[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.höchste Stufe, die nur ein Fuß im behenden Sprunge erreichen kann. Darf sich also auch der Tanz schmeicheln, zu dankbarer Anerkennung im Staate gern gesehen zu werden? Ich sage mit vollkommner Ueberzeugung: Ja! aus positiven und negativen Gründen. Wir sind zum Leben im Staate nicht geboren. Es kann Gottes Wille nicht gewesen sein, daß wir Einem oder Mehreren gehorchen, die nicht er selbst sind, daß Männer für die Ordnung sorgen sollen, da die Unordnung an ihm keinen Theil hat. Wir sollen friedfertig und einträchtig nebeneinander wohnen, und Rechte uns zugestehen, als seien wir Alle Brüder. Staat ist nur Uebergangspunct in einen andern Zustand, und daß dieser glücklich ist, muß aus der Monarchie sich noch die Republik, dann aber erst aus der Republik sich das große Philadelphia bilden. Der wahren Bestimmung des Staats dient also Nichts, als seine Zerstörung: sein zärtlichster Freund wird immer sein geschworner Feind sein müssen. Macht aus dem Erdenrunde einen Staat, und wir werden ihn selbst zerstören, weil wir das Bedürfniß des Bauens haben, und auf das Gebäude des Staates alles Material verthaten. Freilich ist das Firmament ein Staat, und Gott ein Monarch, der sich die Gesetze und die Bahnen unterordnete, aber die höchste Stufe, die nur ein Fuß im behenden Sprunge erreichen kann. Darf sich also auch der Tanz schmeicheln, zu dankbarer Anerkennung im Staate gern gesehen zu werden? Ich sage mit vollkommner Ueberzeugung: Ja! aus positiven und negativen Gründen. Wir sind zum Leben im Staate nicht geboren. Es kann Gottes Wille nicht gewesen sein, daß wir Einem oder Mehreren gehorchen, die nicht er selbst sind, daß Männer für die Ordnung sorgen sollen, da die Unordnung an ihm keinen Theil hat. Wir sollen friedfertig und einträchtig nebeneinander wohnen, und Rechte uns zugestehen, als seien wir Alle Brüder. Staat ist nur Uebergangspunct in einen andern Zustand, und daß dieser glücklich ist, muß aus der Monarchie sich noch die Republik, dann aber erst aus der Republik sich das große Philadelphia bilden. Der wahren Bestimmung des Staats dient also Nichts, als seine Zerstörung: sein zärtlichster Freund wird immer sein geschworner Feind sein müssen. Macht aus dem Erdenrunde einen Staat, und wir werden ihn selbst zerstören, weil wir das Bedürfniß des Bauens haben, und auf das Gebäude des Staates alles Material verthaten. Freilich ist das Firmament ein Staat, und Gott ein Monarch, der sich die Gesetze und die Bahnen unterordnete, aber die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0267" n="254"/> höchste Stufe, die nur ein Fuß im behenden Sprunge erreichen kann. Darf sich also auch der Tanz schmeicheln, zu dankbarer Anerkennung im Staate gern gesehen zu werden? Ich sage mit vollkommner Ueberzeugung: Ja! aus positiven und negativen Gründen.</p> <p>Wir sind zum Leben im Staate nicht geboren. Es kann Gottes Wille nicht gewesen sein, daß wir Einem oder Mehreren gehorchen, die nicht er selbst sind, daß Männer für die Ordnung sorgen sollen, da die Unordnung an ihm keinen Theil hat. Wir sollen friedfertig und einträchtig nebeneinander wohnen, und Rechte uns zugestehen, als seien wir Alle Brüder. Staat ist nur Uebergangspunct in einen andern Zustand, und daß dieser glücklich ist, muß aus der Monarchie sich noch die Republik, dann aber erst aus der Republik sich das große Philadelphia bilden. Der wahren Bestimmung des Staats dient also Nichts, als seine Zerstörung: sein zärtlichster Freund wird immer sein geschworner Feind sein müssen. Macht aus dem Erdenrunde einen Staat, und wir werden ihn selbst zerstören, weil wir das Bedürfniß des Bauens haben, und auf das Gebäude des Staates alles Material verthaten. Freilich ist das Firmament ein Staat, und Gott ein Monarch, der sich die Gesetze und die Bahnen unterordnete, aber die </p> </div> </body> </text> </TEI> [254/0267]
höchste Stufe, die nur ein Fuß im behenden Sprunge erreichen kann. Darf sich also auch der Tanz schmeicheln, zu dankbarer Anerkennung im Staate gern gesehen zu werden? Ich sage mit vollkommner Ueberzeugung: Ja! aus positiven und negativen Gründen.
Wir sind zum Leben im Staate nicht geboren. Es kann Gottes Wille nicht gewesen sein, daß wir Einem oder Mehreren gehorchen, die nicht er selbst sind, daß Männer für die Ordnung sorgen sollen, da die Unordnung an ihm keinen Theil hat. Wir sollen friedfertig und einträchtig nebeneinander wohnen, und Rechte uns zugestehen, als seien wir Alle Brüder. Staat ist nur Uebergangspunct in einen andern Zustand, und daß dieser glücklich ist, muß aus der Monarchie sich noch die Republik, dann aber erst aus der Republik sich das große Philadelphia bilden. Der wahren Bestimmung des Staats dient also Nichts, als seine Zerstörung: sein zärtlichster Freund wird immer sein geschworner Feind sein müssen. Macht aus dem Erdenrunde einen Staat, und wir werden ihn selbst zerstören, weil wir das Bedürfniß des Bauens haben, und auf das Gebäude des Staates alles Material verthaten. Freilich ist das Firmament ein Staat, und Gott ein Monarch, der sich die Gesetze und die Bahnen unterordnete, aber die
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Zitationshilfe: | [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/267>, abgerufen am 16.02.2025. |