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[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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Um die Zukunft zu erkennen, sieht man in die Vergangenheit. Ich thue das, find' aber nirgends eine passende Analogie. Die Verhältnisse werden verschieden, daher auch die Bedürfnisse andere sein. Natürlich ist die Zukunft das Werk einer allgemeinen Revolution, sollten also die revolutionairen Zustände unserer oder früherer Zeit nicht einiges Analoge zur Hand geben? Sie lehren freilich das ewige Bedürfniß des Menschen, ein Gesetz, eine Idee, die Alle zusammenhalte, an die Spitze jeder Gemeinschaft zu stellen. So viel Blut ist nur geflossen, weil man wollte, daß es nicht flösse. Nur darum war die Anarchie an der Tagesordnung, weil Alle die Einigkeit wünschten. Aber wie? man wollte ein Gesetz, und doch keinen, der es gäbe. Man liebte die Menschheit, und haßte die Menschen. Darum glaub' ich es nicht, Geliebte, daß einst in Buchstaben wieder geredet wird. Die Liebe wird herrschen. Aber die Liebe steht nicht unter dem Gesetz, sie ist Feindin des Gesetzes, wie Du schon in der Bibel lesen kannst. Viele Dinge werden dann aufhören, besonders die, die jetzt schon keinen Sinn mehr haben. Auch wird es keine Helden und Hofräthe mehr geben, weil man die Dummen von den Klugen nicht mehr unterscheidet. Du verstehst mich doch? Diese haben sich bisher so unterschieden,

Um die Zukunft zu erkennen, sieht man in die Vergangenheit. Ich thue das, find’ aber nirgends eine passende Analogie. Die Verhältnisse werden verschieden, daher auch die Bedürfnisse andere sein. Natürlich ist die Zukunft das Werk einer allgemeinen Revolution, sollten also die revolutionairen Zustände unserer oder früherer Zeit nicht einiges Analoge zur Hand geben? Sie lehren freilich das ewige Bedürfniß des Menschen, ein Gesetz, eine Idee, die Alle zusammenhalte, an die Spitze jeder Gemeinschaft zu stellen. So viel Blut ist nur geflossen, weil man wollte, daß es nicht flösse. Nur darum war die Anarchie an der Tagesordnung, weil Alle die Einigkeit wünschten. Aber wie? man wollte ein Gesetz, und doch keinen, der es gäbe. Man liebte die Menschheit, und haßte die Menschen. Darum glaub’ ich es nicht, Geliebte, daß einst in Buchstaben wieder geredet wird. Die Liebe wird herrschen. Aber die Liebe steht nicht unter dem Gesetz, sie ist Feindin des Gesetzes, wie Du schon in der Bibel lesen kannst. Viele Dinge werden dann aufhören, besonders die, die jetzt schon keinen Sinn mehr haben. Auch wird es keine Helden und Hofräthe mehr geben, weil man die Dummen von den Klugen nicht mehr unterscheidet. Du verstehst mich doch? Diese haben sich bisher so unterschieden,

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[219/0232] Um die Zukunft zu erkennen, sieht man in die Vergangenheit. Ich thue das, find’ aber nirgends eine passende Analogie. Die Verhältnisse werden verschieden, daher auch die Bedürfnisse andere sein. Natürlich ist die Zukunft das Werk einer allgemeinen Revolution, sollten also die revolutionairen Zustände unserer oder früherer Zeit nicht einiges Analoge zur Hand geben? Sie lehren freilich das ewige Bedürfniß des Menschen, ein Gesetz, eine Idee, die Alle zusammenhalte, an die Spitze jeder Gemeinschaft zu stellen. So viel Blut ist nur geflossen, weil man wollte, daß es nicht flösse. Nur darum war die Anarchie an der Tagesordnung, weil Alle die Einigkeit wünschten. Aber wie? man wollte ein Gesetz, und doch keinen, der es gäbe. Man liebte die Menschheit, und haßte die Menschen. Darum glaub’ ich es nicht, Geliebte, daß einst in Buchstaben wieder geredet wird. Die Liebe wird herrschen. Aber die Liebe steht nicht unter dem Gesetz, sie ist Feindin des Gesetzes, wie Du schon in der Bibel lesen kannst. Viele Dinge werden dann aufhören, besonders die, die jetzt schon keinen Sinn mehr haben. Auch wird es keine Helden und Hofräthe mehr geben, weil man die Dummen von den Klugen nicht mehr unterscheidet. Du verstehst mich doch? Diese haben sich bisher so unterschieden,

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/232>, abgerufen am 22.11.2024.