[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.großes Ideal mit dem rothen Adlerorden, dessen Band fast Jeder in der preußischen Staatsgesellschaft nach oben hin angestellte Maurer im linken Knopfloche trägt, in rechten Einklang bringen könnte. Ich muß lachen, wenn ich in den Tabernen der Antiquare nach alten Büchern stöbere, und auf die als Manuscript gedruckten Lieder der Maurer stoße. Da umschlingen sich Millionen und reichen sich den warmen Bruderkuß, Freude, der schöne Götterfunken, Tochter aus Elysium, senkt sich auf die seligen Zunftgenossen herab, sie jubeln und jauchzen den Brüdern auf fernen Zonen entgegen, und, wenn ihr Tritt schwankend wird, so gilt's den geliebten Antipoden. Die Absicht bleibt schön und wahr. Seitdem keine Peterskirchen und Straßburger Münster mehr gebaut werden, baute man Casinos, Börsen, Admiralitäten. Man begegnet sich im gesellschaftlichen Verkehr, den fremden Zungen ist ihr Fremdartiges genommen, von den Vögeln und Früchten Indiens ist der mythische Farbenstaub gewischt, die Menschen werden stückweise wie die Pferde auf die Maschinen gerechnet, die Arbeit der Hände ist in Dampf aufgegangen, der mathematische Calcül ist der Mittelpunkt, um den sich die Tellerscheibe der Welt mit ihren Bewohnern equilibrirend herumdreht -- ach! wir werden vor Steinkohlen und Prosa nichts, gar großes Ideal mit dem rothen Adlerorden, dessen Band fast Jeder in der preußischen Staatsgesellschaft nach oben hin angestellte Maurer im linken Knopfloche trägt, in rechten Einklang bringen könnte. Ich muß lachen, wenn ich in den Tabernen der Antiquare nach alten Büchern stöbere, und auf die als Manuscript gedruckten Lieder der Maurer stoße. Da umschlingen sich Millionen und reichen sich den warmen Bruderkuß, Freude, der schöne Götterfunken, Tochter aus Elysium, senkt sich auf die seligen Zunftgenossen herab, sie jubeln und jauchzen den Brüdern auf fernen Zonen entgegen, und, wenn ihr Tritt schwankend wird, so gilt’s den geliebten Antipoden. Die Absicht bleibt schön und wahr. Seitdem keine Peterskirchen und Straßburger Münster mehr gebaut werden, baute man Casinos, Börsen, Admiralitäten. Man begegnet sich im gesellschaftlichen Verkehr, den fremden Zungen ist ihr Fremdartiges genommen, von den Vögeln und Früchten Indiens ist der mythische Farbenstaub gewischt, die Menschen werden stückweise wie die Pferde auf die Maschinen gerechnet, die Arbeit der Hände ist in Dampf aufgegangen, der mathematische Calcül ist der Mittelpunkt, um den sich die Tellerscheibe der Welt mit ihren Bewohnern equilibrirend herumdreht — ach! wir werden vor Steinkohlen und Prosa nichts, gar <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0252" n="239"/> großes Ideal mit dem rothen Adlerorden, dessen Band fast Jeder in der preußischen Staatsgesellschaft nach oben hin angestellte Maurer im linken Knopfloche trägt, in rechten Einklang bringen könnte. Ich muß lachen, wenn ich in den Tabernen der Antiquare nach alten Büchern stöbere, und auf die als Manuscript gedruckten Lieder der Maurer stoße. Da umschlingen sich Millionen und reichen sich den warmen Bruderkuß, Freude, der schöne Götterfunken, Tochter aus Elysium, senkt sich auf die seligen Zunftgenossen herab, sie jubeln und jauchzen den Brüdern auf fernen Zonen entgegen, und, wenn ihr Tritt schwankend wird, so gilt’s den geliebten Antipoden. Die Absicht bleibt schön und wahr. Seitdem keine Peterskirchen und Straßburger Münster mehr gebaut werden, baute man Casinos, Börsen, Admiralitäten. Man begegnet sich im gesellschaftlichen Verkehr, den fremden Zungen ist ihr Fremdartiges genommen, von den Vögeln und Früchten Indiens ist der mythische Farbenstaub gewischt, die Menschen werden stückweise wie die Pferde auf die Maschinen gerechnet, die Arbeit der Hände ist in Dampf aufgegangen, der mathematische Calcül ist der Mittelpunkt, um den sich die Tellerscheibe der Welt mit ihren Bewohnern equilibrirend herumdreht — ach! wir werden vor Steinkohlen und Prosa nichts, gar </p> </div> </body> </text> </TEI> [239/0252]
großes Ideal mit dem rothen Adlerorden, dessen Band fast Jeder in der preußischen Staatsgesellschaft nach oben hin angestellte Maurer im linken Knopfloche trägt, in rechten Einklang bringen könnte. Ich muß lachen, wenn ich in den Tabernen der Antiquare nach alten Büchern stöbere, und auf die als Manuscript gedruckten Lieder der Maurer stoße. Da umschlingen sich Millionen und reichen sich den warmen Bruderkuß, Freude, der schöne Götterfunken, Tochter aus Elysium, senkt sich auf die seligen Zunftgenossen herab, sie jubeln und jauchzen den Brüdern auf fernen Zonen entgegen, und, wenn ihr Tritt schwankend wird, so gilt’s den geliebten Antipoden. Die Absicht bleibt schön und wahr. Seitdem keine Peterskirchen und Straßburger Münster mehr gebaut werden, baute man Casinos, Börsen, Admiralitäten. Man begegnet sich im gesellschaftlichen Verkehr, den fremden Zungen ist ihr Fremdartiges genommen, von den Vögeln und Früchten Indiens ist der mythische Farbenstaub gewischt, die Menschen werden stückweise wie die Pferde auf die Maschinen gerechnet, die Arbeit der Hände ist in Dampf aufgegangen, der mathematische Calcül ist der Mittelpunkt, um den sich die Tellerscheibe der Welt mit ihren Bewohnern equilibrirend herumdreht — ach! wir werden vor Steinkohlen und Prosa nichts, gar
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Zitationshilfe: | [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/252>, abgerufen am 16.02.2025. |