Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

So wie Heine's Frühlingslieder im Morgenblatte stehen, so schicke sie mir. Dafür sollst Du das erste Veilchen haben, das ich finde.

Warum mußt' es doch ein Heine sein, der den Philistern die triviale Wahrheit, daß die Extreme sich berühren, wieder scheint bewiesen zu haben. Ich war so vergnügt, als Byron in seinem schönsten Alter starb; denn wenn er wirklich noch katholisch geworden wäre, so hätt' es mich nicht seinet-, sondern Scott's wegen, der die Prophezeiung gab, geärgert. Nur das versöhnt mich mit dem abtrünnigen Heine, daß er den Umfang seiner Jakobinermütze nicht nach und nach kleiner gemacht hat, sondern plötzlich wie ein Gott mit seinem neuen Glauben, dem consequentesten Royalismus, dastand. Und es ist wahr, auch die Art seines Uebertritts ist consequent, ist schön, und die poetische Wahrheit darin ergreifend. Er hat seine Maria, die todte Marmorbraut, wie ein neuer Pygmalion--aber nicht der Immermann'sche--durch warmen Liederkuß wieder zurückgerufen in das dunkle Leben, in dem sie ihm einst als leuchtender Stern aufgegangen war. Nun ist aber auch der Schleier ihrer Geburt gefallen, sie ist eine Fürstin, und weist den Vermessenen, der sie doch vom Zauber dieses langen Traumes erlöst hat, zurück. Sie nennt seinen Liederkuß einen Judaskuß, ver-

So wie Heine’s Frühlingslieder im Morgenblatte stehen, so schicke sie mir. Dafür sollst Du das erste Veilchen haben, das ich finde.

Warum mußt’ es doch ein Heine sein, der den Philistern die triviale Wahrheit, daß die Extreme sich berühren, wieder scheint bewiesen zu haben. Ich war so vergnügt, als Byron in seinem schönsten Alter starb; denn wenn er wirklich noch katholisch geworden wäre, so hätt’ es mich nicht seinet-, sondern Scott’s wegen, der die Prophezeiung gab, geärgert. Nur das versöhnt mich mit dem abtrünnigen Heine, daß er den Umfang seiner Jakobinermütze nicht nach und nach kleiner gemacht hat, sondern plötzlich wie ein Gott mit seinem neuen Glauben, dem consequentesten Royalismus, dastand. Und es ist wahr, auch die Art seines Uebertritts ist consequent, ist schön, und die poetische Wahrheit darin ergreifend. Er hat seine Maria, die todte Marmorbraut, wie ein neuer Pygmalion—aber nicht der Immermann’sche—durch warmen Liederkuß wieder zurückgerufen in das dunkle Leben, in dem sie ihm einst als leuchtender Stern aufgegangen war. Nun ist aber auch der Schleier ihrer Geburt gefallen, sie ist eine Fürstin, und weist den Vermessenen, der sie doch vom Zauber dieses langen Traumes erlöst hat, zurück. Sie nennt seinen Liederkuß einen Judaskuß, ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0088" n="75"/>
        <p> So wie Heine&#x2019;s Frühlingslieder im Morgenblatte stehen, so schicke sie mir. Dafür sollst Du das erste Veilchen haben, das ich finde.</p>
        <p>Warum mußt&#x2019; es doch ein Heine sein, der den Philistern <ref xml:id="TEXTdietrivialeWahrheitBISberuehren" target="BrN4E.htm#ERLdietrivialeWahrheitBIDberuehren">die triviale Wahrheit, daß die Extreme sich berühren</ref>, wieder scheint bewiesen zu haben. <ref xml:id="TEXTIchwarsoBISgeaergert" target="BrN4E.htm#ERLIchwarsoBISgeaergert">Ich war so vergnügt, als Byron in seinem schönsten Alter starb; denn wenn er wirklich noch katholisch geworden wäre, so hätt&#x2019; es mich nicht seinet-, sondern Scott&#x2019;s wegen, der die Prophezeiung gab, geärgert</ref>. <ref xml:id="TEXTNurdasversoehntBISHeine" target="BrN4E.htm#ERLNurdasversoehntBISHeine">Nur das versöhnt mich mit dem abtrünnigen Heine</ref>, daß er den Umfang seiner Jakobinermütze nicht nach und nach kleiner gemacht hat, sondern plötzlich wie ein Gott mit seinem neuen Glauben, dem consequentesten Royalismus, dastand. Und es ist wahr, auch die Art seines Uebertritts ist consequent, ist schön, und die poetische Wahrheit darin ergreifend. Er hat seine Maria, die todte Marmorbraut, <ref xml:id="TEXTwieeinneuerBISImmermannsche" target="BrN4E.htm#ERLwieeinneuerBISImmermannsche">wie ein neuer Pygmalion&#x2014;aber nicht der Immermann&#x2019;sche</ref>&#x2014;durch warmen Liederkuß wieder zurückgerufen <ref xml:id="TEXTindasdunkleBISaufgegangenwar" target="BrN4E.htm#ERLindasdunkleBISaufgegangenwar"> in das dunkle Leben, in dem sie ihm einst als leuchtender Stern aufgegangen war</ref>. Nun ist aber auch der Schleier ihrer Geburt gefallen, sie ist eine Fürstin, und weist den Vermessenen, der sie doch vom Zauber dieses langen Traumes erlöst hat, zurück. Sie nennt seinen Liederkuß einen Judaskuß, ver-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0088] So wie Heine’s Frühlingslieder im Morgenblatte stehen, so schicke sie mir. Dafür sollst Du das erste Veilchen haben, das ich finde. Warum mußt’ es doch ein Heine sein, der den Philistern die triviale Wahrheit, daß die Extreme sich berühren, wieder scheint bewiesen zu haben. Ich war so vergnügt, als Byron in seinem schönsten Alter starb; denn wenn er wirklich noch katholisch geworden wäre, so hätt’ es mich nicht seinet-, sondern Scott’s wegen, der die Prophezeiung gab, geärgert. Nur das versöhnt mich mit dem abtrünnigen Heine, daß er den Umfang seiner Jakobinermütze nicht nach und nach kleiner gemacht hat, sondern plötzlich wie ein Gott mit seinem neuen Glauben, dem consequentesten Royalismus, dastand. Und es ist wahr, auch die Art seines Uebertritts ist consequent, ist schön, und die poetische Wahrheit darin ergreifend. Er hat seine Maria, die todte Marmorbraut, wie ein neuer Pygmalion—aber nicht der Immermann’sche—durch warmen Liederkuß wieder zurückgerufen in das dunkle Leben, in dem sie ihm einst als leuchtender Stern aufgegangen war. Nun ist aber auch der Schleier ihrer Geburt gefallen, sie ist eine Fürstin, und weist den Vermessenen, der sie doch vom Zauber dieses langen Traumes erlöst hat, zurück. Sie nennt seinen Liederkuß einen Judaskuß, ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/88
Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/88>, abgerufen am 24.11.2024.