[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.einer Nummer mit ihren dürren Knöcheln malen; es ging mir wie schwarzer Staar über die Augen. Wenn man die Beschäftigung mit der edelsten Kunst als eine Art Verlobung und Ehebündniß ansehen muß, so sollte man billigerweise für eine literarische Wittwenkasse sorgen. Man sollt' es sich recht Herzenssache sein lassen, die armen Hungerleider, wenn sie alt und schwach sind, zu ihrem und der Literatur Besten zu verpflegen, die Nackten zu kleiden und die Hungrigen zu speisen; nur müßten die Buchhändler dabei Nichts zu schaffen haben. Manche Bettler haben die Gewohnheit, erst das Vaterunser und Luthers ganzen kleinen Katechismus herzubeten, und dann um ein Almosen zu bitten, man gebe den invaliden Autoren das ersehnte Scherflein früher, und sie werden keine schlechten Schriften verfassen. So würd' ich mich über diese Unterstützungen noch weiter expectoriren, wenn mir nicht noch zur rechten Stunde einfiele, daß mein Raisonnement wirklich so klingt, als hätt' ich über Millionen zu commandiren, was doch -- weiß Gott -- nicht der Fall ist. Du siehst nun, Geliebte, wie ich ungefähr über Deine bisherigen schriftstellerischen Leistungen urtheile. Ich wünschte Dir Deinen verstellten, männlichen Ton, den angeklebten Bart, das ganze masculinische Wesen von Herzen zu verleiden. Wie einer Nummer mit ihren dürren Knöcheln malen; es ging mir wie schwarzer Staar über die Augen. Wenn man die Beschäftigung mit der edelsten Kunst als eine Art Verlobung und Ehebündniß ansehen muß, so sollte man billigerweise für eine literarische Wittwenkasse sorgen. Man sollt’ es sich recht Herzenssache sein lassen, die armen Hungerleider, wenn sie alt und schwach sind, zu ihrem und der Literatur Besten zu verpflegen, die Nackten zu kleiden und die Hungrigen zu speisen; nur müßten die Buchhändler dabei Nichts zu schaffen haben. Manche Bettler haben die Gewohnheit, erst das Vaterunser und Luthers ganzen kleinen Katechismus herzubeten, und dann um ein Almosen zu bitten, man gebe den invaliden Autoren das ersehnte Scherflein früher, und sie werden keine schlechten Schriften verfassen. So würd’ ich mich über diese Unterstützungen noch weiter expectoriren, wenn mir nicht noch zur rechten Stunde einfiele, daß mein Raisonnement wirklich so klingt, als hätt’ ich über Millionen zu commandiren, was doch — weiß Gott — nicht der Fall ist. Du siehst nun, Geliebte, wie ich ungefähr über Deine bisherigen schriftstellerischen Leistungen urtheile. Ich wünschte Dir Deinen verstellten, männlichen Ton, den angeklebten Bart, das ganze masculinische Wesen von Herzen zu verleiden. Wie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0185" n="172"/> einer Nummer mit ihren dürren Knöcheln malen; es ging mir wie schwarzer Staar über die Augen.</p> <p>Wenn man die Beschäftigung mit der edelsten Kunst als eine Art Verlobung und Ehebündniß ansehen muß, so sollte man billigerweise für eine literarische Wittwenkasse sorgen. Man sollt’ es sich recht Herzenssache sein lassen, die armen Hungerleider, wenn sie alt und schwach sind, zu ihrem und der Literatur Besten zu verpflegen, die Nackten zu kleiden und die Hungrigen zu speisen; nur müßten die Buchhändler dabei Nichts zu schaffen haben. Manche Bettler haben die Gewohnheit, erst das Vaterunser und Luthers ganzen kleinen Katechismus herzubeten, und dann um ein Almosen zu bitten, man gebe den invaliden Autoren das ersehnte Scherflein früher, und sie werden keine schlechten Schriften verfassen. So würd’ ich mich über diese Unterstützungen noch weiter expectoriren, wenn mir nicht noch zur rechten Stunde einfiele, daß mein Raisonnement wirklich so klingt, als hätt’ ich über Millionen zu commandiren, was doch — weiß Gott — nicht der Fall ist.</p> <p>Du siehst nun, Geliebte, wie ich ungefähr über Deine bisherigen schriftstellerischen Leistungen urtheile. Ich wünschte Dir Deinen verstellten, männlichen Ton, den angeklebten Bart, das ganze masculinische Wesen von Herzen zu verleiden. Wie </p> </div> </body> </text> </TEI> [172/0185]
einer Nummer mit ihren dürren Knöcheln malen; es ging mir wie schwarzer Staar über die Augen.
Wenn man die Beschäftigung mit der edelsten Kunst als eine Art Verlobung und Ehebündniß ansehen muß, so sollte man billigerweise für eine literarische Wittwenkasse sorgen. Man sollt’ es sich recht Herzenssache sein lassen, die armen Hungerleider, wenn sie alt und schwach sind, zu ihrem und der Literatur Besten zu verpflegen, die Nackten zu kleiden und die Hungrigen zu speisen; nur müßten die Buchhändler dabei Nichts zu schaffen haben. Manche Bettler haben die Gewohnheit, erst das Vaterunser und Luthers ganzen kleinen Katechismus herzubeten, und dann um ein Almosen zu bitten, man gebe den invaliden Autoren das ersehnte Scherflein früher, und sie werden keine schlechten Schriften verfassen. So würd’ ich mich über diese Unterstützungen noch weiter expectoriren, wenn mir nicht noch zur rechten Stunde einfiele, daß mein Raisonnement wirklich so klingt, als hätt’ ich über Millionen zu commandiren, was doch — weiß Gott — nicht der Fall ist.
Du siehst nun, Geliebte, wie ich ungefähr über Deine bisherigen schriftstellerischen Leistungen urtheile. Ich wünschte Dir Deinen verstellten, männlichen Ton, den angeklebten Bart, das ganze masculinische Wesen von Herzen zu verleiden. Wie
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