[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.käme, wenn man nur von einem neuen Concile noch einige Veränderungen in der hergebrachten Form der Procession festsetzen ließe. Statt der hölzernen Christuspuppe sollte sich besser ein lebendiger Gott, dem die scheinbar eingerammten Nägel am Blocke nichts schaden müßten, schicken, ja die Würde der Handlung höbe sich dann auch mehr, wenn die Größe des Schauplatzes sich der natürlichen näherte. Die Chorknaben, Priester und Leviten, die die römischen Kriegsknechte, jüdischen Priester und Leviten vorstellen sollen, würden bei einer größeren Entfernung des geistlichen Publicums mehr bedacht sein, auf ihre Bewegungen zu achten und ihnen jenen Reiz zu geben, den die Verbindung der Kunst und Natur immer nach sich zieht. Bei uns Protestantischen -- ob da nicht der Redner, statt mit den Händen zu declamiren, lieber tanzen könnte? ob sich nicht die Wiedergeburt, das Ausziehen des alten Adams und das Ankleiden des neuen, das Wälzen im Blute Christi, die Ewigkeit der Höllenstrafen durch untrügliche Gesten ebenso darstellen ließen, als würde die fürchterlich fechtende, auf den Rand der Kanzel schlagende Hand von Worten begleitet? Ließe sich nicht das Schlußgebet für das Wohl und die Fülle der königlichen Gesundheit und der blechernen Becken an den Kirchthüren ebenso charakteristisch ausdrücken? Das sind käme, wenn man nur von einem neuen Concile noch einige Veränderungen in der hergebrachten Form der Procession festsetzen ließe. Statt der hölzernen Christuspuppe sollte sich besser ein lebendiger Gott, dem die scheinbar eingerammten Nägel am Blocke nichts schaden müßten, schicken, ja die Würde der Handlung höbe sich dann auch mehr, wenn die Größe des Schauplatzes sich der natürlichen näherte. Die Chorknaben, Priester und Leviten, die die römischen Kriegsknechte, jüdischen Priester und Leviten vorstellen sollen, würden bei einer größeren Entfernung des geistlichen Publicums mehr bedacht sein, auf ihre Bewegungen zu achten und ihnen jenen Reiz zu geben, den die Verbindung der Kunst und Natur immer nach sich zieht. Bei uns Protestantischen — ob da nicht der Redner, statt mit den Händen zu declamiren, lieber tanzen könnte? ob sich nicht die Wiedergeburt, das Ausziehen des alten Adams und das Ankleiden des neuen, das Wälzen im Blute Christi, die Ewigkeit der Höllenstrafen durch untrügliche Gesten ebenso darstellen ließen, als würde die fürchterlich fechtende, auf den Rand der Kanzel schlagende Hand von Worten begleitet? Ließe sich nicht das Schlußgebet für das Wohl und die Fülle der königlichen Gesundheit und der blechernen Becken an den Kirchthüren ebenso charakteristisch ausdrücken? Das sind <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0264" n="251"/> käme, wenn man nur von einem neuen Concile noch einige Veränderungen in der hergebrachten Form der Procession festsetzen ließe. Statt der hölzernen Christuspuppe sollte sich besser ein lebendiger Gott, dem die scheinbar eingerammten Nägel am Blocke nichts schaden müßten, schicken, ja die Würde der Handlung höbe sich dann auch mehr, wenn die Größe des Schauplatzes sich der natürlichen näherte. Die Chorknaben, Priester und Leviten, die die römischen Kriegsknechte, jüdischen Priester und Leviten vorstellen sollen, würden bei einer größeren Entfernung des geistlichen Publicums mehr bedacht sein, auf ihre Bewegungen zu achten und ihnen jenen Reiz zu geben, den die Verbindung der Kunst und Natur immer nach sich zieht.</p> <p>Bei uns Protestantischen — ob da nicht der Redner, statt mit den Händen zu declamiren, lieber tanzen könnte? ob sich nicht die Wiedergeburt, das Ausziehen des alten Adams und das Ankleiden des neuen, das Wälzen im Blute Christi, die Ewigkeit der Höllenstrafen durch untrügliche Gesten ebenso darstellen ließen, als würde die fürchterlich fechtende, auf den Rand der Kanzel schlagende Hand von Worten begleitet? Ließe sich nicht das Schlußgebet für das Wohl und die Fülle der königlichen Gesundheit und der blechernen Becken an den Kirchthüren ebenso charakteristisch ausdrücken? Das sind </p> </div> </body> </text> </TEI> [251/0264]
käme, wenn man nur von einem neuen Concile noch einige Veränderungen in der hergebrachten Form der Procession festsetzen ließe. Statt der hölzernen Christuspuppe sollte sich besser ein lebendiger Gott, dem die scheinbar eingerammten Nägel am Blocke nichts schaden müßten, schicken, ja die Würde der Handlung höbe sich dann auch mehr, wenn die Größe des Schauplatzes sich der natürlichen näherte. Die Chorknaben, Priester und Leviten, die die römischen Kriegsknechte, jüdischen Priester und Leviten vorstellen sollen, würden bei einer größeren Entfernung des geistlichen Publicums mehr bedacht sein, auf ihre Bewegungen zu achten und ihnen jenen Reiz zu geben, den die Verbindung der Kunst und Natur immer nach sich zieht.
Bei uns Protestantischen — ob da nicht der Redner, statt mit den Händen zu declamiren, lieber tanzen könnte? ob sich nicht die Wiedergeburt, das Ausziehen des alten Adams und das Ankleiden des neuen, das Wälzen im Blute Christi, die Ewigkeit der Höllenstrafen durch untrügliche Gesten ebenso darstellen ließen, als würde die fürchterlich fechtende, auf den Rand der Kanzel schlagende Hand von Worten begleitet? Ließe sich nicht das Schlußgebet für das Wohl und die Fülle der königlichen Gesundheit und der blechernen Becken an den Kirchthüren ebenso charakteristisch ausdrücken? Das sind
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Zitationshilfe: | [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/264>, abgerufen am 16.02.2025. |