[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.Neuheit auf die Menschen ausübt, kenne den Reiz des Versteckten, und war für jenen Augenblick davon überzeugt, daß man eine Freiheit, die zuweilen harte Opfer verlangt, verkaufen würde gegen eine Sclaverei, die jährlich zur Carnevalszeit den Leuten viermal erlaubt, sich mit Vergnügen frei zu nennen. Auch auf die Masken hat sich die Politik der Könige ausgedehnt. Sie sind ursprünglich demokratischer Natur, und verbargen oft den Schmerz, den Unwillen und den Spott, den ein Hof wie der römische und das Treiben der norditaliänischen Aristokraten veranlassen mußte. Der alte Kunstgriff der Schlauheit, den Gegner in ihr Interesse zu ziehen, ließ sich in diesem Falle vortrefflich anwenden. Seitdem haben die Fürsten nicht aufgehört, die geflissentlichste Sorgfalt auf die Maskeraden zu wenden, damit es nicht heiße, der Grundsatz der Gleichheit gelte in den Monarchien nirgends. Und es ist wahr, jede andere Art Belustigung wurde in den Zeiten der französischen Republik zugelassen, die Bälle ermangelten des alten Glanzes nicht, die Theater waren nicht verschlossen, aber die Maskeraden hörten auf. Natürlich; denn für jeden Tag im Kalender war ja damals die Freiheit als Heiliger angesetzt. Aber was kümmert das die Natur der Menschen, die Neuheit auf die Menschen ausübt, kenne den Reiz des Versteckten, und war für jenen Augenblick davon überzeugt, daß man eine Freiheit, die zuweilen harte Opfer verlangt, verkaufen würde gegen eine Sclaverei, die jährlich zur Carnevalszeit den Leuten viermal erlaubt, sich mit Vergnügen frei zu nennen. Auch auf die Masken hat sich die Politik der Könige ausgedehnt. Sie sind ursprünglich demokratischer Natur, und verbargen oft den Schmerz, den Unwillen und den Spott, den ein Hof wie der römische und das Treiben der norditaliänischen Aristokraten veranlassen mußte. Der alte Kunstgriff der Schlauheit, den Gegner in ihr Interesse zu ziehen, ließ sich in diesem Falle vortrefflich anwenden. Seitdem haben die Fürsten nicht aufgehört, die geflissentlichste Sorgfalt auf die Maskeraden zu wenden, damit es nicht heiße, der Grundsatz der Gleichheit gelte in den Monarchien nirgends. Und es ist wahr, jede andere Art Belustigung wurde in den Zeiten der französischen Republik zugelassen, die Bälle ermangelten des alten Glanzes nicht, die Theater waren nicht verschlossen, aber die Maskeraden hörten auf. Natürlich; denn für jeden Tag im Kalender war ja damals die Freiheit als Heiliger angesetzt. Aber was kümmert das die Natur der Menschen, die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0250" n="237"/> Neuheit auf die Menschen ausübt, kenne den Reiz des Versteckten, und war für jenen Augenblick davon überzeugt, daß man eine Freiheit, die zuweilen harte Opfer verlangt, verkaufen würde gegen eine Sclaverei, die jährlich zur Carnevalszeit den Leuten viermal erlaubt, sich mit Vergnügen frei zu nennen.</p> <p>Auch auf die Masken hat sich die Politik der Könige ausgedehnt. Sie sind ursprünglich demokratischer Natur, und verbargen oft den Schmerz, den Unwillen und den Spott, den ein Hof wie der römische und das Treiben der norditaliänischen Aristokraten veranlassen mußte. Der alte Kunstgriff der Schlauheit, den Gegner in ihr Interesse zu ziehen, ließ sich in diesem Falle vortrefflich anwenden. Seitdem haben die Fürsten nicht aufgehört, die geflissentlichste Sorgfalt auf die Maskeraden zu wenden, damit es nicht heiße, der Grundsatz der Gleichheit gelte in den Monarchien nirgends. Und es ist wahr, jede andere Art Belustigung wurde in den Zeiten der französischen Republik zugelassen, die Bälle ermangelten des alten Glanzes nicht, die Theater waren nicht verschlossen, aber die Maskeraden hörten auf. Natürlich; denn für jeden Tag im Kalender war ja damals die Freiheit als Heiliger angesetzt. Aber was kümmert das die Natur der Menschen, die </p> </div> </body> </text> </TEI> [237/0250]
Neuheit auf die Menschen ausübt, kenne den Reiz des Versteckten, und war für jenen Augenblick davon überzeugt, daß man eine Freiheit, die zuweilen harte Opfer verlangt, verkaufen würde gegen eine Sclaverei, die jährlich zur Carnevalszeit den Leuten viermal erlaubt, sich mit Vergnügen frei zu nennen.
Auch auf die Masken hat sich die Politik der Könige ausgedehnt. Sie sind ursprünglich demokratischer Natur, und verbargen oft den Schmerz, den Unwillen und den Spott, den ein Hof wie der römische und das Treiben der norditaliänischen Aristokraten veranlassen mußte. Der alte Kunstgriff der Schlauheit, den Gegner in ihr Interesse zu ziehen, ließ sich in diesem Falle vortrefflich anwenden. Seitdem haben die Fürsten nicht aufgehört, die geflissentlichste Sorgfalt auf die Maskeraden zu wenden, damit es nicht heiße, der Grundsatz der Gleichheit gelte in den Monarchien nirgends. Und es ist wahr, jede andere Art Belustigung wurde in den Zeiten der französischen Republik zugelassen, die Bälle ermangelten des alten Glanzes nicht, die Theater waren nicht verschlossen, aber die Maskeraden hörten auf. Natürlich; denn für jeden Tag im Kalender war ja damals die Freiheit als Heiliger angesetzt. Aber was kümmert das die Natur der Menschen, die
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Zitationshilfe: | [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/250>, abgerufen am 16.02.2025. |