. Weinflaschen, meist leere, standen und lagen wie im Depot eines Hotels. Ein Rufer im Streit, soweit seine heisere Stimme reichte, Mahlo geheißen, auch wohl „Ehlerdts böser Genius“, war noch zugegen. Das hier vertretene Princip lautete: Wer sich selbst vertraut, dem vertrauen auch die andern Seelen. Noch war hier ein Piano zugegen, die Kunst also nicht ganz in’s Fabelreich verwiesen. Bücher, Zeichnungen, Maschinenabbildungen lagen genug umher. Aber
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