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[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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Diese Kunst des Regierens ist vorüber, wie die großen Entwürfe des Genies, die sich nie anders, als mit Tyrannei endigen. Die kleinen Umstände werden regieren.

Eine Revolutionirung Deutschlands hat unendliche Schwierigkeiten. Den Bewohnern des flachen Landes fehlt es für ihre Coups an Concentration. Die Anzahl der schlagfertigen Masse in den Hauptstädten ist zu gering, als daß sie Garnisonen von 10-50,000 Mann widerstehen könnte. Eine Revolution Deutschlands wäre interessant, weil sie zur Poesie des Lebens gehören müßte, aber einen glücklichen Ausgang nimmt sie nicht, wenn man nicht etwa die Dictatur eines militärischen Befehlshabers einen solchen nennen will.

Die kleinen Umstände werden uns helfen. Die dreisten Plänkeleien, die Rücksichtslosigkeiten der Presse, die Huldigungen, die man einzelnen Freunden des Volks darzubringen nicht aufhören wird, müssen die Gegenmacht ermüden; sie wird unter Zischen und Pochen von der Bühne treten.

Fast alle Völker haben eine Sage von einem hartherzigen Könige oder Priester, den zwar nicht das schwache, hungernde, entwaffnete, gefesselte Volk, aber der Zorn Gottes bändigte. Es ist dann von Mäusen oder Ratten oder anderem kleinen Gethier die Rede, das den gottlosen Mann um

Diese Kunst des Regierens ist vorüber, wie die großen Entwürfe des Genies, die sich nie anders, als mit Tyrannei endigen. Die kleinen Umstände werden regieren.

Eine Revolutionirung Deutschlands hat unendliche Schwierigkeiten. Den Bewohnern des flachen Landes fehlt es für ihre Coups an Concentration. Die Anzahl der schlagfertigen Masse in den Hauptstädten ist zu gering, als daß sie Garnisonen von 10-50,000 Mann widerstehen könnte. Eine Revolution Deutschlands wäre interessant, weil sie zur Poesie des Lebens gehören müßte, aber einen glücklichen Ausgang nimmt sie nicht, wenn man nicht etwa die Dictatur eines militärischen Befehlshabers einen solchen nennen will.

Die kleinen Umstände werden uns helfen. Die dreisten Plänkeleien, die Rücksichtslosigkeiten der Presse, die Huldigungen, die man einzelnen Freunden des Volks darzubringen nicht aufhören wird, müssen die Gegenmacht ermüden; sie wird unter Zischen und Pochen von der Bühne treten.

Fast alle Völker haben eine Sage von einem hartherzigen Könige oder Priester, den zwar nicht das schwache, hungernde, entwaffnete, gefesselte Volk, aber der Zorn Gottes bändigte. Es ist dann von Mäusen oder Ratten oder anderem kleinen Gethier die Rede, das den gottlosen Mann um

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[288/0301] Diese Kunst des Regierens ist vorüber, wie die großen Entwürfe des Genies, die sich nie anders, als mit Tyrannei endigen. Die kleinen Umstände werden regieren. Eine Revolutionirung Deutschlands hat unendliche Schwierigkeiten. Den Bewohnern des flachen Landes fehlt es für ihre Coups an Concentration. Die Anzahl der schlagfertigen Masse in den Hauptstädten ist zu gering, als daß sie Garnisonen von 10-50,000 Mann widerstehen könnte. Eine Revolution Deutschlands wäre interessant, weil sie zur Poesie des Lebens gehören müßte, aber einen glücklichen Ausgang nimmt sie nicht, wenn man nicht etwa die Dictatur eines militärischen Befehlshabers einen solchen nennen will. Die kleinen Umstände werden uns helfen. Die dreisten Plänkeleien, die Rücksichtslosigkeiten der Presse, die Huldigungen, die man einzelnen Freunden des Volks darzubringen nicht aufhören wird, müssen die Gegenmacht ermüden; sie wird unter Zischen und Pochen von der Bühne treten. Fast alle Völker haben eine Sage von einem hartherzigen Könige oder Priester, den zwar nicht das schwache, hungernde, entwaffnete, gefesselte Volk, aber der Zorn Gottes bändigte. Es ist dann von Mäusen oder Ratten oder anderem kleinen Gethier die Rede, das den gottlosen Mann um

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/301>, abgerufen am 21.11.2024.