Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Gewiß, mein verehrter Menzel, Du solltest die stockfleck- und thränenfeuchten Strohsäcke nicht vergessen, wenn Du von unsern schriftstellernden Damen so spricht, als säßen sie mit ihrer Begeisterung in Gartenlauben unter seidenen und goldgestickten Vorhängen; als ließen sie sich jeden Morgen von ihren Kammermädchen die schaffende goldene Feder auf Sammetkissen in Prozession überreichen; als ruhete eine Welt von Schooßhunden auf gepolsterten Sesseln zur Erregung der Sinnlichkeit um sie her. Die Wenigsten unter ihnen haben je einen Kronenleuchter im glänzenden Salon brennen sehen. Viele würden auf dem geglätteten Fußgetäfel ausgleiten, schon weil es ihren verschobenen Gestalten an allem Gleichgewicht und Schwerpunkt ermangelt. Ich kenne eine berühmte Schriftstellerin, in deren Nähe Du immer von Thee sprichst, die aber auch dem Kaffee entsagt hat, um Dein Literaturblatt lesen zu können. Weil es ihr oft am Gelde zu Papier fehlt, so beschreibt sie die weißen Ränder ihres planirten Exemplars mit neuen Erfindungen, indem ihr die heißen, schweren Thränentropfen auf die schneidenden Verurtheilungen ihrer frühern poetischen Gestalten fallen. Einst sah ich sie das schmerzenreiche Wort: Entsagung gerade in mitten in die Lorbeervignette

Gewiß, mein verehrter Menzel, Du solltest die stockfleck- und thränenfeuchten Strohsäcke nicht vergessen, wenn Du von unsern schriftstellernden Damen so spricht, als säßen sie mit ihrer Begeisterung in Gartenlauben unter seidenen und goldgestickten Vorhängen; als ließen sie sich jeden Morgen von ihren Kammermädchen die schaffende goldene Feder auf Sammetkissen in Prozession überreichen; als ruhete eine Welt von Schooßhunden auf gepolsterten Sesseln zur Erregung der Sinnlichkeit um sie her. Die Wenigsten unter ihnen haben je einen Kronenleuchter im glänzenden Salon brennen sehen. Viele würden auf dem geglätteten Fußgetäfel ausgleiten, schon weil es ihren verschobenen Gestalten an allem Gleichgewicht und Schwerpunkt ermangelt. Ich kenne eine berühmte Schriftstellerin, in deren Nähe Du immer von Thee sprichst, die aber auch dem Kaffee entsagt hat, um Dein Literaturblatt lesen zu können. Weil es ihr oft am Gelde zu Papier fehlt, so beschreibt sie die weißen Ränder ihres planirten Exemplars mit neuen Erfindungen, indem ihr die heißen, schweren Thränentropfen auf die schneidenden Verurtheilungen ihrer frühern poetischen Gestalten fallen. Einst sah ich sie das schmerzenreiche Wort: Entsagung gerade in mitten in die Lorbeervignette

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0184" n="171"/>
        <p> Gewiß, mein verehrter Menzel, Du solltest die stockfleck- und thränenfeuchten Strohsäcke nicht vergessen, wenn Du von unsern schriftstellernden Damen so spricht, als säßen sie mit ihrer Begeisterung in Gartenlauben unter seidenen und goldgestickten Vorhängen; als ließen sie sich jeden Morgen von ihren Kammermädchen die schaffende goldene Feder auf Sammetkissen in Prozession überreichen; als ruhete eine Welt von Schooßhunden auf gepolsterten Sesseln zur Erregung der Sinnlichkeit um sie her. Die Wenigsten unter ihnen haben je einen Kronenleuchter im glänzenden Salon brennen sehen. Viele würden auf dem geglätteten Fußgetäfel ausgleiten, schon weil es ihren verschobenen Gestalten an allem Gleichgewicht und Schwerpunkt ermangelt. Ich kenne eine berühmte Schriftstellerin, in deren Nähe Du immer von Thee sprichst, die aber auch dem Kaffee entsagt hat, um Dein Literaturblatt lesen zu können. Weil es ihr oft am Gelde zu Papier fehlt, so beschreibt sie die weißen Ränder ihres planirten Exemplars mit neuen Erfindungen, indem ihr die heißen, schweren Thränentropfen auf die schneidenden Verurtheilungen ihrer frühern poetischen Gestalten fallen. Einst sah ich sie das schmerzenreiche Wort: Entsagung gerade in mitten in die Lorbeervignette
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0184] Gewiß, mein verehrter Menzel, Du solltest die stockfleck- und thränenfeuchten Strohsäcke nicht vergessen, wenn Du von unsern schriftstellernden Damen so spricht, als säßen sie mit ihrer Begeisterung in Gartenlauben unter seidenen und goldgestickten Vorhängen; als ließen sie sich jeden Morgen von ihren Kammermädchen die schaffende goldene Feder auf Sammetkissen in Prozession überreichen; als ruhete eine Welt von Schooßhunden auf gepolsterten Sesseln zur Erregung der Sinnlichkeit um sie her. Die Wenigsten unter ihnen haben je einen Kronenleuchter im glänzenden Salon brennen sehen. Viele würden auf dem geglätteten Fußgetäfel ausgleiten, schon weil es ihren verschobenen Gestalten an allem Gleichgewicht und Schwerpunkt ermangelt. Ich kenne eine berühmte Schriftstellerin, in deren Nähe Du immer von Thee sprichst, die aber auch dem Kaffee entsagt hat, um Dein Literaturblatt lesen zu können. Weil es ihr oft am Gelde zu Papier fehlt, so beschreibt sie die weißen Ränder ihres planirten Exemplars mit neuen Erfindungen, indem ihr die heißen, schweren Thränentropfen auf die schneidenden Verurtheilungen ihrer frühern poetischen Gestalten fallen. Einst sah ich sie das schmerzenreiche Wort: Entsagung gerade in mitten in die Lorbeervignette

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/184
Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/184>, abgerufen am 27.11.2024.