Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Die deutschen Fürsten sollten unsere Historiker aus der Johannes Müller'schen Schule, die weltepochirenden und weltzeitalternden, vor Allem den Hegel'schen Geschichtsstupor in ihr Interesse ziehen. Große Geister kann zwar Nichts mehr entflammen, aber die kleinen auch Nichts mehr entmuthigen. Doch wird von jenen die eine Hälfte meist immer unpraktisch sein, die andere ist nun einmal da, als nothwendiges Uebel, wenn schon in der geringsten Anzahl. Aber die Legion der Halben, die die Masse bilden, wird durch eine schwere Arbeit am leichtesten niedergehalten, und so nie gefährlich werden.

Aber auch wir Beide, Theure, werden uns nie gefährlich werden. Darum weiß ich auch nicht, warum wir bei unserer Liebe und den Schwüren für ihre Ewigkeit noch immer mit zwei Seelen und zwei Körpern leben! Ich opferte Dir gern meinen Leib, so daß uns ein Körper Beide enthielte, aber der Zwiespalt der Seelen dürfte in dem Einen nicht genug Spielraum haben. Darum empfehl' ich Dir den Vorschlag, unsere Körper gegen einander zu behalten, beide aber nur mit einer Seele zu beleben. Was dann Du denkst, waren meine Gedanken, und was ich fühle, hast Du schon längst empfunden. Deine Seele will ihren Körper an meine Brust werfen, und ich

Die deutschen Fürsten sollten unsere Historiker aus der Johannes Müller’schen Schule, die weltepochirenden und weltzeitalternden, vor Allem den Hegel’schen Geschichtsstupor in ihr Interesse ziehen. Große Geister kann zwar Nichts mehr entflammen, aber die kleinen auch Nichts mehr entmuthigen. Doch wird von jenen die eine Hälfte meist immer unpraktisch sein, die andere ist nun einmal da, als nothwendiges Uebel, wenn schon in der geringsten Anzahl. Aber die Legion der Halben, die die Masse bilden, wird durch eine schwere Arbeit am leichtesten niedergehalten, und so nie gefährlich werden.

Aber auch wir Beide, Theure, werden uns nie gefährlich werden. Darum weiß ich auch nicht, warum wir bei unserer Liebe und den Schwüren für ihre Ewigkeit noch immer mit zwei Seelen und zwei Körpern leben! Ich opferte Dir gern meinen Leib, so daß uns ein Körper Beide enthielte, aber der Zwiespalt der Seelen dürfte in dem Einen nicht genug Spielraum haben. Darum empfehl’ ich Dir den Vorschlag, unsere Körper gegen einander zu behalten, beide aber nur mit einer Seele zu beleben. Was dann Du denkst, waren meine Gedanken, und was ich fühle, hast Du schon längst empfunden. Deine Seele will ihren Körper an meine Brust werfen, und ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0096" n="83"/>
        <p> Die deutschen Fürsten sollten <ref xml:id="TEXTunsereHistorikerBISweltzeitalternden" target="BrN4E.htm#ERLunsereHistorikerBISweltzeitalternden">unsere Historiker aus der Johannes Müller&#x2019;schen Schule, die weltepochirenden und weltzeitalternden</ref>, vor Allem <ref xml:id="TEXTdenHegelschenGeschichtsstupor" target="BrN4E.htm#ERLdenHegelschenGeschichtsstupor">den Hegel&#x2019;schen Geschichtsstupor</ref> in ihr Interesse ziehen. Große Geister kann zwar Nichts <hi rendition="#g">mehr</hi> entflammen, aber die kleinen auch Nichts mehr entmuthigen. Doch wird von jenen die eine Hälfte meist immer unpraktisch sein, die andere ist nun einmal da, als nothwendiges Uebel, wenn schon in der geringsten Anzahl. Aber die Legion der Halben, die die Masse bilden, wird durch eine schwere Arbeit am leichtesten niedergehalten, und so nie gefährlich werden.</p>
        <p>Aber auch wir Beide, Theure, werden uns nie gefährlich werden. Darum weiß ich auch nicht, warum wir bei unserer Liebe und den Schwüren für ihre Ewigkeit noch immer mit zwei Seelen und zwei Körpern leben! Ich opferte Dir gern meinen Leib, so daß uns ein Körper Beide enthielte, aber der Zwiespalt der Seelen dürfte in dem Einen nicht genug Spielraum haben. Darum empfehl&#x2019; ich Dir den Vorschlag, unsere Körper gegen einander zu behalten, beide aber nur mit einer Seele zu beleben. Was dann Du denkst, waren meine Gedanken, und was ich fühle, hast Du schon längst empfunden. Deine Seele will ihren Körper an meine Brust werfen, und ich
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0096] Die deutschen Fürsten sollten unsere Historiker aus der Johannes Müller’schen Schule, die weltepochirenden und weltzeitalternden, vor Allem den Hegel’schen Geschichtsstupor in ihr Interesse ziehen. Große Geister kann zwar Nichts mehr entflammen, aber die kleinen auch Nichts mehr entmuthigen. Doch wird von jenen die eine Hälfte meist immer unpraktisch sein, die andere ist nun einmal da, als nothwendiges Uebel, wenn schon in der geringsten Anzahl. Aber die Legion der Halben, die die Masse bilden, wird durch eine schwere Arbeit am leichtesten niedergehalten, und so nie gefährlich werden. Aber auch wir Beide, Theure, werden uns nie gefährlich werden. Darum weiß ich auch nicht, warum wir bei unserer Liebe und den Schwüren für ihre Ewigkeit noch immer mit zwei Seelen und zwei Körpern leben! Ich opferte Dir gern meinen Leib, so daß uns ein Körper Beide enthielte, aber der Zwiespalt der Seelen dürfte in dem Einen nicht genug Spielraum haben. Darum empfehl’ ich Dir den Vorschlag, unsere Körper gegen einander zu behalten, beide aber nur mit einer Seele zu beleben. Was dann Du denkst, waren meine Gedanken, und was ich fühle, hast Du schon längst empfunden. Deine Seele will ihren Körper an meine Brust werfen, und ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/96
Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/96>, abgerufen am 22.11.2024.