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[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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ser Pietät, und doch gehen sie mit ihren Rathgebern den Weg, der ihnen beliebt. In Baiern hat die Camarilla des Hofes bis zum Ekel die Verfassung im Munde, und doch ist sie entzückt über Wasserburger und Gautinger Adressen, über die Erklärung eines Münchner militärischen Diogenes, er wolle jedem Gegner des Königs den Degen durch den Leib rennen.

Wir Deutsche sind doch sonderbar gestellt! In Baiern, Sachsen, Baden kann man ein Ausbund von Loyaute sein, und dabei den übrigen Residenten am Bundestage als böswilligster Demagog erscheinen. Als Landstand irgend eines kleineren deutschen Staates könnt' ich ordentlich aus Ironie meinem Fürsten und Herrn eine Macht zugestehen, seiner Würde eine so ungeheuere Ausdehnung geben, daß er in die ärgste Verlegenheit kommen müßte. Sogar einen dramatischen Effect müßte so eine Scene geben, wenn er auf der einen Seite complimentirend und lächelnd ruft: Bitte recht sehr! und zum Publicum bei Seite grimmig flüstert: Die verdammten Verbindlichkeiten! Vor Souveränität kann ich zur höchsten Macht gar nicht kommen! Wenn man ihn dann allein läßt, wird er schweißtriefend mit Lafayette nach der berüchtigten Dankadresse der Kammer ausrufen: Es gibt Höflichkeiten, die man nicht ertragen kann! In der That, die

ser Pietät, und doch gehen sie mit ihren Rathgebern den Weg, der ihnen beliebt. In Baiern hat die Camarilla des Hofes bis zum Ekel die Verfassung im Munde, und doch ist sie entzückt über Wasserburger und Gautinger Adressen, über die Erklärung eines Münchner militärischen Diogenes, er wolle jedem Gegner des Königs den Degen durch den Leib rennen.

Wir Deutsche sind doch sonderbar gestellt! In Baiern, Sachsen, Baden kann man ein Ausbund von Loyauté sein, und dabei den übrigen Residenten am Bundestage als böswilligster Demagog erscheinen. Als Landstand irgend eines kleineren deutschen Staates könnt’ ich ordentlich aus Ironie meinem Fürsten und Herrn eine Macht zugestehen, seiner Würde eine so ungeheuere Ausdehnung geben, daß er in die ärgste Verlegenheit kommen müßte. Sogar einen dramatischen Effect müßte so eine Scene geben, wenn er auf der einen Seite complimentirend und lächelnd ruft: Bitte recht sehr! und zum Publicum bei Seite grimmig flüstert: Die verdammten Verbindlichkeiten! Vor Souveränität kann ich zur höchsten Macht gar nicht kommen! Wenn man ihn dann allein läßt, wird er schweißtriefend mit Lafayette nach der berüchtigten Dankadresse der Kammer ausrufen: Es gibt Höflichkeiten, die man nicht ertragen kann! In der That, die

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[200/0213] ser Pietät, und doch gehen sie mit ihren Rathgebern den Weg, der ihnen beliebt. In Baiern hat die Camarilla des Hofes bis zum Ekel die Verfassung im Munde, und doch ist sie entzückt über Wasserburger und Gautinger Adressen, über die Erklärung eines Münchner militärischen Diogenes, er wolle jedem Gegner des Königs den Degen durch den Leib rennen. Wir Deutsche sind doch sonderbar gestellt! In Baiern, Sachsen, Baden kann man ein Ausbund von Loyauté sein, und dabei den übrigen Residenten am Bundestage als böswilligster Demagog erscheinen. Als Landstand irgend eines kleineren deutschen Staates könnt’ ich ordentlich aus Ironie meinem Fürsten und Herrn eine Macht zugestehen, seiner Würde eine so ungeheuere Ausdehnung geben, daß er in die ärgste Verlegenheit kommen müßte. Sogar einen dramatischen Effect müßte so eine Scene geben, wenn er auf der einen Seite complimentirend und lächelnd ruft: Bitte recht sehr! und zum Publicum bei Seite grimmig flüstert: Die verdammten Verbindlichkeiten! Vor Souveränität kann ich zur höchsten Macht gar nicht kommen! Wenn man ihn dann allein läßt, wird er schweißtriefend mit Lafayette nach der berüchtigten Dankadresse der Kammer ausrufen: Es gibt Höflichkeiten, die man nicht ertragen kann! In der That, die

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/213>, abgerufen am 22.11.2024.