[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.angebeteten Schwester hätte Gefahr bringen können. Meine Schwester verschmähte den Officier als einen Fremden, und als Verlobte eines Tapfern, der die Sache der Cortes vertheidigte, und in einem der spätern Einfälle Mina's seinen Tod gefunden hat. Der Beichtvater meiner Schwester und ich haben vielleicht lächerliche Mittel gebraucht, um unsern Zweck zu erreichen, aber die schwierige Stellung gegen einen mächtigen Feind entschuldigte sie. Meine unglückliche Schwester, deren Verlobter von seinem heimathlichen Boden verbannt, und sich nur auf Augenblicke in ihrer Nähe sehen lassen durfte, ist vor einiger Zeit an Schwermuth über den Verlust ihres Geliebten gestorben." Der General blieb betroffen stehen, wandte sich um, und sah dem Spanier einen Augenblick flüchtig ins Gesicht. Dann fuhr er scheinbar beruhigt fort: "Sie vergessen unsern Gegenstand! Wir sprachen von Wundern und ähnlichen Geschichten. Es ist merkwürdig, daß wir oft Jahre lang einem bestimmten Ziele nachgehen, es aber niemals treffen, weil es die schlimme Eigenschaft hat, selbst wandelbar zu sein, und einen freien Willen zu haben. Um zwei mir theure Menschen aufzufinden, hab' ich mich zuletzt sogar auf Divinationen gelegt, weil die Register der Municipalitäten und Paßbureaux nicht mehr helfen wollten. Ich habe angebeteten Schwester hätte Gefahr bringen können. Meine Schwester verschmähte den Officier als einen Fremden, und als Verlobte eines Tapfern, der die Sache der Cortes vertheidigte, und in einem der spätern Einfälle Mina’s seinen Tod gefunden hat. Der Beichtvater meiner Schwester und ich haben vielleicht lächerliche Mittel gebraucht, um unsern Zweck zu erreichen, aber die schwierige Stellung gegen einen mächtigen Feind entschuldigte sie. Meine unglückliche Schwester, deren Verlobter von seinem heimathlichen Boden verbannt, und sich nur auf Augenblicke in ihrer Nähe sehen lassen durfte, ist vor einiger Zeit an Schwermuth über den Verlust ihres Geliebten gestorben." Der General blieb betroffen stehen, wandte sich um, und sah dem Spanier einen Augenblick flüchtig ins Gesicht. Dann fuhr er scheinbar beruhigt fort: "Sie vergessen unsern Gegenstand! Wir sprachen von Wundern und ähnlichen Geschichten. Es ist merkwürdig, daß wir oft Jahre lang einem bestimmten Ziele nachgehen, es aber niemals treffen, weil es die schlimme Eigenschaft hat, selbst wandelbar zu sein, und einen freien Willen zu haben. Um zwei mir theure Menschen aufzufinden, hab’ ich mich zuletzt sogar auf Divinationen gelegt, weil die Register der Municipalitäten und Paßbureaux nicht mehr helfen wollten. Ich habe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0313" n="300"/> angebeteten Schwester hätte Gefahr bringen können. Meine Schwester verschmähte den Officier als einen Fremden, und als Verlobte eines Tapfern, der die Sache der Cortes vertheidigte, und in einem der spätern Einfälle Mina’s seinen Tod gefunden hat. Der Beichtvater meiner Schwester und ich haben vielleicht lächerliche Mittel gebraucht, um unsern Zweck zu erreichen, aber die schwierige Stellung gegen einen mächtigen Feind entschuldigte sie. Meine unglückliche Schwester, deren Verlobter von seinem heimathlichen Boden verbannt, und sich nur auf Augenblicke in ihrer Nähe sehen lassen durfte, ist vor einiger Zeit an Schwermuth über den Verlust ihres Geliebten gestorben."</p> <p>Der General blieb betroffen stehen, wandte sich um, und sah dem Spanier einen Augenblick flüchtig ins Gesicht. Dann fuhr er scheinbar beruhigt fort: "Sie vergessen unsern Gegenstand! Wir sprachen von Wundern und ähnlichen Geschichten. Es ist merkwürdig, daß wir oft Jahre lang einem bestimmten Ziele nachgehen, es aber niemals treffen, weil es die schlimme Eigenschaft hat, selbst wandelbar zu sein, und einen freien Willen zu haben. Um zwei mir theure Menschen aufzufinden, hab’ ich mich zuletzt sogar auf Divinationen gelegt, weil die Register der Municipalitäten und Paßbureaux nicht mehr helfen wollten. Ich habe </p> </div> </body> </text> </TEI> [300/0313]
angebeteten Schwester hätte Gefahr bringen können. Meine Schwester verschmähte den Officier als einen Fremden, und als Verlobte eines Tapfern, der die Sache der Cortes vertheidigte, und in einem der spätern Einfälle Mina’s seinen Tod gefunden hat. Der Beichtvater meiner Schwester und ich haben vielleicht lächerliche Mittel gebraucht, um unsern Zweck zu erreichen, aber die schwierige Stellung gegen einen mächtigen Feind entschuldigte sie. Meine unglückliche Schwester, deren Verlobter von seinem heimathlichen Boden verbannt, und sich nur auf Augenblicke in ihrer Nähe sehen lassen durfte, ist vor einiger Zeit an Schwermuth über den Verlust ihres Geliebten gestorben."
Der General blieb betroffen stehen, wandte sich um, und sah dem Spanier einen Augenblick flüchtig ins Gesicht. Dann fuhr er scheinbar beruhigt fort: "Sie vergessen unsern Gegenstand! Wir sprachen von Wundern und ähnlichen Geschichten. Es ist merkwürdig, daß wir oft Jahre lang einem bestimmten Ziele nachgehen, es aber niemals treffen, weil es die schlimme Eigenschaft hat, selbst wandelbar zu sein, und einen freien Willen zu haben. Um zwei mir theure Menschen aufzufinden, hab’ ich mich zuletzt sogar auf Divinationen gelegt, weil die Register der Municipalitäten und Paßbureaux nicht mehr helfen wollten. Ich habe
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Zitationshilfe: | [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/313>, abgerufen am 28.07.2024. |