Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.Der Graf schüttelte nur den Kopf. Dennoch sagte er nach einer Weile: Wenn ich nur die rechte Verachtung meines Oheims in dieser Sache finden könnte, das würde mich noch mehr kräftigen und mir den Muth geben, zu der Frau zu gehen! Aber so bin ich nur berechtigt, ihn zu lieben, in ihm die Güte selbst zu sehen, die Weisheit, die Lebenserfahrung. Er erzog seine Frau, obgleich sie älter war, als er, und wie Du gesehen, recht häßlich. Aber sie liebte ihn mit Raserei. Sie war eine geradezu im Leeren und Nichtigen aufgewachsene Prinzessin, anspruchsvoll und dabei so zu sagen ganz Provinz! Wie geregelt habe ich alle seine Verhältnisse gefunden! Wie männlich trat er bei jeder Berufung an sein Ehrgefühl auf! Um meinetwillen setzte er in Bonn sein Leben auf's Spiel! Seine Briefe an mich seit einer Reihe von Jahren sind so, daß man sie drucken lassen könnte, soviel Thatsachen, Voraussagungen über Politik, Urtheile über hervorragende Namen enthalten sie! Ich lasse mir auch nicht nehmen, daß die Annäherung an die Frau Deines Grobians unter Umständen stattgefunden haben muß, die für ihn entschuldigend sprechen. Finde ich doch in seinen Aufzeichnungen die Aeußerung, daß das ganze Geheimniß des Lebens im Verhältniß zwischen Mann und Weib läge und daß die Fortpflanzung eine stete Uebertragung der Der Graf schüttelte nur den Kopf. Dennoch sagte er nach einer Weile: Wenn ich nur die rechte Verachtung meines Oheims in dieser Sache finden könnte, das würde mich noch mehr kräftigen und mir den Muth geben, zu der Frau zu gehen! Aber so bin ich nur berechtigt, ihn zu lieben, in ihm die Güte selbst zu sehen, die Weisheit, die Lebenserfahrung. Er erzog seine Frau, obgleich sie älter war, als er, und wie Du gesehen, recht häßlich. Aber sie liebte ihn mit Raserei. Sie war eine geradezu im Leeren und Nichtigen aufgewachsene Prinzessin, anspruchsvoll und dabei so zu sagen ganz Provinz! Wie geregelt habe ich alle seine Verhältnisse gefunden! Wie männlich trat er bei jeder Berufung an sein Ehrgefühl auf! Um meinetwillen setzte er in Bonn sein Leben auf’s Spiel! Seine Briefe an mich seit einer Reihe von Jahren sind so, daß man sie drucken lassen könnte, soviel Thatsachen, Voraussagungen über Politik, Urtheile über hervorragende Namen enthalten sie! Ich lasse mir auch nicht nehmen, daß die Annäherung an die Frau Deines Grobians unter Umständen stattgefunden haben muß, die für ihn entschuldigend sprechen. Finde ich doch in seinen Aufzeichnungen die Aeußerung, daß das ganze Geheimniß des Lebens im Verhältniß zwischen Mann und Weib läge und daß die Fortpflanzung eine stete Uebertragung der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0105" n="99"/> Der Graf schüttelte nur den Kopf. </p> <p>Dennoch sagte er nach einer Weile: Wenn ich nur die rechte Verachtung meines Oheims in dieser Sache finden könnte, das würde mich noch mehr kräftigen und mir den Muth geben, zu der Frau zu gehen! Aber so bin ich nur berechtigt, ihn zu lieben, in ihm die Güte selbst zu sehen, die Weisheit, die Lebenserfahrung. Er erzog seine Frau, obgleich sie älter war, als er, und wie Du gesehen, recht häßlich. Aber sie liebte ihn mit Raserei. Sie war eine geradezu im Leeren und Nichtigen aufgewachsene Prinzessin, anspruchsvoll und dabei so zu sagen ganz Provinz! Wie geregelt habe ich alle seine Verhältnisse gefunden! Wie männlich trat er bei jeder Berufung an sein Ehrgefühl auf! Um meinetwillen setzte er in Bonn sein Leben auf’s Spiel! Seine Briefe an mich seit einer Reihe von Jahren sind so, daß man sie drucken lassen könnte, soviel Thatsachen, Voraussagungen über Politik, Urtheile über hervorragende Namen enthalten sie! Ich lasse mir auch nicht nehmen, daß die Annäherung an die Frau Deines Grobians unter Umständen stattgefunden haben muß, die für ihn entschuldigend sprechen. Finde ich doch in seinen Aufzeichnungen die Aeußerung, daß das ganze Geheimniß des Lebens im Verhältniß zwischen Mann und Weib läge und daß die Fortpflanzung eine stete Uebertragung der </p> </div> </body> </text> </TEI> [99/0105]
Der Graf schüttelte nur den Kopf.
Dennoch sagte er nach einer Weile: Wenn ich nur die rechte Verachtung meines Oheims in dieser Sache finden könnte, das würde mich noch mehr kräftigen und mir den Muth geben, zu der Frau zu gehen! Aber so bin ich nur berechtigt, ihn zu lieben, in ihm die Güte selbst zu sehen, die Weisheit, die Lebenserfahrung. Er erzog seine Frau, obgleich sie älter war, als er, und wie Du gesehen, recht häßlich. Aber sie liebte ihn mit Raserei. Sie war eine geradezu im Leeren und Nichtigen aufgewachsene Prinzessin, anspruchsvoll und dabei so zu sagen ganz Provinz! Wie geregelt habe ich alle seine Verhältnisse gefunden! Wie männlich trat er bei jeder Berufung an sein Ehrgefühl auf! Um meinetwillen setzte er in Bonn sein Leben auf’s Spiel! Seine Briefe an mich seit einer Reihe von Jahren sind so, daß man sie drucken lassen könnte, soviel Thatsachen, Voraussagungen über Politik, Urtheile über hervorragende Namen enthalten sie! Ich lasse mir auch nicht nehmen, daß die Annäherung an die Frau Deines Grobians unter Umständen stattgefunden haben muß, die für ihn entschuldigend sprechen. Finde ich doch in seinen Aufzeichnungen die Aeußerung, daß das ganze Geheimniß des Lebens im Verhältniß zwischen Mann und Weib läge und daß die Fortpflanzung eine stete Uebertragung der
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