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[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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Du kannst Dich bei dieser Apostrophe eines Gleichnisses bedienen, das ich gestern aus dem Theater heimgebracht habe.

Heinrich IV. feiert mit seinen Kindern in Fontainebleau das Bohnenfest. (Das Polenfest? verwunderte sich mein Nachbar.) Ein Kuchen wird in fünf Theile zerschnitten. Vier Theilhaber sind zugegen, und das fünfte Stück wird von der kleinsten Königl. Hoheit für die Armen bestimmt. Man sieht die Satyre auf die Gouvernantenmoral prinzlicher Gemüther; was sollen die Armen mit drei Löffeln Reispudding? Aber in derselben Weise -- so drück' Dich nur aus -- müßten auch die Männer keinen Napfkuchen zerschneiden, ohne wenigstens einen zwiefachen Zehnten an die weibliche hohe Priesterschaft abzutragen.

Welche Dinge betreibt Ihr jetzt! -- fährst Du fort -- Wir sehen Euch die Höhen besteigen, Feuerzeichen anzünden, die Schwerter emporhalten, die Schilde aneinander schlagen, in Helmen gräßliche Töne erzeugen. Dann kehrt Ihr heim, berauscht von sonderbaren Entzückungen. Gegen uns seid Ihr roh und ungeschlacht, verlangt Dinge, die wir nicht besitzen, weil Ihr sie uns nicht gegeben habt, oder andere, die wir uns anzueignen keinen Trieb fühlen. Es ist entsetzlich, wohin Euch Euer verwegener Sinn führt. Ihr

Du kannst Dich bei dieser Apostrophe eines Gleichnisses bedienen, das ich gestern aus dem Theater heimgebracht habe.

Heinrich IV. feiert mit seinen Kindern in Fontainebleau das Bohnenfest. (Das Polenfest? verwunderte sich mein Nachbar.) Ein Kuchen wird in fünf Theile zerschnitten. Vier Theilhaber sind zugegen, und das fünfte Stück wird von der kleinsten Königl. Hoheit für die Armen bestimmt. Man sieht die Satyre auf die Gouvernantenmoral prinzlicher Gemüther; was sollen die Armen mit drei Löffeln Reispudding? Aber in derselben Weise — so drück’ Dich nur aus — müßten auch die Männer keinen Napfkuchen zerschneiden, ohne wenigstens einen zwiefachen Zehnten an die weibliche hohe Priesterschaft abzutragen.

Welche Dinge betreibt Ihr jetzt! — fährst Du fort — Wir sehen Euch die Höhen besteigen, Feuerzeichen anzünden, die Schwerter emporhalten, die Schilde aneinander schlagen, in Helmen gräßliche Töne erzeugen. Dann kehrt Ihr heim, berauscht von sonderbaren Entzückungen. Gegen uns seid Ihr roh und ungeschlacht, verlangt Dinge, die wir nicht besitzen, weil Ihr sie uns nicht gegeben habt, oder andere, die wir uns anzueignen keinen Trieb fühlen. Es ist entsetzlich, wohin Euch Euer verwegener Sinn führt. Ihr

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[176/0189] Du kannst Dich bei dieser Apostrophe eines Gleichnisses bedienen, das ich gestern aus dem Theater heimgebracht habe. Heinrich IV. feiert mit seinen Kindern in Fontainebleau das Bohnenfest. (Das Polenfest? verwunderte sich mein Nachbar.) Ein Kuchen wird in fünf Theile zerschnitten. Vier Theilhaber sind zugegen, und das fünfte Stück wird von der kleinsten Königl. Hoheit für die Armen bestimmt. Man sieht die Satyre auf die Gouvernantenmoral prinzlicher Gemüther; was sollen die Armen mit drei Löffeln Reispudding? Aber in derselben Weise — so drück’ Dich nur aus — müßten auch die Männer keinen Napfkuchen zerschneiden, ohne wenigstens einen zwiefachen Zehnten an die weibliche hohe Priesterschaft abzutragen. Welche Dinge betreibt Ihr jetzt! — fährst Du fort — Wir sehen Euch die Höhen besteigen, Feuerzeichen anzünden, die Schwerter emporhalten, die Schilde aneinander schlagen, in Helmen gräßliche Töne erzeugen. Dann kehrt Ihr heim, berauscht von sonderbaren Entzückungen. Gegen uns seid Ihr roh und ungeschlacht, verlangt Dinge, die wir nicht besitzen, weil Ihr sie uns nicht gegeben habt, oder andere, die wir uns anzueignen keinen Trieb fühlen. Es ist entsetzlich, wohin Euch Euer verwegener Sinn führt. Ihr

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/189>, abgerufen am 27.11.2024.