wird seufzend hinzugefügt. Daß man doch wenigstens wüßte, wo man Dich angreifen soll! Wir wollen ja lieber lauter Bettler, als einen, der heute in Lumpen geht, und sich morgen für einen Crösus ausgibt. Nein, in der That, hierin ist unsere Zeit consequent, sie will nicht arm sein; denn stolz und hochmüthig sagt sie bald darauf:
"Nein, ich bin reich, und habe gar satt, und bedarf Nichts."
Falsche Scham! Man weiß es besser:
"Du bist elend und jämmerlich, arm, blind und bloß."
Leider, Die Noth des Volkes ist aufs Höchste gestiegen. Armes Irland, wie sehr bedarfst du des nachstehenden Trostes, daß nur die der Herr züchtigt, die er lieb hat.
Wenn Sie nun jetzt in der Bibel weiterläsen, so würden Sie einen Engel finden, der ein versiegeltes Buch trägt, das Buch der Weltgeschichte. Niemand ist da, der es öffnen kann. Die Zeit steht still und kann sich nicht mehr entwickeln. Da tritt endlich das apokalyptische Lamm hervor. Christus ist's, der die abgelaufene Uhr der Geschichte wieder aufzieht. Er öffnet sechs Siegel, und zuletzt ein siebentes, und dann -- o, ich zittre schon an allen Gliedern. Zittern auch Sie, Fräulein! Man hat Ursach!
wird seufzend hinzugefügt. Daß man doch wenigstens wüßte, wo man Dich angreifen soll! Wir wollen ja lieber lauter Bettler, als einen, der heute in Lumpen geht, und sich morgen für einen Crösus ausgibt. Nein, in der That, hierin ist unsere Zeit consequent, sie will nicht arm sein; denn stolz und hochmüthig sagt sie bald darauf:
»Nein, ich bin reich, und habe gar satt, und bedarf Nichts.«
Falsche Scham! Man weiß es besser:
»Du bist elend und jämmerlich, arm, blind und bloß.«
Leider, Die Noth des Volkes ist aufs Höchste gestiegen. Armes Irland, wie sehr bedarfst du des nachstehenden Trostes, daß nur die der Herr züchtigt, die er lieb hat.
Wenn Sie nun jetzt in der Bibel weiterläsen, so würden Sie einen Engel finden, der ein versiegeltes Buch trägt, das Buch der Weltgeschichte. Niemand ist da, der es öffnen kann. Die Zeit steht still und kann sich nicht mehr entwickeln. Da tritt endlich das apokalyptische Lamm hervor. Christus ist’s, der die abgelaufene Uhr der Geschichte wieder aufzieht. Er öffnet sechs Siegel, und zuletzt ein siebentes, und dann — o, ich zittre schon an allen Gliedern. Zittern auch Sie, Fräulein! Man hat Ursach!
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0322"n="309"/><p> wird seufzend hinzugefügt. Daß man doch wenigstens wüßte, wo man Dich angreifen soll! Wir wollen ja lieber lauter Bettler, als einen, der heute in Lumpen geht, und sich morgen für einen Crösus ausgibt. Nein, in der That, hierin ist unsere Zeit consequent, sie will nicht arm sein; denn stolz und hochmüthig sagt sie bald darauf:</p><p>»Nein, ich bin reich, und habe gar satt, und bedarf Nichts.«</p><p>Falsche Scham! Man weiß es besser:</p><p>»Du bist elend und jämmerlich, arm, blind und bloß.«</p><p>Leider, Die Noth des Volkes ist aufs Höchste gestiegen. Armes Irland, wie sehr bedarfst du des nachstehenden Trostes, daß nur die der Herr züchtigt, die er lieb hat.</p><p>Wenn Sie nun jetzt in der Bibel weiterläsen, so würden Sie einen Engel finden, der ein versiegeltes Buch trägt, das Buch der Weltgeschichte. Niemand ist da, der es öffnen kann. Die Zeit steht still und kann sich nicht mehr entwickeln. Da tritt endlich das apokalyptische Lamm hervor. Christus ist’s, der die abgelaufene Uhr der Geschichte wieder aufzieht. Er öffnet sechs Siegel, und zuletzt ein siebentes, und dann — o, ich zittre schon an allen Gliedern. Zittern auch Sie, Fräulein! Man hat Ursach!</p></div></body></text></TEI>
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wird seufzend hinzugefügt. Daß man doch wenigstens wüßte, wo man Dich angreifen soll! Wir wollen ja lieber lauter Bettler, als einen, der heute in Lumpen geht, und sich morgen für einen Crösus ausgibt. Nein, in der That, hierin ist unsere Zeit consequent, sie will nicht arm sein; denn stolz und hochmüthig sagt sie bald darauf:
»Nein, ich bin reich, und habe gar satt, und bedarf Nichts.«
Falsche Scham! Man weiß es besser:
»Du bist elend und jämmerlich, arm, blind und bloß.«
Leider, Die Noth des Volkes ist aufs Höchste gestiegen. Armes Irland, wie sehr bedarfst du des nachstehenden Trostes, daß nur die der Herr züchtigt, die er lieb hat.
Wenn Sie nun jetzt in der Bibel weiterläsen, so würden Sie einen Engel finden, der ein versiegeltes Buch trägt, das Buch der Weltgeschichte. Niemand ist da, der es öffnen kann. Die Zeit steht still und kann sich nicht mehr entwickeln. Da tritt endlich das apokalyptische Lamm hervor. Christus ist’s, der die abgelaufene Uhr der Geschichte wieder aufzieht. Er öffnet sechs Siegel, und zuletzt ein siebentes, und dann — o, ich zittre schon an allen Gliedern. Zittern auch Sie, Fräulein! Man hat Ursach!
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[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/322>, abgerufen am 16.02.2025.
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