[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.grade Charakteristik der Vergangenheit. Die Wiege der Thaten eines Hannibal muß der Schwur ewiger Feindschaft am Altare der Hausgötter bleiben.Hat es denn Cäsar verschuldet, daß ihn der Anekdotenkrämer Plutarch mit Alexander in eine Parallele brachte, und umgekehrt? Haben Napoleons fingirte Zwiegespräche mit den an St. Helena brandenden Wellen des Oceans, mit den Sternen, die sich in ihnen spiegeln, je für die Geschichte einen solchen Werth, wie die Poesie ihnen leihen möchte? Unstreitig findet man jetzt darum so wenig glückliche Erfolge großartiger Versprechungen, weil man sich gerühmt hat, die Geschichte nur als stupenden Marmorblock zu betrachten, dessen ungefüge Masse schon jedes kleine Wort, jede noch kleinere That zu bilden beitrage. Es verhält sich freilich wirklich so. Doch wird man im Handeln immer besser thun, die Wahrheit, die verwirklicht werden soll, so zu wissen, als wisse man sie nicht. Man soll die höchsten Zwecke der Menschheit befördern helfen, sich aber nicht zugleich auf eine Ehrensäule stellen. Diese Ansicht hatte auch in der Schreckenszeit die französische Republik, als sie in einem naiven Decrete bei den größten Anstrengungen für die Wohlfahrt der Republik noch zum Schluß von Jedem die Bescheidenheit verlangte. grade Charakteristik der Vergangenheit. Die Wiege der Thaten eines Hannibal muß der Schwur ewiger Feindschaft am Altare der Hausgötter bleiben.Hat es denn Cäsar verschuldet, daß ihn der Anekdotenkrämer Plutarch mit Alexander in eine Parallele brachte, und umgekehrt? Haben Napoleons fingirte Zwiegespräche mit den an St. Helena brandenden Wellen des Oceans, mit den Sternen, die sich in ihnen spiegeln, je für die Geschichte einen solchen Werth, wie die Poesie ihnen leihen möchte? Unstreitig findet man jetzt darum so wenig glückliche Erfolge großartiger Versprechungen, weil man sich gerühmt hat, die Geschichte nur als stupenden Marmorblock zu betrachten, dessen ungefüge Masse schon jedes kleine Wort, jede noch kleinere That zu bilden beitrage. Es verhält sich freilich wirklich so. Doch wird man im Handeln immer besser thun, die Wahrheit, die verwirklicht werden soll, so zu wissen, als wisse man sie nicht. Man soll die höchsten Zwecke der Menschheit befördern helfen, sich aber nicht zugleich auf eine Ehrensäule stellen. Diese Ansicht hatte auch in der Schreckenszeit die französische Republik, als sie in einem naiven Decrete bei den größten Anstrengungen für die Wohlfahrt der Republik noch zum Schluß von Jedem die Bescheidenheit verlangte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0095" n="82"/> grade Charakteristik der Vergangenheit. <ref xml:id="TEXTDieWiegeBISbleiben" target="BrN4E.htm#ERLDieWiegeBISbleiben">Die Wiege der Thaten eines Hannibal muß der Schwur ewiger Feindschaft am Altare der Hausgötter bleiben</ref>.<ref xml:id="TEXTHatesdennBISumgekehrt" target="BrN4E.htm#ERLHatesdennBISumgekehrt">Hat es denn Cäsar verschuldet, daß ihn der Anekdotenkrämer Plutarch mit Alexander in eine Parallele brachte, und umgekehrt?</ref> <ref xml:id="TEXTHabenNapoleonsBISZwiegespraeche" target="BrN4E.htm#ERLHabenNapoleonsBISZwiegespraeche">Haben Napoleons fingirte Zwiegespräche</ref> mit den an St. Helena brandenden Wellen des Oceans, mit den Sternen, die sich in ihnen spiegeln, je für die Geschichte einen solchen Werth, wie die Poesie ihnen leihen möchte?</p> <p>Unstreitig findet man jetzt darum so wenig glückliche Erfolge großartiger Versprechungen, weil man sich gerühmt hat, die Geschichte nur als stupenden Marmorblock zu betrachten, dessen ungefüge Masse schon jedes kleine Wort, jede noch kleinere That zu bilden beitrage. Es verhält sich freilich wirklich so. Doch wird man im Handeln immer besser thun, die Wahrheit, die verwirklicht werden soll, so zu wissen, als wisse man sie nicht. Man soll die höchsten Zwecke der Menschheit befördern helfen, sich aber nicht zugleich auf eine Ehrensäule stellen. Diese Ansicht hatte auch in der Schreckenszeit die französische Republik, als sie in einem naiven Decrete bei den größten Anstrengungen für die Wohlfahrt der Republik noch zum Schluß von Jedem die Bescheidenheit verlangte.</p> </div> </body> </text> </TEI> [82/0095]
grade Charakteristik der Vergangenheit. Die Wiege der Thaten eines Hannibal muß der Schwur ewiger Feindschaft am Altare der Hausgötter bleiben.Hat es denn Cäsar verschuldet, daß ihn der Anekdotenkrämer Plutarch mit Alexander in eine Parallele brachte, und umgekehrt? Haben Napoleons fingirte Zwiegespräche mit den an St. Helena brandenden Wellen des Oceans, mit den Sternen, die sich in ihnen spiegeln, je für die Geschichte einen solchen Werth, wie die Poesie ihnen leihen möchte?
Unstreitig findet man jetzt darum so wenig glückliche Erfolge großartiger Versprechungen, weil man sich gerühmt hat, die Geschichte nur als stupenden Marmorblock zu betrachten, dessen ungefüge Masse schon jedes kleine Wort, jede noch kleinere That zu bilden beitrage. Es verhält sich freilich wirklich so. Doch wird man im Handeln immer besser thun, die Wahrheit, die verwirklicht werden soll, so zu wissen, als wisse man sie nicht. Man soll die höchsten Zwecke der Menschheit befördern helfen, sich aber nicht zugleich auf eine Ehrensäule stellen. Diese Ansicht hatte auch in der Schreckenszeit die französische Republik, als sie in einem naiven Decrete bei den größten Anstrengungen für die Wohlfahrt der Republik noch zum Schluß von Jedem die Bescheidenheit verlangte.
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Zitationshilfe: | [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/95>, abgerufen am 16.02.2025. |